Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
vorbehalten, das Herz des Barons ganz zu öffnen. Es war ein kräftiger Sohn. Nicht eine Minute war Adrian von der Seite seiner Frau gewichen, und dann umarmten sie sich so überglücklich wie Vinzenz und Melanie.
Sie hatten es kaum noch erwarten können, da Wilfried und Lore Emmrich sich schon drei Monate an einer wonnigen kleinen Susanne freuen konnten.
Aber nun hatten sie einen Sohn. Einen Adrian Daniel Alexander Dittmar von Cordes.
Nicht ein Wort des Widerspruchs war von Aribert von Cordes erfolgt, daß sein Sohn auch den Namen seiner Frau angenommen hatte. Er wußte jetzt, daß er den Dittmars ein zufriedenes und sorgloses Leben zu verdanken hatte, und er war dankbar, daß er in dem Haus, das nun der jungen Generation gehörte, und das Melanie wirklich so wundervoll umgestaltet hatte, herzlich willkommen war.
Er ließ Susanne die Truhe mit den Juwelen bringen. »Jetzt gehört sie dir«, sagte er. »Du kannst damit machen, was du willst.«
»Sie kommt wieder in ihr Verlies, Vater«, sagte Susanne. »Wer weiß, was für Zeiten kommen. Vielleicht wird dadurch künftigen Generationen zum Überleben verholfen. So mögen eure Vorfahren wohl auch gedacht haben.«
So war Susanne, und damit gewann sie aller Herzen, auch dieses einst so verbitterte. Aber sie machte ihrem Schwiegervater dann doch die Freude, zur Taufe ihres ersten Sohnes das Diadem zu tragen, das Adrians Mutter zu seiner Geburt bekommen hatte.
»Wahrlich eine Königin«, flüsterte der Baron mehr zu sich selbst, als er sie so sah.
»Die Königin meines Herzens, Vater«, sagte Adrian.
»Wir gehen jetzt, Mami!« schallte es durch das Haus, und Georgia Schilling sprang von ihrem Schreibtisch auf. Sie stolperte fast, so hastig lief sie in die Diele.
»Wohin geht ihr?« fragte sie ihre Töchter Nadine und Jessica.
»Wir haben dir doch gestern schon gesagt, daß wir zu einer Party eingeladen sind«, erwiderte Nadine ziemlich schnippisch. »Dein Gedächtnis läßt auch schon nach.«
Ja, sie hatten es gesagt, Georgia erinnerte sich. Aber an diesem Tag war soviel auf sie eingestürmt, daß sie es vergessen hatte.
Sie nahm sich zusammen und beherrschte sich, obgleich der schnippische Ton von Nadine ihr keineswegs gefallen hatte. »Darf ich fragen, wo diese Party stattfindet?« preßte sie zwischen den Zähnen hervor.
»Bei Kai«, erwiderte Jessica, »du kennst ihn doch, Mami.«
»Er feiert seinen einundzwanzigsten Geburtstag«, fügte Nadine hinzu. »Und falls dein Gedächtnis dich ganz im Stich lassen sollte, er heißt mit Nachnamen Jennings, und sie wohnen in der gleichen Straße wie die Nordens. Außerdem bin ich zwanzig, und du brauchst dich nicht so anzustellen, wenn wir abends ausgehen.«
Georgia straffte sich. »Wie stelle ich mich denn an?« fragte sie.
»Ziemlich spießig«, erwiderte Nadine.
»Sei doch nicht so«, sagte Jessica leise. »Mami meint es doch nicht böse.«
»lch wünsche euch viel Spaß«, sagte Georgia müde. Ja, sie war sehr müde.
»Papa wird ja wohl auch bald kommen«, sagte Jessica. »Er wird sich ja für die Forschung nicht ganz aufarbeiten wollen.«
»Keine Diskussionen mehr, Jessi, mir hängen sie zum Halse heraus«, sagte Nadine, und gleich darauf fiel die Tür ins Schloß.
So ist das Leben, dachte Georgia, man hat es mir ja vorausgesagt, als ich Holger geheiratet habe. Mutter hat es gesagt, Ruth hat es gesagt, nur Vater war stolz, daß sich der junge Professor Schilling für mich entschieden hat. Aber Vater war ja auch besessen von seiner Arbeit. Und bei uns war es auch nicht anders als jetzt.
Knapp zwanzig war sie gewesen und Holger Schilling bereits vierunddreißig, als sie vor den Traualtar traten, aber sie hatte andächtig, ja anbetend zu ihm aufgeblickt. Und dann war sie mit ihm nach Amerika gegangen, wo er in einem Atomforschungszentrum eine führende Stellung hatte.
Nadine kam zur Welt, und sie hatte gar nicht mehr gespürt, wie wenig Zeit ihr Mann für sie hatte, und schon anderthalb Jahre später folgte dann auch Jessica.
Sie war von den lebhaften Kindern voll beansprucht worden. Ja, erst jetzt, neuerdings dachte sie darüber nach, daß sie von einer richtigen Ehe eigentlich gar nichts zu erzählen wüßte. Wie sollte sie da den Kindern einen Vorwurf machen, wenn ihnen der Vater fast ein Fremder geblieben war.
Erst vor fünf Jahren waren sie nach München zurückgekehrt. Leicht hatten es die beiden Mädchen nicht gehabt, sich in die veränderten Verhältnisse zu finden. Leicht war es für sie auch nicht in der Schule gewesen, den Anschluß zu finden.
Und sie selbst? Ja, sie waren wieder in der Heimat. Sie hatte sich drüben nicht wohl gefühlt. Sie hatte sich angepaßt, hatte sich ja immer anpassen müssen. Manchmal war ihr der Gedanke gekommen, daß Holger nur deshalb eine junge Frau genommen hatte, weil diese noch keine eigene Persönlichkeit entwickelt hatte.
Ja, sie waren dann in der Heimat angekommen, lebten nun aber in einer fremden Stadt, in der Georgia wieder keine Freunde hatte. Sie lebten in München, von dem alle Amerikaner schwärmten. Sie hatten ein sehr schönes Haus am Stadtrand, Nadine und Jessica fanden Freunde, und sie fanden München ganz herrlich.
Sie wurden erwachsen, und immer öfter war Georgia allein. Sie fühlte sich frustriert, aber darüber hatte sie bisher nur mit einem einzigen Menschen gesprochen, das war Dr. Daniel Norden.
Ablenken solle sie sich, ins Konzert gehen oder in die Oper, ins Theater, aber allein mochte sie nicht gehen und hier hatte Holger noch weniger Zeit als in den Staaten.
Die Mädchen hatten andere Interessen. Sie gingen lieber in die Disco oder auf Partys, sie machten auch Wochenendausflüge, und Georgia konnte nichts dagegen sagen. Jetzt waren sie ja mündig, wenngleich sie beide noch zur Schule gingen.
Daß sie selbst mal eine Party gaben, erlaubte Holger nicht, so gern Georgia auch die jungen Leute, mit denen ihre Töchter verkehrten, näher kennengelernt hätte. Überhaupt war Holger Schilling in letzter Zeit sehr eigenartig geworden. Oder ich bilde mir das nur ein, weil ich immer mehr spürte, daß dies keine Ehe mehr ist, sagte sich Georgia.
Sie entschloß sich jetzt, einen Abendspaziergang zu machen. Wenigstens einen solchen gönnte sie sich manchmal. Doch da kam ihr Mann nach Hause.
Wieder wurde sie von dieser seltsamen Unruhe ergriffen, als sie ihn auf das Haus zukommen sah. Sehr blaß war er, richtig hager geworden. Die Schultern hingen vornüber, der Blick war zu Boden gesenkt. Sie beobachtete ihn vom Fenster aus und sah, wie er stehenblieb und an seine Brust griff.
Sie lief zur Haustür, aber sie wußte genau, daß sie ihn nicht fragen durfte, ob ihm etwas fehle. Sie kannte die Antwort darauf ganz genau. Was du dir immer gleich einredest, lautete diese.
Doch an diesem Abend sagte er es selbst. »Mir ist nicht gut. Ich weiß überhaupt nicht, was los ist. Ich kann mich nicht konzentrieren. Ich muß etwas aufgeschnappt haben. Um mich herum hustet und nießt ja auch alles.«
»Ich mache dir einen Tee, Holger«, sagte sie.
»Vielleicht habe ich auch Hunger. Ich weiß gar nicht, ob ich heute schon etwas gegessen habe.«
Er war ein richtiger zertreuter Professor geworden. Jessica hatte es vorhin gesagt.
»Was möchtest du essen, Holger?« fragte sie geduldig.
»Was hast du denn da? Und wo stecken unsere Töchter?«
»Sie sind zu einer Party gegangen.«
»Sie haben wirklich nichts anderes mehr im Kopf«, nörgelte er. »Was soll bloß mal aus ihnen werden? Mein Vater hätte mir was erzählt, wenn ich mit zwanzig Jahren noch auf der Schulbank gehockt hätte.«
Er ist wahrscheinlich nie richtig jung gewesen, dachte Georgia, als sie ihm wunschgemäß ein