Sophienlust Box 14 – Familienroman. Aliza KortenЧитать онлайн книгу.
Rennert betrachtete die Szene kopfschüttelnd und schlug das Fernsehprogramm auf, während Micki die Händchen vor die Augen presste, um das Bild nicht mehr zu sehen. Carola tat ein übriges und schaltete das Gerät aus. Die Großaufnahme hatte eine blonde junge Frau gezeigt.
»Die Schauspielerin heißt Kyra Meister«, berichtete Wolfgang Rennert. »Aber sie hat sicherlich nur eine gewisse Ähnlichkeit mit Mickis Tante.«
Isolde war anderer Meinung. Obwohl Micki ihr leid tat, drückte sie auf den Knopf des Fernsehers und bat Micki, noch einmal hinzuschauen und zu sagen, ob es auch wirklich die Tante sei. Aus dem Kasten könne sie gewiss nicht heraus.
Micki blieb dabei. Es sei die böse Tante, die ihr den Luftballon geschenkt habe.
Isolde ging nicht weiter auf die Sache ein. Sie verständigte sich nur durch einen Blick mit dem jungen Ehepaar. Dann durfte Micki ihren Kuchen essen. Sie plauderte dabei höchst vergnügt von Onkel Achim, der sie und Tante Isolde bald in ein schönes Haus holen wolle.
Erst als die kleine Micki schon längst schlief, Renatas Teddy wie immer neben sich, kehrte Isolde zu den jungen Rennerts zurück. Sie notierte sich den Namen der hübschen blonden Schauspielerin sowie den Sender, der den Film ausgestrahlt hatte.
»Warum wollen Sie es nicht auf sich beruhen lassen?«, fragte Carola. »Wäre es nicht besser?«
»Micki hat ein Recht darauf zu erfahren, woher sie kommt. Wenn diese Frau uns weiterhelfen kann …«
»Und wenn sie nun Rechte anmeldet?«
»Wenn sie das will, wird sie es zu irgendeinem Zeitpunkt sowieso tun. Ich werde Frau von Schoenecker fragen, was man tun kann.«
Carola nickte. »Ja, Tante Isi weiß immer Rat.«
Isolde dankte den beiden Rennerts und verabschiedete sich.
Denise hörte sich am Telefon Isoldes Bericht an, doch sie wollte die Sache auf den anderen Tag verschieben. Aber da hatte sie nicht mit Nick gerechnet. Er erbat sich das Einverständnis seiner Eltern und bekam das Kunststück zuwege, noch am Sonntagabend die Anschrift der Schauspielerin zu erfahren, ebenso ihre Telefonnummer.
Alexander von Schoenecker schüttelte den Kopf über seinen Sohn. »Man wird dich für einen Kyra-Meister-Fan halten«, lächelte er.
»Ist doch egal, Vati. Jetzt haben wir ihre Telefonnummer und können einfach anrufen.«
Denise sah auf die Uhr. Kurz nach neun Uhr. Warum sollte sie eigentlich nicht anrufen? Sie nahm Nick den Zettel aus der Hand und wählte die angegebene Nummer.
Eine Frauenstimme meldete sich, ohne ihren Namen zu nennen. »Hallo!«
Denise gab sich zu erkennen und fragte, ob sie mit der Schauspielerin Kyra Meister spreche, deren Film eben gesendet worden sei.
»Ja, hat es Ihnen so gut gefallen?« Die Künstlerin schien geschmeichelt. Denise aber musste eingestehen, dass sie den Film gar nicht gesehen hatte. Möglichst kurz umriss sie, dass ein Kind aus dem Heim geglaubt habe, sie zu erkennen – ein kleines Mädchen namens Micki, das vor einiger Zeit hier in der Nähe aufgefunden worden sei mit einem blauen Luftballon.
Am anderen Ende der Leitung wurde es still. Sehr still!
»Hören Sie noch, Frau Meister?«, vergewisserte sich Denise.
»Ja, ich höre. Ich musste mich erst fassen. Vielleicht denken Sie sehr schlecht von mir, wenn ich Ihnen sage, dass Micki meine Tochter ist.«
»Ihre eigene Tochter?« Denise wollte es nicht glauben.
»Sie heißt mit vollem Namen Mareike Hagemeister. Nachdem ich von meinem Mann geschieden war, gab ich sie meiner Schwester in Österreich. Dort war sie gut aufgehoben, denn in meinem Beruf kann man ein Kind nun mal nicht gebrauchen. Mareike weiß nicht, dass ich ihre Mutter bin. Dann starb meine Schwester sehr plötzlich. Ich musste Mareike abholen.«
»Sie haben sie also im Wald gelassen?«, fragte Denise streng.
»Ich …, ich wollte es eigentlich nicht. Dann sah ich, wie ein Auto kam und das Kind mitnahm.«
Denise wusste, dass die Schauspielerin jetzt log. »Sie werden sich dazu noch vor dem Jugendamt zu äußern haben, Frau Meister«, erklärte sie ruhig. »Immerhin kann ich Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, dass sich ein Ehepaar gefunden hat, das Ihre kleine Tochter adoptieren möchte. Wären Sie damit einverstanden?«
»Selbstverständlich. Ich verzichte sofort auf das Kind. Unsere Ehe war nicht glücklich. Immer, wenn ich Micki – so nannte sie meine arme Schwester – sah, wurde ich an die ganze Misere erinnert. Ich bin Ihnen sehr dankbar, Frau von Schoenecker.« Ihre Erleichterung war unverkennbar.
Das Gespräch dauerte insgesamt zwanzig Minuten. Denise war etwas erschöpft, als sie den Hörer niederlegte. »Schrecklich, dass eine Mutter so leichten Herzens auf ihr Kinder verzichtet«, seufzte sie. »Micki hat wohl ganz recht gehabt, dass sie von der bösen Tante gesprochen hat. Das arme Kind hatte keine Ahnung, dass es ihre eigene Mutter war. Aber wir werden nun mit der Adoption keinerlei Schwierigkeiten haben.«
Alexander umarmte seine Frau. »Großartig hast du das gemacht, Isi. Ich habe die Dame nicht beneidet. Du bist nicht gerade sanft mit ihr umgesprungen.«
»Na ja, es ist ja auch kriminell«, ließ sich Nick vernehmen.
»Das finde ich auch«, bekräftigte Henrik, obwohl er nicht genau verstanden hatte, worum es ging. Aber das hätte er niemals zugegeben.
*
Denise hatte Lieselott ein Café im Stadtzentrum als Treffpunkt vorgeschlagen, das in der Nähe des Bürohauses lag, in dem das Mädchen arbeitete. Pünktlich um vier Uhr dreißig fand sich Denise ein und bestellte eine Tasse Kaffee. Kaum fünf Minuten später erschien eine elegant gekleidete blonde Dame, von der sich unschwer erraten ließ, dass sie Lieselott Engel sein musste.
Die Begrüßung war freundlich, aber von beiden Seiten zurückhaltend. Denise fragte, was Lieselott haben wolle. Es sei ihr gleich, vielleicht Kaffee, meinte Lieselott und schlug die Beine übereinander.
Denise kam direkt auf ihr Anliegen zu sprechen. Während sie ruhig und freundlich vortrug, dass Achim sich an sie gewandt habe und sie nun hier sei, um ihr für sich selbst und das Kind eine Heimat in Sophienlust anzubieten, zuckte es unruhig um den Mund des blonden Mädchens.
»Ist das etwa alles, was Achim mir zu bieten hat?«, fragte Lieselott schließlich trotzig. »Er hat wohl leider nicht den Mut, selbst mit mir zu sprechen?«
»Ich glaube, es ist keine Frage des Mutes, Fräulein Engel. Herr von Rettwitz bedauert, dass Sie in Schwierigkeiten gekommen sind. Wir alle möchten Ihnen helfen.«
»Und wenn ich mich nun mit Isolde in Verbindung setze?«, stieß Lieselott unbeherrscht hervor.
»Das würde nicht viel ändern, Fräulein Engel. Isolde weiß, dass Sie ein Kind erwarten. Ihr Mann hat es ihr selbst mitgeteilt.«
Lieselott warf den Kopf zurück und lachte, als habe Denise ihr eben den schönsten Witz erzählt.
»Was ist daran so lächerlich?«, erkundigte sich Denise befremdet.
»Weil alle Welt sich anstrengt, mich und mein Kind unterzubringen. Soll ich Ihnen etwas anvertrauen, Frau von Schoenecker? Ich habe Achim belogen. Ich wollte ihn zwingen, zu seinem Wort zu stehen. Ich dachte, dass er vor Isolde Angst haben würde. Leider ist die Rechnung nicht aufgegangen. So – damit wäre das Problem wohl aus der Welt.«
Denise brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen. Ein Blick in Lieselotts kalte, triumphierend blickende Augen belehrte sie, dass diese Frau ganz gewiss zu einem solchen Manöver fähig war.
»Ich danke Ihnen für Ihre Aufrichtigkeit, Fräulein Engel«, brachte Denise mühsam hervor. Davon, dass sie sich die beschwerliche Fahrt hätte ersparen können, sprach sie nicht.
»Einmal musste Achim es ja herausfinden – früher oder später«, erklärte Lieselott schulterzuckend. »Ich bin