Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
daß es nun doch an der Zeit sei, mit Annabel ein ernstes Wörtchen zu reden. Der Tag war herangekommen, an dem Toby seinen ersten Gang zum Gymnasium antreten sollte. Und drei Tage später sollte dann sein Geburtstag gefeiert werden.
»Eigentlich ist es doof, daß die Ferien nicht noch einige Tage länger dauern«, meinte Toby. »Dann hätte Jan kommen können, aber der muß ja auch in die Schule.«
»Jan kann dann mal am Wochenende kommen, und dann feiern wir noch mal«, sagte Jochen. »Wir werden noch manchen Grund zum Feiern finden.« Und dabei sah er Annabel an.
An diesem Abend faßte er sich ein Herz, ihr die entscheidende Frage zu stellen. Als ahne es Toby, daß nun der ersehnte Zeitpunkt gekommen sei, entschloß er sich, bedeutend früher zu Bett zu gehen als sonst.
Und als Jochen eine Flasche Champagner kalt stellte, ahnte auch Annabel, daß die Stunde der Entscheidung nahte.
Jochen machte es sehr feierlich. »Heute sind Sie vier Wochen bei uns, Annabel, und ich bin sehr glücklich, daß es nicht bei diesen vier Wochen bleibt«, begann er. »Tobys Beharrlichkeit hat mir ein Glück beschert, an das ich nicht mehr glauben wollte. Aber er ist eben wirklich ein ganz besonderes Kind. Er sucht sich seine Eltern aus.«
»Wie meinen Sie das?« fragte Annabel staunend.
»Ich denke, daß alles klar sein sollte zwischen uns, bevor wir eine richtige Familie werden. So sollen Sie die einzige sein, die erfährt, daß Toby ein adoptiertes Kind ist. Ich empfinde es nicht so, denn für mich ist er mein Kind. Meine Frau konnte keine Kinder bekommen. Sie war damals schon krank, aber das wußten wir beide nicht. Wir holten Tony als Baby aus einem Heim.«
Er hatte in die flackernde Kerze geblickt, denn leicht fiel es ihm nicht, ihr dies zu erzählen, dann aber blickte er auf und sah sie an.
»Was ist Ihnen, Annabel«, fragte er heiser. »Erschreckt Sie diese Tatsache?«
»Nein«, flüsterte sie. »Ich habe nur immer vorausgesetzt, daß Toby Ihr Kind ist, geboren am zwanzigsten September vor zehn Jahren. Bitte, sprechen Sie nicht weiter. Ich muß Ihnen etwas sagen.«
Verwirrt blickte Jochen sie nun an. »Sie zittern ja, Annabel«, sagte er leise. »Ist es denn so schlimm, daß ich nicht der Vater bin?«
Sie legte die Hände vor ihr Gesicht. »Ich wünschte, Sie wären es«, schluchzte sie auf. »Jetzt bin ich nämlich davon überzeugt, daß ich Tobys Mutter bin. Das erklärt, daß ich ihn so liebe, daß ich so viel Glück verschenkte. Ich konnte doch nicht ahnen, daß er sich so entwickeln würde, daß er ein so liebenswertes Kind werden sollte.«
Jochen starrte sie an. Er meinte Karl Friedrich Wellingers Stimme zu vernehmen: Ist Ihnen schon aufgefallen, wie ähnlich der Junge dieser Annabel ist?
Annabel hatte unter seinem forschenden Blick den Kopf gesenkt. Sie ahnte nicht, wie er jetzt nach diesen Ähnlichkeiten suchte.
»Ich werde Ihnen alles erklären und dann werde ich gehen«, sagte sie leise.
»Das begreife ich nun überhaupt nicht«, stieß er heiser hervor.
»Sie wissen nicht, wer sein Vater ist«, flüsterte sie.
»Ich weiß nicht einmal, ob Sie tatsächlich seine Mutter sein konnten«, sagte er mit erzwungener Ruhe. »Wir haben den Namen der Mutter nicht erfahren. Uns wurde gesagt, daß Toby einfach zurückgelassen worden wäre in dem Entbindungsheim.« Er richtete sich auf. »Wollen Sie mir Ihre Geschichte nicht erzählen, Annabel?«
»Wollen Sie diese immer noch hören?« fragte sie bebend. »Eine Mutter, die ihr Kind einfach zurückläßt? So wurde es Ihnen doch berichtet.«
»Ganz so scheint es ja nicht gewesen zu sein. Ich möchte jetzt alles hören.«
»Es könnte so viel zerstören«, sagte sie mit erstickter Stimme.
»Was könnte es zerstören? Meine Bindung an Toby? Er ist zehn Jahre mein Kind. Und er wird immer mein Kind bleiben. Niemand kann ihn mir nehmen und niemand kann etwas zerstören. Ich will auch gar nicht wissen, wer sein richtiger Vater ist, wenn man es überhaupt so nennen kann. Und wenn Sie seine Mutter sind, bleibt doch eigentlich kein Wunsch mehr offen, Annabel. Toby liebt Sie, und ich liebe Sie auch.«
»Bitte sagen Sie das nicht, bevor Sie nicht alles wissen.«
»Ich werde es heute ganz bestimmt noch erfahren«, sagte Jochen mit einem flüchtigen Lächeln. »Aber jetzt muntern wir uns erst einmal mit einem Gläschen Champagner auf. Meine Kehle ist trocken.«
Ihre war es auch, doch nun stieg das Blut in ihre Wangen zurück.
Leise, zögernd, verhalten begann sie zu erzählen. Etwas anders, als sie es Mutter Hedwig berichtet hatte, und in ihrem Gesicht spiegelte sich die Qual der Erinnerung.
»Der Mann hieß Christoph Wellinger«, sagte sie tonlos.
Jochens Gesicht versteinerte. Seine Lippen preßten sich fest aufeinander. Er stand auf und riß die Terrassentür auf.
Annabel erhob sich langsam. Ihre Knie zitterten. »Ich habe ja gewußt, daß es ein Schock sein würde«, murmelte sie.
Jochen drehte sich um. »Nun, es erklärt zumindest die Ähnlichkeit mit Kathrin«, sagte er. Dann ging er auf Annabel zu und ergriff ihre Hände. »Du gehörst also auch zu den Opfern«, sagte er heiser. »Aber liebt Jobst seine Frau deshalb weniger? Immerhin war sie sechs Jahre mit diesem Kerl verheiratet.«
Tränen rannen über Annabels Wangen. Er tupfte sie mit seinem Taschentuch weg. »Nun zweifele ich allerdings nicht mehr, daß du Tobys Mutter bist, Annabel«, sagte er lelse, »aber nun können wir auch einen Schlußstrich unter dieses Drama ziehen. Du wirst meine Frau, Toby bekommt seine Mutter. und niemand wird etwas erfahren, was vor vielen Jahren geschah. Es weiß ja niemand, daß Toby ein adoptiertes Kind ist und er wird es niemals erfahren. Der Boß ist so glücklich an seinem jetzigen Leben, daß ihm jede weitere Erschütterung erspart bleiben sollte. Außerdem wäre es mir gar nicht recht, wenn der Name Wellinger unser Leben irgendwie beeinflussen sollte, abgesehen davon, daß Karl Friedrich mein hochgeschätzter Chef ist. Und wie ich von Jobst hörte, hatte Christoph einen anderen Vater. Er war kein Wellinger.«
»Das hat mir Martina auch gesagt«, flüsterte Annabel.
»Er hat von dem Namen profitiert und ihn mißbraucht, wie er unschuldige Mädchen mißbrauchte und Kinder in die Welt setzte, um die er sich so wenig kümmerte wie um diese Mädchen. Weißt du, was mir gefällt, Annabel?«
»Was könnte dir daran gefallen?« fragte sie bebend.
Er küßte sie auf die Stirn. »Jetzt hast du endlich auch du gesagt. Alles an dir gefällt mir. Du kanntest seinen Namen. Du hättest Kapital daraus schlagen können. Karl Friedrich Wellinger hätte das Kind niemals verleugnet, aber ich wäre ohne Toby längst nicht so glücklich, wie ich es durch ihn wurde. Und nun habe ich durch ihn dich auch noch dazu bekommen. Meinst du wirklich, ich würde dich gehen lassen, damit wir alle unglücklich werden?«
»Jetzt nicht mehr«, sagte sie leise und dann ließ sie sich von ihm küssen.
Sie hörten nicht wie die Türe leise geöffnet wurde. »Entschuldigung«, sagte Toby mit glucksendem Stimmchen, »ich wollte mir nur was zum Trinken holen. Ist alles in Ordnung, Papi?«
Beide streckten sie ihre Hände aus »Komm rein, Toby, es ist alles in bester Ordnung«, sagte Jochen. »Wir heiraten, und du hast nun deine Mami.«
»Das ist das allerschönste Geburtstagsgeschenk!« jubelte Toby.
*
An diesem Tag kam doch eine leise Wehmut in Annabel auf. Sie hatte ihn weggegeben, diesen Jungen, den sie so innig liebte. Aber als Jochen seinen Ärm um sie legte, als sie in seinen Augen so viel Zärtlichkeit sah, dachte sie, daß sle ja ihn nicht gefunden hätte, wenn dies damals anders gekommen wäre.
Liebevoll hatten sie ihm den Geburtstagstisch aufgebaut. Zehn Kerzen brannten auf einer verlockenden Torte, die Annabel ihrem Sohn gebacken hatte.
Aber