Sophienlust Box 14 – Familienroman. Aliza KortenЧитать онлайн книгу.
Sie mit Lieselott sprechen würden, so wäre mir damit außerdem sehr geholfen. Sie besteht auf einer persönlichen Unterredung, die ich gern vermeiden möchte. Es nützt ja jetzt nichts mehr …«
Denise lächelte ihn an. »Sie brauchen nicht gar so zerknirscht zu sein, Herr von Rettwitz. Fräulein Lieselott Engel trägt genau die Hälfte der Schuld an allem, was geschehen ist. Sie wusste, dass Sie verheiratet sind. Erwachsen ist sie auch. Obwohl Sie alles tun, um die gesamte Verantwortung auf Ihre eigenen Schultern zu laden, schaut es für mich ein wenig so aus, als habe Fräulein Engel nur auf eine solche Gelegenheit gewartet. Sehr freundschaftlich hat sie an Isolde jedenfalls nicht gehandelt.«
Achim schüttelte den Kopf. »Sehen Sie das nicht zu kritisch an?«
»Ich glaube nicht, Herr von Rettwitz. Traurig ist das Ganze in erster Linie für das Kind. Deshalb möchte ich mit Fräulein Engel sprechen und schon jetzt dafür sorgen, dass ich das Kind in Pflege bekomme.«
»Ich bin Ihnen sehr, sehr dankbar. Soll ich mit Isolde darüber reden?«, fuhr er unsicher fort. »Ich möchte ungern Heimlichkeiten vor ihr haben, aber ich fürchte, dass es ein Schock für sie sein könnte.«
»Diese Entscheidung ist schwer. Aber bei einer Frau wie Lieselott Engel muss man wohl damit rechnen, dass sie mit allen Mitteln kämpfen und vielleicht von sich aus an Isolde herantreten wird. Dann ist es nur umso schlimmer, wenn Sie schweigen.«
»Ich werde es meiner Frau sagen, gleich heute«, äußerte Achim nach einigem Besinnen.
»Sicherlich ist das richtig, Herr von Rettwitz. So, und nun stärken Sie sich erst einmal.«
Achim langte zu, während Denise ihm berichtete, dass der Antrag wegen Micki beim Jugendamt bereits laufe. Es werde sicherlich gar nicht so lange dauern, bis das Kind zu ihnen kommen könne.
Denise notierte sich auch Lieselotts Adresse und fragte: »Glauben Sie, dass ich sie gleich morgen, am Sonntag, überfallen könnte?«
»Das weiß ich leider nicht. Man müsste anrufen. Aber es bedrückt mich, wenn Sie Ihren Sonntag opfern.«
»Nun gut, vielleicht ist es auch ein wenig überstürzt. Ich nehme besser
den Dienstag. Mein Mann gibt mir sicherlich den Chauffeur mit. Dann kann ich die Sache in einem Tag erledigen. Ich werde noch heute anrufen, damit ich die Verabredung mit ihr treffen kann.«
Achim küsste ihr dankbar die Hand.
Wenig später fuhr er nach Sophienlust hinüber, wo Isolde sich nicht wenig wunderte, dass er von Schoeneich kam und nicht auf dem gewohnten Weg.
Achim umarmte Isolde und lehnte die Stirn gegen die ihre, als sei er sehr müde.
»Was ist?«, fragte sie zärtlich. »Hast du eigentlich an einen Luftballon für Micki gedacht?« Sie hatte ihn bei ihren Telefongesprächen an dieses wichtige Mitbringsel erinnert.
»Keine Sorge, Isolde. Ich bringe sechs Luftballons und zwei große Kartons mit Schokoladentafeln für die Kinderschar mit.«
»Fein, Achim.« Doch seine Miene hellte sich auch jetzt nicht auf. Schließlich nahm er sein Gepäck aus dem Wagen und ging mit ihr ins Herrenhaus in ihr Zimmer.
»Ich muss gleich mit dir reden, Isolde. Eher finde ich keine Ruhe.«
»Was hast du nur?« Sie schmiegte sich an ihn, sodass seine Hände liebkosend durch ihr Haar fuhren.
»Isolde, es fällt mir wahnsinnig schwer, es dir zu sagen. Aber ich darf es dir nicht verheimlichen. Lieselott erwartet ein Kind von mir.«
Die Frau schloss für einen Herzschlag die Augen. Es tat weh – sehr weh sogar, denn sie wusste ja, dass sie nie wieder ein eigenes Kind in den Armen halten würde.
»Ich habe es nicht gewusst«, fuhr er fort. »Lieselott sagte es mir, nachdem ich dachte, es sei alles bereinigt zwischen uns.«
»Was soll nun werden?«, fragte Isolde und streifte seine Wange mit ihren Lippen.
»Frau von Schoenecker will mit Lieselott sprechen. Sie würde das Kind in Sophienlust aufnehmen. Auch Lieselott könnte hierbleiben, wenn sie das möchte.«
»Dann will Lieselott sich also von dem Kind trennen?«
Achim spürte voller Dankbarkeit, dass Isolde sich nicht von ihm abwendete. Ihre sanfte, vertrauensvolle Zärtlichkeit blieb unverändert. Sie nahm seine Mitteilung als das hin, was sie war: eine Tatsache, an der man nicht vorübergehen konnte.
»Ich habe sie bis jetzt nicht gefragt. Aber sie will ihren Beruf behalten. Da wird es schwierig sein mit dem Kind. Weißt du, Lieselott passt nicht recht in die Rolle der Mutter, die sich tagsüber hinter der Schreibmaschine abrackert, um nachher noch genügend Zeit für ihr Kind aufzubringen. Sie wird jede Lösung begrüßen, die ihr die Sorge um das Kind für immer abnimmt.«
Isolde atmete heftig. »Jede Lösung?«, fragte sie stockend.
»Ich denke schon.«
»Hast du schon erwogen, dass wir das Kind zu uns nehmen könnten?«
Er sah sie tief betroffen an. »Das würdest du tun?«, rief er aus.
»Es ist dein Kind, Achim. Vielleicht wird es ein Junge. Micki würde sich ganz gewiss über ein Brüderchen freuen. Aber ich weiß nicht, ob Lieselott auf das Kind verzichten würde.«
Achim riss seine Frau an sich. Wie eiserne Klammern umspannten seine starken Arme die zarte Frau. »Isolde, ich liebe dich. Du bist eine wunderbare Frau. Wie soll ich dir nur danken?«
»Du hast mir für gar nichts zu danken, Achim. Wir werden es Denise sagen, damit sie mit Lieselott auch darüber reden kann. Es war ein guter Gedanke von dir, mit ihr zu sprechen. Sie wird ganz gewiss bei Lieselott den rechten Ton treffen.«
Ihre Lippen fanden sich. Für Achim war es eine neue erschütternde Erkenntnis, dass Isolde ihm wieder ganz gehörte und dass sie sogar bereit war, diese Last mit ihm zu teilen und zu tragen.
*
Carola hatte Kindergesellschaft abgehalten. Ab und zu tat sie das und lud einmal die kleinen, einmal die großen zu sich in ihre hübsche Wohnung im Anbau des Herrenhauses ein. Heute waren es die größeren Kinder gewesen, mit denen sie Kuchen gegessen hatte. Es war jedoch ein ungeschriebenes Gesetz, dass stets so viel Kuchen und Torten vorhanden sein mussten, dass auch für die nicht eingeladenen Heimbewohner etwas übrig blieb.
Wolfgang Rennert hatte nach dem Kaffee mit den Kindern gesungen. So war der regnerische Sonntag fröhlich vergangen. Jetzt, kurz nach acht Uhr abends, war alles vorüber und sogar das Geschirr schon gespült.
Draußen hörte man einen Wagen abfahren. Carola nickte ihrem Mann zu. »Das ist Herr von Rettwitz. Er wird erst in der Nacht heimkommen. Seine Frau will in ein bis zwei Wochen von hier fortgehen. Es ist schade. Sie hat uns viel geholfen und sich mit den Kindern sehr gut verstanden.«
Wolfgang Rennert kam zu ihrem Stuhl und küsste sie auf die Nasenspitze. »Du, in der Küche steht noch Kuchen …«
Carola lachte. »Tut mir schrecklich leid, mein lieber Mann. Das ist Micki Luftballons Kuchen. Sie war den ganzen Nachmittag mit ihren zukünftigen Eltern unterwegs. Wahrscheinlich kommt sie gleich, um sich ihren Anteil zu holen. Irgendjemand wird ihr bestimmt gesagt haben, dass hier noch Kuchen steht. Hast du denn nicht genug bekommen?«
»Doch, doch – es war nur so eine Frage.« Wolfgang Rennert schaltete das Fernsehgerät ein. Weder er noch Carola achteten sonderlich auf den Film, denn nun erschien tatsächlich Micki, gemeinsam mit Isolde.
»Dürfen wir wirklich noch Kuchen holen? Micki gibt keine Ruhe«, entschuldigte sich Isolde.
»Der Kuchen steht bereit«, erwiderte Carola heiter.
»Das ist die böse Tante! Ich hab’ Angst! Die böse Tante ist da drin!« Mit entsetzten Augen starrte Micki auf den Bildschirm.
»Wer ist das?«, fragte Isolde und kniete besorgt bei Micki nieder, die totenbleich geworden