Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
Hunger«, murmelte er. »Ich bin müde.«
Sie trat hinter ihn und legte ihre Hand auf seine Stirn, aber er wehrte sie heftig ab.
»Rede mir bloß nicht ein, daß ich krank bin. Ich habe noch viel zu tun, und am Montag muß ich in die Staaten fliegen.«
In diesem Zustand? dachte sie, er hat doch sogar Fieber. Aber sie sagte es nicht.
»Für wie lange?« fragte sie.
»Ich weiß es noch nicht. Vielleicht bleibe ich drüben. Ihr kommt dann nach, wenn die Kinder mit der Schule fertig sind.«
Und in diesem Augenblick wurde Georgia zum erstenmal bewußt, daß sie nichts mehr für ihn empfand.
»Ich gehe nicht noch einmal nach Amerika«, entfuhr es ihr.
Er kniff die Augen zusammen. »Das kannst du halten, wie du willst. Ich muß meine gute Zeit noch nützen.«
Gute Zeit? Ein Frösteln kroch über ihren Rücken. Steckt vielleicht eine andere Frau dahinter? fragte sie sich dann. Aber auch das machte ihr nichts aus.
Sie hörte, wie er im Bad gurgelte. Sie betrachtete sich im Spiegel. Eine Frau von vierzig Jahren und sehr ansehnlich war sie. Das konnte sie sich ohne Eitelkeit zugestehen. Sie war mädchenhaft schlank und gut gewachsen. Nadine hatte fast schon ihren Umfang, was dem Mädchen sehr willkommen war, denn gar zu gern zog sie die Kleider ihrer Mutter an.
Auch in bezug auf Nadine hatte Georgia ihre Sorgen.
Sie hatte ihre Heimlichkeiten, selbst wohl vor Jessica. Und es hatte den Anschein, als würde sie Jessica nur mitziehen, um sich durch sie ein Alibi für manches zu schaffen, was sie nicht eingestehen wollte.
Ich muß mit beiden mal reden, dachte Georgia. Es kann doch nicht alles auseinanderbrechen.
Doch wie schnell sollte sie das Gefühl und auch die Gewißheit bekommen, vor einem Abgrund zu stehen!
*
»Ich finde es nicht gut, daß wir Mami so oft allein lassen«, sagte Jessica zu ihrer älteren Schwester.
»Sie kann doch auch was unternehmen«, meinte Nadine gleichmütig. »Sie verkriecht sich in ihrem Bau und ist nur darauf bedacht, bei ihrem Tyrannen nicht anzuecken. Wenn mir ein Mann so etwas bieten würde, dem würde ich etwas erzählen.«
»Du sprichst jetzt von unserem Vater, Nadine«, sagte Jessica, die in vielen Dingen etwas vernünftiger war als die Ältere. »Und was du dir mit Francesco eingehandelt hast, ist wirklich auch nicht gerade das Beste.«
»Hör damit auf, du bist ja nur eifersüchtig«, zischte Nadine. »Er ist der bestaussehende Mann, der mir je begegnet ist.«
»Kommt es bloß darauf an?« fragte Jessica.
»Mach mir bloß keine Vorschriften. Geh du zu deiner Party. Ich hoffe nur, daß du mich bei Mami nicht verrätst.«
»Das würde ich schon deshalb nicht tun, damit sie nicht noch trauriger wird. Ich habe überhaupt keine Lust, zu der Party zu gehen. Alles mache ich nur deinetwegen mit. Aber ich sage dir gleich, daß ich nicht länger als bis Mittemacht bleibe. Wenn du später kommst, mußt du dir eine andere Ausrede einfallen lassen.«
»Dein Name ist Hase, du weißt von nichts«, spottete Nadine. »Nun, du wirst auch noch auf den Geschmack kommen und nicht nur mit diesen Jüngelchen zusammenhocken.«
Jessica blieb stehen. Eine steile Falte erschien auf ihrer klaren Stirn.
»Du wirst das hoffentlich nicht noch gewaltig bereuen müssen, Nadine«, sagte sie aggressiv. »Eines Tages wirst du alles allein ausbaden müssen, und dann mach Mami keinen Vorwurf.«
»Es wird nicht mehr lange dauern, dann bin ich mit Francesco auf und davon«, sagte Nadine spöttisch. »Und wir werden das Leben genießen.«
»Na, dann genieß es mal«, sagte Jessica und ließ ihre Schwester an der S-Bahn stehen. Im Laufschritt eilte sie auf das Villenviertel zu, wo Kai Röding wohnte, wo auch die Nordens ihr Haus hatten. Und sie lief Dr. Norden buchstäblich in die Arme.
Er war gerade aus seinem Wagen ausgestiegen, und Jessica hatte es gar nicht wahrgenommen, weil ihre Augen blind vor Tränen waren.
»Hallo, Jessica«, sagte Dr. Norden, »wohin so eilig? Ist etwas passiert?«
»Nein, ich will zu einer Party. Kai Röding hat Geburtstag«, stammelte sie tonlos.
»Na, dann viel Spaß«, sagte Dr. Norden.
»Danke«, flüsterte sie. »Sie sagen aber bitte Mami nicht, daß Sie mich allein getroffen haben, ohne Nadine.«
»Deshalb die Tränen, Jessica?« fragte er väterlich. »Habt ihr euch gestritten?«
Sie schüttelte den Kopf. »Es ist alles so blöd«, sagte sie leise.
»Ihr habt doch eine sehr liebe Mutter«, sagte er nachdenklich.
»Das ist es ja.« Sie blickte zu ihm auf. »Darf ich mal zu Ihnen kommen und Sie einiges fragen?«
»Jederzeit, Jessica. Laß du dir den Spaß nicht verderben. Kai ist ein sehr netter Junge.«
Ja, das war er, aber Jessica wußte, daß er mehr für Nadine übrig hatte. Und sie sah auch dessen enttäuschte Miene.
»Nadine konnte nicht, sie mußte zu einem Vortrag«, schwindelte Jessica. »Ich wünsche dir viel Glück für das neue Lebensjahr, Kai.« Sie drückte ihm ein kleines Päckchen in die Hand, das sie aus der Manteltasche genommen hatte.
»Vielen Dank, Jessi«, sagte er leise. »Große Stimmung herrschte heut nicht.«
»Das macht das Wetter«, sagte sie. »Ich habe auch Kopfschmerzen.«
»Alles kann man nicht auf’s Wetter schieben. Na, komm, es wird schon lustiger werden.«
Er war nicht viel größer als sie, ein sympathischer blonder Junge, der schon im vierten Semester Jura studierte.
Nadine nannte ihn abfällig einen Streber, aber Jessica mochte ihn. Nicht, daß sie verliebt in ihn gewesen wäre, aber sie unterhielt sich gern mit ihm. Und sie mochte vor allem seinen Vater, der so jung wirkte und alles mitmachte, während Inge Röding unverdrossen für das leibliche Wohl der jungen Gesellschaft sorgte. Ja, so stellte sich Jessica ein richtiges Familienleben vor.
An diesem Tag war auch Kais älterer Bruder Markus anwesend. Er studierte in Heidelberg Medizin. Es war mehr ein besinnliches Familienfest, als eine Party, und Jessica konnte sich vorstellen, daß Nadine sich darüber mokiert hätte.
Nadine bewegte sich jetzt allerdings in ganz anderen Kreisen. Da ging es laut und lässig zu. Da waren mehrere Nationalitäten versammelt, und es wurde auch viel getrunken.
Nadine hatte mit Genugtuung festgestellt, daß Francesco der bestaussehende Mann in diesem Kreise war. Weniger gefiel es ihr, daß er mit seinem Charme auch die anderen weiblichen Gäste zu bezaubern schien. Ein bißchen unsicher fühlte sie sich schon, denn frei von Gewissensbissen war sie nicht.
Die Zeit enteilte. Sie blickte immer öfter auf die Uhr. Francesco widmete sich durchaus nicht ihr allein, und als sie ihm sagte, daß sie jetzt heimfahren müsse, warf er ihr einen unwilligen Blick zu.
»Du kannst bei mir schlafen«, sagte er nebenbei und so laut, daß alle es hören konnten. Nadine wurde knallrot. »Bitte, sei nicht so geschmacklos, Francesco«, sagte sie trotzig.
Er grinste spöttisch. »Man will das Gesicht wahren«, sagte er zynisch. »Sei nicht albern, Nadine.«
Da trat ein junger Mann an sie heran, den sie bisher nicht beachtet hatte, und der anscheinend überhaupt nicht zu dieser Clique gehörte.
»Ich bringe Sie gern nach Hause«, sagte er ruhig.
Francesco grinste immer noch. Nadine merkte jetzt erst, daß er sehr viel getrunken hatte.
»Scher dich zum Teufel«, sagte er. »Du langweilst mich. Ich lasse mir