Kleine Frauen, Band 3: Kleine Männer. Louisa May AlcottЧитать онлайн книгу.
dass, wenn ein einziger Tag der Fürsorge und Güte schon so viel bewirken konnte, ein Jahr geduldigen Anbaus diesem vernachlässigten Garten, der von dem kleinen Missionar im Nachthemd bereits mit dem besten aller Samen gesät worden war, sicherlich eine reiche Ernte entlocken würde.
IV. STOLPERSTEINE
Als Nat am Montagmorgen in die Schule ging, zitterte er innerlich, denn er dachte, dass er jetzt seine Unwissenheit vor allen anderen Jungs zeigen müsse. Aber Mr. Bär wies ihm einen Platz zu, wo er den anderen den Rücken zukehren konnte, und wo nur Franz hörte, wie er seine Aufgaben erledigte; niemand konnte seine Unzulänglichkeiten hören oder sehen, wie er sein Notizbuch bekleckerte. Er war wirklich dankbar dafür und schuftete fleißig, bis Mr. Bär sein dunkelrotes Gesicht und seine tintenbefleckten Finger sah und sagte:
"Arbeite nicht so hart, mein Junge; du wirst dich noch ermüden, und wir haben noch so viel Zeit."
"Aber ich muss hart arbeiten, sonst komme ich mit den anderen nicht mit. Die Jungs wissen so viel, und ich gar nichts", sagte Nat, der vollkommen verzweifelt war, seit er gehört hatte, wie seine Mitschüler ihre Grammatik-, Geschichts- und Geographieaufgaben mit einer seiner Meinung nach erstaunlichen Leichtigkeit und Genauigkeit vortrugen.
"Und du weißt eine ganze Menge Dinge, die sie nicht wissen", sagte Mr. Bär und setzte sich neben ihn, während Franz eine Gruppe kleinerer Schüler durch die Feinheiten des Einmaleins lotste.
"Wirklich?" Nat sah völlig ungläubig aus.
"Ja, zum Beispiel kannst du dich beherrschen, und das kann Jack, der sehr gut rechnen kann, nicht; das ist eine ausgezeichnete Eigenschaft, und ich denke, du hast sie dir gut angeeignet. Außerdem kannst du Geige spielen, und das kann keiner der anderen Jungs, obwohl sie es sehr gerne tun würden. Aber das Beste ist, Nat, dass du wirklich etwas lernen willst, und das ist die halbe Miete. Am Anfang scheint es immer schwer zu sein, und du wirst dich vielleicht entmutigt fühlen, aber bemühe dich weiter, und es wird dir im Laufe der Zeit immer leichter fallen."
Nats Gesicht hatte sich beim Zuhören immer mehr aufgehellt, denn so gering seine Bildung auch war, so sehr freute es ihn zu wissen, dass er auf etwas zurückgreifen konnte. "Ja, ich kann mich gut beherrschen – Vaters Prügel haben mich das gelehrt; und ich kann fiedeln, obwohl ich nicht weiß, wo der Golf von Biskaya ist", dachte er und fand diesen Gedanken so tröstlich, dass es sich kaum mit Worten ausdrücken lässt. Dann sagte er laut, und zwar so ernst, dass Demi ihn hören konnte:
"Ich will lernen und ich werde alles dafür tun. Ich bin nie zur Schule gegangen, aber ich konnte nichts dafür; und wenn meine Mitschüler mich nicht auslachen, werde ich erstklassige Fortschritte machen – Sie und die Dame des Hauses sind so gut zu mir."
"Sie werden dich nicht auslachen; und wenn sie es tun, werde ich – werde ich – werde ich ihnen sagen, dass sie es nicht tun dürfen", rief Demi, der ganz vergessen hatte, wo er sich befand.
Der Rest der Klasse, die gerade die Neunerreihe aufsagte, hielt inne und schaute auf, um zu sehen, was los war.
Da er der Meinung war, dass eine Lektion in gegenseitiger Hilfe gerade besser angebracht war als Rechnen, erzählte ihnen Mr. Bär von Nat und machte eine so interessante und rührende, kleine Geschichte daraus, dass die gutherzigen Jungs alle versprachen, ihm zu helfen; außerdem fühlten sie sich geehrt, dazu aufgefordert worden zu sein, ihre Schätze an Weisheit mit dem Burschen, der so großartig fiedeln konnte, zu teilen. Dieser Appell vermittelte allen das richtige Gefühl, und Nat hatte ein paar Hindernisse weniger, gegen die er kämpfen musste, denn jeder war froh, ihm einen "Schub" auf der Leiter des Lernens geben zu dürfen.
Solange er jedoch noch nicht ganz gesund war, war ausgiebiges Lernen nicht gut für ihn, und Mrs. Jo fand im Haus verschiedene andere Beschäftigungen für ihn, während die Jungs in ihren Büchern arbeiteten. Aber sein Garten war die allerbeste Medizin für ihn, und er arbeitete wie ein Biber, bereitete seine kleine Parzelle vor, säte seine Bohnen aus, beobachtete eifrig, wie sie wuchsen, und freute sich über jedes grüne Blatt und jeden schlanken Stängel, der im warmen Frühlingswetter emporschoss und erblühte. Nie wurde ein Garten sorgfältiger gehackt, und Mr. Bär fürchtete wirklich, dass nichts Zeit zum Wachsen finden würde, weil Nat ständig den Boden umgrub; also gab er ihm leichtere Aufgaben im Blumengarten oder bei den Erdbeeren, wo er arbeitete und so eifrig umherschwirrte wie die Bienen, die um ihn herum brummten.
"Das ist die Ernte, die ich am liebsten mag", sagte Mrs. Bär, wenn sie ihm in die einst dünnen Wangen kniff, die jetzt prall und rötlich waren, oder die gebeugten Schultern tätschelte, die sich dank gesunder Arbeit, gutem Essen und dem Fehlen der schweren Last mit Namen 'Armut' langsam aufrichteten.
Demi war sein kleiner Freund, Tommy sein Gönner und Daisy die Trösterin all seiner Sorgen; denn obwohl die Kinder jünger waren als er, fand sein furchtsames Wesen Gefallen an ihrer unschuldigen Gesellschaft, während er vor den derben Spielen der älteren Jungs eher zurückschreckte. Mr. Laurence vergaß ihn nicht, sondern schickte Kleider und Bücher, Musik und freundliche Nachrichten, und hin und wieder kam er selbst vorbei, um zu sehen, wie es seinem Jungen ging, oder nahm ihn mit in die Stadt zu einem Konzert. Bei diesen Gelegenheiten fühlte sich Nat in den siebten Himmel der Glückseligkeit versetzt, denn er durfte das große Haus von Mr. Laurence besuchen, traf dessen hübsche Frau und die kleine Fee von einer Tochter, aß gut zu Abend und wurde so verwöhnt, dass er noch einige Tage und Nächte später davon sprach und träumte.
Es braucht so wenig, um ein Kind glücklich zu machen, dass es in einer Welt voller Sonnenschein und erfreulicher Dinge einfach schade ist, dass es immer noch wehmütige Gesichter, leere Hände oder einsame, kleine Herzen gibt. In diesem Gefühl sammelten die Bärs alle Krümel ein, die sie finden konnten, um ihre Herde hungriger Spatzen zu füttern, denn sie waren nicht reich – außer an Wohltätigkeit. Freundinnen von Mrs. Jo, die übervolle Kinderzimmer hatten, schickten ihr Spielzeug, dessen die eigenen Kinder bereits müde geworden waren, und das Reparieren dieser Dinge war für Nat eine Arbeit, die bestens zu ihm passte. Er war sehr ordentlich und geschickt mit seinen schlanken Fingern, dass er so manchen verregneten Nachmittag mit der Kleberflasche, seinem Malkasten und seinem Messer verbrachte, um Möbel, Tiere und Spielsachen zu reparieren, während Daisy sich als Schneiderin für die heruntergekommenen Puppen betätigte. Sobald die Spielsachen repariert waren, wurden sie sorgfältig in eine bestimmte Schublade gelegt, und sollten irgendwann einen Weihnachtsbaum für all die armen Kinder der Nachbarschaft schmücken. So wollten die Plumfield-Jungs den Geburtstag dessen feiern, der die Armen liebte und die Kleinen segnete.
Demi wurde nie müde, seine Lieblingsbücher zu lesen und zu erklären, und die beiden verbrachten so manche angenehme Stunde in der alten Weide und schwelgten in "Robinson Crusoe", "1001 Nacht", "Edgeworths Erzählungen" und vielen anderen liebenswerten, unsterblichen Geschichten, die noch Kinder vieler kommender Jahrhunderte erfreuen werden. Dies eröffnete Nat eine neue Welt, und sein Eifer, unbedingt wissen zu wollen, was als nächstes in der Geschichte passierte, half ihm dabei, bald so gut zu lesen wie jeder andere Junge, und so stolz auf seine neue Fähigkeit zu sein, dass die Gefahr bestand, irgendwann genauso ein Bücherwurm zu werden wie Demi.
Und dann kam von einer höchst unerwarteten Seite noch mehr Hilfe. Viele der Jungen waren "im Geschäft", wie sie es nannten, denn die meisten von ihnen waren arm, und da ihnen klar war, dass sie irgendwann ihren eigenen Weg gehen mussten, unterstützten die Bärs alle Bemühungen um Unabhängigkeit. Tommy verkaufte seine Eier; Jack spekulierte mit Vieh; Franz half beim Unterricht und wurde dafür bezahlt; Ned hatte eine Vorliebe für das Zimmermannshandwerk, und man stellte ihm eine Drehbank zur Verfügung, auf der er alle möglichen nützlichen oder hübschen Dinge drehte und dann verkaufte; während Demi Wassermühlen, Kreisel und sowohl nutzlose als auch komplizierte, unbekannte Maschinen baute und sie den anderen Jungs zur Verfügung stellte.
"Dann soll er halt Mechaniker werden, wenn er will", sagte Mr. Bär. "Gib einem Jungen einen Beruf, und er ist unabhängig. Arbeit ist gesund, und welches Talent diese Burschen auch besitzen, ganz gleich ob für die Poesie oder das Pflügen, es soll nach Möglichkeit gefördert werden und ihnen Nutzen bringen."