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Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.

Sophienlust Paket 4 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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hast recht, wenn du sagst, dass Lucie lieb und hübsch ist«, erklärte Schwester Regine behutsam. »Nur – sie ist so ganz anders als normale Kinder.«

      »Anders als normale Kinder?«, wiederholte Nick und sah erschrocken von Schwester Regine zu seiner Mutter hinüber.

      Denise nickte. »Bedenke doch, es ist uns auch in den letzten Tagen nicht geglückt, sie zum Sprechen zu bewegen. Aber sie kann sprechen. Sie hat doch der Huber-Mutter ihren Namen gesagt. Und dann hat sie behauptet, nicht in Frau Harlans Haus zu wohnen. Doch seither ist sie stumm geblieben. Ich habe noch nie mit einem Kind zu tun gehabt, das sich so sonderbar verhalten hat.«

      »Du meinst doch nicht … Du willst doch nicht andeuten … Nein, das kann nicht sein!«

      »Reg dich nicht auf, Nick. Ich selbst kann mir kein Urteil bilden, aber es ist höchste Zeit, dass wir Frau Dr. Frey zu dem Kind rufen. Sie soll sich Lucie einmal ansehen.«

      »Ja, ich bin auch dafür«, meinte Schwester Regine zustimmend.

      »Ihr glaubt beide, dass Lucie geisteskrank ist«, rief Nick anklagend aus. Nun war das, was Schwester Regine, Denise und Frau Rennert schon eine Zeit lang bedrückt hatte, ausgesprochen worden.

      »Nein, nein«, versuchte Denise Nicks Wort abzuschwächen. »Ich glaube nicht, dass es so schlimm um Lucie steht. Aber vielleicht hat sie einmal einen Schock erlitten oder ist schlecht behandelt worden. Es gibt so viele Möglichkeiten. Auf alle Fälle werde ich Frau Dr. Frey hinzuziehen. Da sich die Eltern nicht gemeldet haben, müssen wir etwas unternehmen.«

      Die Eltern! Nun war man mal wieder beim Ausgangspunkt der Überlegungen angelangt.

      »Falls die Eltern Lucie wirklich ausgesetzt haben, weil sie sie los sein wollten, werden sie sich bestimmt nicht melden«, erwog Nick. »Unklar bleibt dabei nur ein Punkt: Wieso ist niemandem das Verschwinden des Kindes aufgefallen? Zum Beispiel müssten die Nachbarn der Familie bemerken, dass Lucie nicht mehr da ist. Und nachdem das Foto in den Zeitungen erschienen ist, hätte doch irgendjemand bei der Polizei auftauchen müssen.«

      »Ja, das stimmt.«

      »Es muss Leute geben, die Lucie kennen«, fuhr Nick fort. »Ich bin der Meinung, wir sollten uns noch einmal eingehend mit Frau Harlan befassen. Die alte Frau hat uns etwas verschwiegen. Und das möchte ich herausbekommen.«

      »Wie willst du das anstellen?«

      »Ganz einfach. Wir fahren nach Hechingen, und ich höre mich ein bisschen in der Gegend um. In irgendeinem Geschäft muss die alte Frau ja ihren Lebensmittelbedarf decken. Dort werde ich Erkundigungen über sie einziehen. Vor allem würde mich interessieren, wieso sie so einsam lebt und nicht einmal Dienstboten beschäftigt.«

      »Wahrscheinlich fehlen ihr dazu die Mittel. Das Haus wirkte vernachlässigt und verfallen …«

      »Vernachlässigt wohl, aber verfallen nicht«, unterbrach Nick seine Mutter.

      »Wo liegt da der Unterschied?«

      »Hm …« Nick suchte nach Worten, um seinen Eindruck darzulegen. »Dir ist das Haus verfallen vorgekommen, weil der Garten ungepflegt und von Unkraut überwuchert war«, sagte er. »Aber noch vor ein paar Jahren muss es sehr schön gewesen sein. Und was das Haus selbst betrifft … Bei flüchtiger Betrachtung mag es verfallen wirken, aber ich habe bemerkt, dass der Verputz vollkommen in Ordnung war. Es gab an der Vorderfront kein Stückchen, das abgebröckelt war. Und das Dach dürfte vor einiger Zeit repariert worden sein, denn etliche Ziegel wiesen eine andere Färbung auf als der Rest. Natürlich könnte diese Reparatur bereits vor einigen Jahren erfolgt sein. So genau kenne ich mich da nicht aus.«

      »Du hast das Haus gründlich in Augenschein genommen«, staunte Schwester Regine.

      »Das habe ich«, erwiderte Nick mit Genugtuung. Auffallend war auch, dass Frau Harlan das gar nicht recht war. Diese Frau hat etwas zu verbergen.«

      »Ach, Unsinn«, meinte Denise.

      Nick war jedoch nicht mehr zu bremsen. »Fährst du mit mir nach Hechingen?«, bat er seine Mutter.

      »Kommt nicht infrage«, erwiderte Denise. »Ich habe nicht die Absicht, den Nachmittag unnütz zu vertrödeln.«

      Aber Nick ließ nicht locker. »Zu dumm, dass ich noch nicht alt genug für einen Führerschein bin«, sagte er niedergeschlagen. »Es wird mir nichts anderes übrig bleiben, als auf meinem Pferd nach Hechingen zu reiten.«

      Denise war durch diese Drohung nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Sie wusste genau, dass ein Ritt nach Hechingen nicht im Bereich des Möglichen lag.

      Nick fuhr also schwereres Geschütz auf. »Dieter – er ist zwei Klassen höher als ich – besitzt ein Moped. Wenn ich ihn bitte, borgt er es mir sicher.«

      »Mach nur ja keine Dummheiten, Nick«, fuhr Denise auf. »Na gut, ich chauffiere dich nach Hechingen«, erklärte sie seufzend.

      *

      Während der Fahrt nach Hechingen stellte Denise klar: »Wenn du unbedingt Detektiv spielen willst – bitte. Aber lass mich bei deinen Nachforschungen aus dem Spiel. Ich will mich nicht lächerlich machen. Übrigens ist Hechingen eine Stadt mit über zehntausend Einwohnern. Ich bin gespannt, bei welchem davon du beginnen wirst.«

      Nick überhörte den Sarkasmus, der in der Stimme seiner Mutter lag, und erwiderte: »Bei dem Inhaber des Lebensmittelgeschäftes, das dem Haus von Frau Harlan am nächsten liegt.«

      Denise stieß einen übertriebenen langen Seufzer aus. Als sie jedoch besagtes Geschäft aufgespürt hatten, konnte sie es sich nicht versagen, Nick zu begleiten.

      Der Gymnasiast fing die Sache gar nicht so übel an. Er kaufte der rundlichen Ladeninhaberin zwei große Flaschen Limonade ab und meinte dabei: »Bei der Hitze heute kommt man um vor Durst. Dabei ist es hier in der Gegend noch verhältnismäßig erträglich. Es muss angenehm sein, hier zu wohnen. Vorhin sind wir an einem Haus vorbeigekommen, das mitten im Wald liegt.«

      »Ja, dieses Haus hat eine einmalige Lage«, kam Denise ihrem Sohn zu Hilfe. »Man sieht es kaum von der Straße aus, da hohe Bäume davor stehen. Ich beneide die Leute, die darin wohnen. Die ein wenig einsame Lage ist zwar für ängstliche Menschen wenig geeignet …«

      Endlich schnappte die Ladenbesitzerin nach dem Köder. »Sie meinen wahrscheinlich das Haus, das der alten Frau Harlan gehört«, sagte sie. »Es ist das einzige, auf das Ihre Beschreibung passt.«

      »Einer alten Frau gehört dieser Besitz?«, fragte Nick und bemühte sich, möglichst viel Verwunderung in seine Stimme zu legen. »Ich hätte eher auf einen erfolgreichen Geschäftsmann getippt«, fuhr er fort.

      »Das war Herr Harlan ja auch, aber er ist vor Jahren gestorben.«

      »Und seitdem lebt die Witwe allein in dem großen Haus? Aber sicher verfügt sie über Dienstboten, die …«

      »Wo denken Sie hin? Außer der alten Frau wohnt keine Menschenseele in dem Haus. Es ist direkt gefährlich. Aber wenn ich ihr Vorhaltungen mache – sie kauft nämlich bei mir ein –, weist sie mich bloß unfreundlich zurück. Nun, mir kann es egal sein. Außerdem waren Gitti und Margot sowieso zu bedauern.«

      »Gitti und Margot?«, warf Nick fragend ein und hoffte, dass die Frau weiterreden würde.

      Diese tat Nick den Gefallen. Es waren keine weiteren Kunden in dem kleinen Laden, und die Besitzerin fand es nett, mit Leuten von auswärts zu plaudern, die angenehme Zuhörer zu sein schienen.

      »Gitti war das Hausmädchen und Margot die Köchin«, erklärte die Ladenbesitzerin.

      »Dann hatte Frau Harlan also doch Personal?«

      »Ja, und sie hat die beiden genug schikaniert, Fräulein Beatrix ist immer sehr freundlich gewesen, aber Frau Harlan hat sich besonders gegen Gitti ausgesprochen gemein benommen. Von einem Tag auf den anderen hat sie das Mädchen entlassen. Angeblich war eine wertvolle Brosche verschwunden, aber wenn Sie mich fragen, war das nur ein Vorwand. Gitti hätte sich nie und nimmer an fremdem Eigentum vergriffen.


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