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Philosophisches Taschenwörterbuch. VoltaireЧитать онлайн книгу.

Philosophisches Taschenwörterbuch - Voltaire


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dass Gott ihnen nicht nur die Pferde ihrer Feinde zu essen geben werde, sondern auch die Reiter und die anderen Krieger. Das steht fest.* Und in der Tat, warum sollten die Juden keine Menschenfresser gewesen sein? Es wäre das Einzige gewesen, was dem Volk Gottes noch gefehlt hätte, um das abscheulichste aller Völker der Erde zu sein.

      Ich habe in den Anekdoten aus der Geschichte Englands zur Zeit Cromwells gelesen, dass eine Kerzenzieherin in Dublin ausgezeichnete, mit dem Fett von Engländern hergestellte Kerzen verkauft habe. Einige Zeit später beklagte sich ein Stammkunde bei ihr darüber, dass ihre Kerzen nicht mehr so gut seien. »Leider«, sagte sie, »das kommt daher, dass es uns diesen Monat an Engländern fehlte.« Ich frage, wer hat mehr Schuld auf sich geladen, diejenigen, die den Engländern die Kehle durchschnitten, oder die Frau, die aus ihrem Fett Kerzen herstellte?

      APIS

      Verehrte man in Memphis den Stier Apis* als Gott, als Symbol oder als Stier? Es ist anzunehmen, dass die Fanatiker in ihm einen Gott sahen, die Weisen ein schlichtes Symbol, und dass das törichte Volk den Stier verehrte. Tat Kambyses* gut daran, diesen Stier nach der Eroberung Ägyptens eigenhändig zu töten? Warum nicht? Er machte den Einfältigen klar, dass man ihren Gott am Spieß braten konnte, ohne dass die Natur sich erhob, um solchen Gottesfrevel zu rächen. Man hat die Ägypter hoch gerühmt. Ich kenne jedoch kaum ein erbärmlicheres Volk; in ihrem Charakter und in ihrem Herrschaftssystem muss es schon immer ein Grundübel gegeben haben, das zu allen Zeiten ein Volk elender Sklaven aus ihnen machte. Ich räume ein, dass sie in fast unbekannten Zeiten die Welt erobert haben, aber in geschichtlicher Zeit wurden sie von allen unterworfen, die sich die Mühe machen wollten, von den Assyrern, von den Persern, von den Griechen, von den Römern, von den Arabern, von den Mamelucken, von den Türken, schließlich von aller Welt, unsere Kreuzfahrer ausgenommen, und zwar weil deren Unbedachtsamkeit die Feigheit der Ägypter noch übertraf. Es war die Mameluckenmiliz*, die die Franzosen besiegte. Es gibt bei dieser Nation vielleicht nur zwei annehmbare Dinge: Das eine ist, dass diejenigen, die einen Stier anbeteten, niemals jene, die einen Affen anbeteten, zwingen wollten, eine andere Religion anzunehmen; das zweite ist, dass sie immer Küken in Öfen ausschlüpfen ließen.

      Man lobt ihre Pyramiden, aber das sind Denkmäler eines versklavten Volkes. Es war wohl notwendig, die ganze Nation daran arbeiten zu lassen, anders hätte man es nicht fertiggebracht, diese elenden Steinhaufen zu errichten. Wozu dienten sie? Dazu, in einer kleinen Grabkammer die Mumie irgendeines Fürsten, irgendeines Gouverneurs, irgendeines Verwalters aufzubewahren, die ihre Seele nach tausend Jahren wiederbeleben sollte. Aber wenn sie auf die Wiederauferstehung der Körper hofften, warum wurde ihnen dann vor der Einbalsamierung das Gehirn entfernt? Sollten die Ägypter ohne Gehirn wiederauferstehen?

      APOCALYPSE – Apokalypse

      Der Märtyrer Justinus, der um das Jahr 170 unserer Zeitrechnung schrieb, ist der erste, der die Apokalypse erwähnte; in seinem Dialog mit dem Juden Tryphon ordnet er sie dem Apostel Johannes, dem Evangelisten, zu. Dieser Jude fragt ihn nun, ob er nicht glaube, dass Jerusalem eines Tages wiedererrichtet werde? Justinus antwortet ihm, dass er dies genauso glaube wie alle Christen, die logisch denken. Es gab, sagt er, bei uns eine gewisse Person namens Johannes, einer der zwölf Apostel von Jesus, der vorhersagte, dass die Gläubigen tausend Jahre in Jerusalem verbringen werden.

      Bei den Christen war dieses »Tausendjährige Reich« lange Zeit eine weitverbreitete Lehre. Dieser Zeitraum genoss auch bei den Heiden großes Ansehen. Die Seelen der Ägypter schlüpften nach tausend Jahren wieder in ihre Körper; bei Vergil wurden die Seelen, die sich im Fegefeuer befanden, während des gleichen Zeitraumes geläutert, et mille per annos*. Das neue, tausendjährige Jerusalem sollte in Erinnerung an die zwölf Apostel zwölf Tore haben; seine Form sollte quadratisch sein; seine Länge, seine Breite und seine Höhe sollten je zwölftausend Stadien betragen, das heißt, fünfhundert Meilen, so dass die Häuser auch fünfhundert Meilen hoch sein sollten. Es wäre reichlich unangenehm gewesen, im letzten Stock zu wohnen; aber schließlich ist es das, was im Kapitel 21 der Apokalypse steht.

      Auch wenn Justinus der Erste ist, der die Apokalypse dem heiligen Johannes zuordnet, so haben einige Personen sein Zeugnis verworfen, weil er in demselben Dialog mit dem Juden Triphon sagt, nach dem Bericht der Apostel habe Jesus Christus, als er in den Jordan stieg, das Wasser dieses Flusses zum Kochen gebracht und es in Flammen gesetzt, was jedoch in keiner Schrift der Apostel zu finden ist.

      Derselbe heilige Justinus zitiert voller Vertrauen das Orakel der Sibyllen*; und mehr noch, er behauptet sogar, die Reste der kleinen Häuser gesehen zu haben, in denen die zweiundsiebzig Übersetzer der Bibel* zur Zeit des Herodes beim Leuchtturm von Alexandria vor Ägypten eingeschlossen waren. Das Zeugnis eines Menschen, der das Unglück hatte, diese Häuschen zu sehen, scheint darauf hinzudeuten, dass der Autor selbst dort eingesperrt war.

      Der heilige Irenäus, der nach ihm lebte und ebenfalls an das tausendjährige Reich des neuen Jerusalem glaubte, sagt, er habe von einem Greis erfahren, dass der heilige Johannes die Apokalypse verfasst habe. Doch hat man dem heiligen Irenäus vorgeworfen, er habe geschrieben, dass es nicht mehr als vier Evangelien geben dürfe, weil es nicht mehr als vier Erdteile gebe, und vier Hauptwinde, und weil Ezechiel nicht mehr als vier Tiere gesehen habe.* Er nennt diese Überlegungen einen Beweis. Man muss zugeben, dass die Art, in der Irenäus etwas beweist, genauso viel wert ist wie die von Justinus, in der er behauptete, etwas gesehen zu haben.

      Clemens von Alexandria spricht in seinen Electa* nur von einer Apokalypse des heiligen Petrus, von der man damals viel Aufhebens machte. Tertullian, ein großer Befürworter des tausendjährigen Reiches, versichert nicht nur, dass der heilige Johannes die Wiedererrichtung von Jerusalem und dieses tausendjährige Reich vorhergesagt habe, sondern er behauptet sogar, dass dieses Jerusalem schon beginne, sich in der Luft zu formen und dass alle Christen in Palästina und selbst die Heiden es während vierzig aufeinanderfolgenden Tagen am Ende der Nacht gesehen hätten. Doch unglücklicherweise verschwand die Stadt, sobald es hell wurde.

      Origenes zitiert in seinem Vorwort zum Johannesevangelium und in seinen Homilien* die Weissagungen der Apokalypse, aber er zitiert gleichfalls die Orakel der Sibyllen. Der heilige Dionysius, Bischof von Alexandria, der um die Mitte des 3. Jahrhunderts schrieb, sagt hingegen in einem seiner von Eusebios überlieferten Fragmente, dass fast alle Gelehrten die Apokalypse als ein Buch ablehnten, das sich von der Vernunft verabschiedet habe; dass dieses Buch nicht vom heiligen Johannes verfasst worden sei, sondern von einem gewissen Kerinthos, der sich eines großen Namens bedient habe, um seinen Träumereien mehr Gewicht zu verleihen.

      Das Konzil von Laodikeia, das um 360 abgehalten wurde, zählte die Apokalypse nicht zu den kanonischen Schriften. Es war recht seltsam, dass Laodikeia, wo es eine Gemeinde gab, an die sich die Apokalypse richtete,* einen solchen ihr zugedachten Schatz zurückwies; und dass der Bischof von Ephesus, der bei dem Konzil anwesend war, dieses Buch des Johannes, der doch in Ephesus begraben liegt, ebenfalls ablehnte.

      Für alle Augen war sichtbar, dass Johannes sich noch immer in seinem Grab bewegte, wodurch sich die Erde beständig hob und senkte. Jedoch waren sich die gleichen Leute, die meinten, dass der heilige Johannes nicht wirklich tot sei, genauso sicher, dass er die Apokalypse nicht verfasst hatte. Doch diejenigen, die an dem zukünftigen tausendjährigen Reich festhielten, waren in ihrer Auffassung unerschütterlich. Sulpicius Severus bezeichnet in seiner Heiligen Geschichte Buch 9* diejenigen, die die Apokalypse nicht anerkannten, als Wahnsinnige und Gottlose. Schließlich hat sich nach vielen Zweifeln, Einwänden und Gegenreden von Konzil zu Konzil die Auffassung von Sulpicius Severus durchgesetzt. Nachdem die Sache geklärt war, entschied die Kirche, dass die Apokalypse unbestreitbar vom heiligen Johannes stamme, womit es dagegen keinen Einspruch mehr geben kann.

      Jede christliche Gemeinschaft nimmt die in diesem Buch enthaltenen Prophezeiungen für sich in Anspruch; die Engländer haben darin die Revolutionen in Großbritannien gefunden; die Lutheraner die Wirren in Deutschland; die Reformierten in Frankreich die Regierung Karls IX. und die Regentschaft der Katharina von Medici: sie haben alle gleichermaßen recht. Bossuet und Newton haben alle beide die Apokalypse kommentiert; aber im Großen und Ganzen haben die eloquenten Ausführungen des einen und die bewundernswerten Entdeckungen des anderen ihnen mehr Ehre eingebracht


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