Kleine Frauen, Band 3: Kleine Männer. Louisa May AlcottЧитать онлайн книгу.
und du wirst Bücher fast so sehr lieben wie mein kleiner Philosoph hier", fügte Mr. Bär hinzu, während er Demi die Haare aus seiner schönen Stirn strich: "Du bist auch ein kleiner Gierschlund, mein Sohn, und stopfst deinen kleinen Verstand so gerne mit Märchen und Erzählungen voll, wie George seinen kleinen Bauch mit Kuchen und Süßigkeiten füllt. Beides ist gleichermaßen schlecht, und ich möchte, dass du etwas Besseres ausprobierst. Arithmetik ist nicht halb so lustig wie 'Tausendundeine Nacht', das ist mir klar, aber sie ist sehr nützlich – und gerade jetzt ist die richtige Zeit, sie zu lernen, sonst wirst du dich irgendwann schämen und es bereuen".
"Aber 'Harry und Lucy' und 'Frank' sind doch keine Märchenbücher, sie stecken voller Barometer, Ziegelsteinen, Hufbeschlägen und anderen nützlichen Dingen, und ich mag sie wirklich gern, nicht wahr, Daisy?", erwiderte Demi, der zumindest den Versuch unternehmen wollte, sich zu verteidigen.
"Das sind sie auch, aber ich finde, dass du 'Hänsel und Gretel' viel öfter liest als 'Harry und Lucy', und ich glaube auch, dass du 'Frank' nicht halb so gern magst wie 'Sindbad'. Komm, ich biete euch beiden ein kleines Geschäft an – George darf nur dreimal am Tag essen, und du nur ein Geschichtenbuch pro Woche lesen, und ihr bekommt den neuen Cricketplatz; aber nur, wenn ihr versprecht, dort auch zu spielen", sagte Onkel Fritz in seiner überzeugenden Art, denn Pummelchen hasste es, herumzurennen, und Demi las lieber, wenn die anderen spielten.
"Aber wir mögen kein Cricket", sagte Demi.
"Vielleicht noch nicht, aber ganz bestimmt, wenn ihr es einmal gespielt habt. Außerdem wollt ihr doch gerne großzügig sein, und die anderen Jungs sehnen sich danach zu spielen; es liegt in eurer Macht, ihnen den neuen Platz zu verschaffen, wenn ihr nur wollt.
Mit diesen Worten überzeugte er die beiden Jungs und zur großen Zufriedenheit der anderen stimmten sie der Abmachung zu.
Anschließend wurde noch ein wenig über die Gärten gesprochen, dann sangen alle zusammen. Die Band gefiel Nat sehr, denn Mrs. Bär spielte Klavier, Franz Flöte, Mr. Bär eine Bassgambe und er selbst die Geige. Es war ein ganz einfaches, kleines Konzert, aber alle schienen es zu genießen, und die alte Asta, die in der Ecke saß, stimmte manchmal mit ihrer süßen Stimme mit ein, denn alle in dieser Familie, Herr und Diener, alt und jung, schwarz und weiß, teilten sich das Sonntagslied, das zu ihrer aller Vater emporklang. Danach schüttelten alle Vater Bär die Hand und Mutter Bär gab allen einen Kuss, vom sechzehnjährigen Franz bis zum kleinen Rob, der immer die Nasenspitze hinhielt; dann marschierte die ganze Mannschaft ins Bett.
Das Licht der abgedunkelten Lampe, die im Kinderzimmer brannte, schien sanft auf ein Bild, das am Fuße von Nats Bett hing. An den Wänden hingen noch mehrere andere, aber der Junge fand, dass dieses Bild etwas Eigenartiges an sich hatte, denn es hatte einen zierlichen Rahmen aus Moos und Tannenzapfen, und auf einem kleinen Podest darunter stand eine Vase mit frisch gepflückten Wildblumen aus dem frühlingshaften Wald. Es war das schönste Bild von allen, und während Nat es betrachtete, meinte er zu erahnen, was es bedeutete, und wünschte sich, alles darüber zu wissen.
"Das ist mein Bild", sagte eine kleine Stimme im Zimmer. Nat hob den Kopf und sah Demi in seinem Nachthemd, der auf dem Rückweg von Tante Jos Zimmer, wo er sich ein Pflaster für einen Schnitt in seinem Finger geholt hatte, stehengeblieben war.
"Was macht er mit den Kindern?", fragte Nat.
"Das ist Christus, der Heiland, und er segnet die Kinder. Kennst du ihn etwa nicht?", fragte Demi sichtlich irritiert.
"Nicht richtig, aber ich würde gerne mehr von ihm wissen. Er sieht so gütig aus", antwortete Nat, dessen Wissen über den Heiland hauptsächlich darin bestand, dass man seinen Namen oft missbrauchte.
"Ich weiß alles über ihn, und ich mag die Geschichten sehr, weil sie wahr sind", sagte Demi.
"Wer hat sie dir erzählt?"
"Mein Großvater, er weiß alles und erzählt die besten Geschichten der Welt. Als ich ein kleiner Junge war, habe ich mit seinen großen Büchern gespielt und daraus Brücken, Eisenbahnen und Häuser gebaut", begann Demi.
"Wie alt bist du jetzt?", fragte Nat respektvoll.
"'Fast zehn."
"Du weißt viele Dinge, nicht wahr?"
"Ja, weißt du, mein Kopf ist ziemlich groß, und Opa sagt immer, dass es eine Menge Zeug braucht, um ihn zu füllen, also stopfe ich ihn so schnell ich kann immer wieder mit Weisheiten voll", erwiderte Demi auf seine kuriose Weise.
Nat lachte, und sagte dann ernst:
"Bitte erzähl weiter."
Und Demi erzählte gerne weiter, und zwar ohne Punkt und Komma. "Eines Tages fand ich ein sehr schönes Buch und wollte damit spielen, aber Großvater sagte, das dürfe ich nicht; dann zeigte er mir die Bilder und erzählte mir aus dem Buch; und die Geschichten gefielen mir sehr gut, alles über Josef und seine bösen Brüder, die Frösche, die aus dem Meer hüpften, den lieben kleinen Moses im Wasser, und noch so viele andere schöne Erzählungen; aber ich mag den Heiland am liebsten, und Großvater hat mir die Geschichte so oft erzählt, dass ich sie auswendig kenne, und er hat mir dieses Bild gegeben, damit ich sie nicht vergesse; als ich einmal krank war, hat man es hier aufgehängt, und ich habe es dort gelassen, damit es auch die anderen kranken Jungs sehen können.”
"Warum segnet er die Kinder?", fragte Nat, der die Hauptfigur des Bildes sehr anziehend fand.
"Weil er sie liebt."
"Waren es arme Kinder?", fragte Nat wehmütig.
"Ja, ich glaube schon; man sieht, dass einige kaum etwas anhaben und auch die Mütter nicht gerade wie reiche Damen aussehen. Er mochte arme Leute und war sehr gut zu ihnen. Er machte sie gesund, half ihnen und sagte den Reichen, sie dürften sie nicht ärgern, und alle hatten ihn sehr, sehr lieb", rief Demi begeistert.
"War er reich?"
"Oh nein! Er wurde in einem Stall geboren und war so arm, dass er kein Haus hatte, in dem er aufwachsen konnte; manchmal hatte er auch nichts zu essen, außer dem, was die Leute ihm zusteckten, und er wanderte predigend umher und versuchte, alle Menschen gut zu machen, bis die bösen Männer ihn töteten.
"Weswegen?" Der Mann, der sich so sehr um die Armen kümmerte, hatte Nat nun so in seinen Bann gezogen, dass er sich in seinem Bett aufsetzte, um zu schauen und zuzuhören.
"Ich erzähle dir alles darüber; Tante Jo wird nichts dagegen haben", meinte Demi, der sich auf das gegenüberliegende Bett setzte und froh war, einem so hervorragenden Zuhörer seine Lieblingsgeschichte erzählen zu dürfen.
Als die Nanny nachschaute, ob Nat schon schlief, und sah, was vor sich ging, schlich sie sich wieder weg, lief direkt zu Mrs. Bär und sagte mit freudigem Gesicht, das vor mütterlichen Gefühlen geradezu erstrahlte:
"Möchte die geschätzte Dame mal einen schönen Anblick sehen? Nat hört mit ganzem Herzen Demi, diesem Fleisch gewordenen, kleinen weißen Engel zu, wie dieser die Geschichte des Christuskindes erzählt"
Mrs. Bär wollte eigentlich noch vor dem Schlafengehen mit Nat sprechen, denn sie hatte festgestellt, dass ein ernstes Wort, das zu dieser Zeit gesprochen wurde, oft viel Gutes bewirkt. Aber als sie sich zur Kinderzimmertür begab und Nat sah, wie er eifrig die Worte seines kleinen Freundes aufsog, und Demi mit leisen Worten die süße und feierliche Geschichte so erzählte, wie sie ihm beigebracht worden war, während er mit seinen schönen Augen das zarte Gesicht über ihm fixierte, traten ihr selbst die Tränen in die Augen, so dass sie schweigend wegging und bei sich dachte:
"Ohne es zu merken, hilft Demi dem armen Jungen damit mehr, als ich es könnte, und ich werde diesen kostbaren Augenblick nicht mit Worten verderben".
Das Raunen der kindlichen Stimme dauerte noch lange Zeit an, während ein unschuldiges Herz einem anderen diese größte aller Geschichten erzählte. Niemand unterdrückte den Redefluss und als Demi schließlich fertig war, ging Mrs. Bär los, um die Lampe zu löschen; Demi war bereits weg und Nat schlief fest, sein Gesicht dem Bild zugewandt, als hätte er bereits gelernt, den Heiland, der