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Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.

Sophienlust Paket 4 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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Danner stand für eine Sekunde regungslos. Doch dann durchdachte er sofort die Situation und kam zu dem Ergebnis, dass sie gar nicht ungünstig war. Mark Möllendiek war ein reicher Mann gewesen, und es gab, außer Grit, keine näheren Verwandten. Erleichtert atmete er auf. Dann ging er zu dem jungen Mädchen und legte zärtlich die Arme um dessen zuckende Schultern.

      »Ich hatte schon Angst, es gäbe jemanden, der uns auseinanderbringen will. Entschuldige, Grit, dass ich so heftig war. Ich hatte Angst um unsere Liebe. Verstehst du das?« Schmeichelnd war die dunkle sympathische Männerstimme.

      »Mark war der einzige Mensch, den ich noch hatte«, schluchzte Grit. »Jetzt bin ich ganz allein.« Noch reichlicher flossen ihre Tränen. Sie zitterte am ganzen Körper.

      »Du hast doch mich, Darling. Du bist nicht allein, wirst es nie sein. Ich werde immer treu zu dir halten.« David strich über das wundervolle silberblonde Haar von Grit. »Nicht weinen, bitte, nicht weinen«, flüsterte er ihr ins Ohr.

      »Wie kann das Schicksal nur so grausam sein, eine junge Familie einfach auszulöschen? Begreifst du das?« Schutzsuchend schmiegte sich Grit an ihren Verlobten. Sie war froh, in diesen Minuten bei ihm zu sein. Seine Nähe, seine Wärme gaben ihr Trost.

      »Nein«, brummte er, obwohl ihm die Unglücksnachricht nicht sehr nahe ging. »Wie hast du denn das alles erfahren? Wer war der geheimnisvolle Anrufer?«

      »Die Polizei … aus Maibach«, gab Grit stockend Auskunft. »Man fand im Wagen meines Bruders den Brief, mit dem ich ihn zur Hochzeit eingeladen hatte. Außerdem ein Geschenk für mich, dem ebenfalls ein Brief beigegeben war. Daraus ging hervor, dass die Familie nach hier unterwegs war. Deshalb hat man mich benachrichtigt. Oh, David, jetzt wünschte ich, wir hätten Mark nicht eingeladen.« Grit weinte nun hemmungslos.

      »Mach dir keine Vorwürfe, Grit. Es war doch nur gut gemeint. Wer hätte ahnen sollen, dass bei dieser Fahrt alle deine Verwandten ums Leben kommen würden?« Dabei überlegte David bereits, wie hoch das Vermögen der Möllendieks gewesen sein mochte. Was würde der Verkauf der Fabrik erbringen?

      »Anja lebt«, seufzte das junge Mädchen. »Man hat sie in ein Kinderheim gebracht. Sophienlust heißt es. Du, wir müssen morgen gleich hin. Wir müssen uns um das Kind kümmern.« Mit Tränen in den Augen sah Grit David flehend an.

      David hatte Mühe, sich die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. »Wer ist Anja?«, erkundigte er sich, obwohl er es längst ahnte.

      »Die kleine Tochter meines Bruders. Sie ist fünf. Ein liebes kleines Mädchen. Sie tut mir schrecklich leid. Für sie ist es am allerschlimmsten.«

      »Ein fünfjähriges Mädchen«, murmelte David und rechnete nach, dass es noch dreizehn Jahre dauern würde, bis Anja volljährig sein würde. Eine lange Zeit. Eine Zeit, in der viel geschehen konnte.

      *

      Mit großen wachsamen Augen sahen sechzehn Kinder auf Denise von Schoen­ecker, die sich zu ihnen an den großen Frühstückstisch gesetzt hatte. Vergessen waren Butterhörnchen und Kaba. Selbst die kleine Heidi, die eben ein großes Stück eines knusprigen Brötchens in den Mund gesteckt hatte, hörte auf zu kauen.

      »Anja kann nicht sprechen?«, fragte Nick. Eine steile Falte erschien über seiner Nasenwurzel, wie immer, wenn er misstrauisch war.

      Heidi schluckte vor lauter Aufregung ihren Brocken ganz hinunter. »Ich habe es zuerst gemerkt«, berichtete sie aufgeregt. »Sie kann nicht Stupsi sagen!« Heidi war ordentlich stolz, diesmal mehr zu wissen als alle anderen Kinder.

      »Hat sie überhaupt noch nicht sprechen können?«, erkundigte sich Angelika Langenbach, die Schwester von Vicky. Die beiden Mädchen hatten ihre Eltern durch ein Lawinenunglück verloren und lebten seither in Sophienlust.

      »Doch, doch«, versicherte Denise von Schoenecker rasch. »Anja ist ein ganz normales Kind. Sie hat durch den Schock, den sie gestern erlitten hat, die Fähigkeit zu sprechen verloren.«

      »Gibt es denn so etwas?«, erkundigte sich Nick skeptisch.

      »Frau Dr. Frey, die Anja noch gestern eingehend untersucht hat, sagt, dass solche Fälle sehr selten sind.«

      »Bleibt Anja jetzt immer stumm?«, erkundigte sich Pünktchen voll Mitgefühl. Sie hieß eigentlich Angelina Dommin. Die kessen Sommersprossen auf ihrem Stupsnäschen hatten ihr den Spitznamen Pünktchen eingebracht. Auch für sie war Sophienlust zur zweiten Heimat geworden.

      »Das kann niemand genau sagen«, wich Denise aus. »Es ist möglich, dass sich die Sperre löst, sobald der Schock abklingt. Das kann in einigen Tagen sein, vielleicht auch erst in Wochen. Frau Dr. Frey meint, dass Anja möglicherweise eine Spezialbehandlung braucht. Zunächst aber soll sie hierbleiben. Es kommt also darauf an, dass wir alle sehr lieb zu ihr sind und sie durch nichts an das furchtbare Unglück erinnern. Sie muss es vergessen. Nur dann kann sie den Schock überwinden.«

      »Was ist das, ein Schock?«, erkundigte sich Peter, ein rothaariger kleiner Bursche mit pfiffigem Gesicht.

      »Das ist, wenn jemand einen schlimmen Schreck bekommt«, erklärte sein Tischnachbar Fabian.

      »Wenn ich so einen Unfall sehen würde, hätte ich auch einen Schock«, erklärte Peter.

      »Ich glaube, uns allen erginge es so«, meinte Denise von Schoenecker ernst. »Anja hat etwas Furchtbares erlebt, und wir alle müssen mithelfen, damit sie es bald wieder vergisst.«

      »Sie darf mein Taschenmesser haben«, rief Henrik, das Nesthäkchen der Familie von Schoenecker, spontan und fasste schon in die Tasche. Für Henrik war der Besitz eines Taschenmessers zurzeit das größte Glück auf Erden. Dass er diesen Schatz bereitwillig abtreten wollte, zeugte von seiner Gutmütigkeit.

      Lächelnd sah Denise auf ihren Jüngsten. Er war der lebendige Beweis ihrer glücklichen zweiten Ehe mit Alexander von Schoenecker. Ihr erster Mann war tödlich verunglückt, als Nick noch nicht einmal geboren war. Es war nicht allein der Schmerz um den Mann und Vater, es waren auch finanzielle Schwierigkeiten gewesen, die ihr das Leben damals schwer gemacht hatten. Dadurch war das Verständnis für das Leid anderer tief in ihr verwurzelt.

      »Sie darf mit Anglos spielen.« Auch Fabian wollte nicht zurückstehen. Er bot seine schwarze Dogge an, die bei den Kindern sehr beliebt war.

      »Ich …, ich schenke ihr meinen Ball«, verkündete Peter, obwohl er genau wusste, dass es ihm schwerfallen würde, sich von dem bunten Ball, den er zum Geburtstag bekommen hatte, zu trennen.

      Nun schwirrten die Vorschläge nur so durcheinander. Jedes Kind wollte dazu beitragen, Anja wieder froh zu machen. Als kein Wort mehr zu verstehen war, hob Denise ruhegebietend beide Hände und sagte: »Es ist schon sehr viel getan, wenn wir alle sehr freundlich zu Anja sind. Keiner sollte über sie lachen, wenn sie zu sprechen versucht und es doch nicht kann. Wollt ihr mir das versprechen?«

      »Ja, Tante Isi«, erscholl es im Chor, und Denise wusste, dass sie sich darauf verlassen konnte.

      Nick, der für gewöhnlich einen beachtlichen Appetit entwickelte, hatte an diesem Morgen keinen Hunger mehr. Er ließ sein Butterhörnchen liegen, nahm seine Schulmappe, drückte seiner Mutter einen flüchtigen Kuss auf die Wange und ging zu dem roten VW-Bus, der die Gymnasiasten zur Schule nach Maibach brachte. Die übrigen Kinder folgten seinem Beispiel. Erstaunlich rasch und leise wurde der Speisesaal an diesem Tag geräumt. Bald saßen nur noch die Kleinen vor den noch gefüllten Tassen.

      »Schläft Anja noch?«, erkundigte sich die kleine Heidi.

      »Nein. Sie hat Besuch von ihrer Tante.«

      »Darf ich später mit ihr spielen?« Heidi legte das Köpfchen schief und knabberte am Zeigefinger, denn gerade war ihr eingefallen, dass es gar nicht leicht sein würde, mit Anja zu spielen, weil diese sich ja nicht mit ihr unterhalten konnte.

      »Natürlich«, antwortete Denise. »Frau Dr. Frey meint, dass es am besten sei, wenn sich Anja ganz frei und ungezwungen bewegt. So wird sie am raschesten vergessen.«

      »Ich bin auch ganz, ganz lieb zu ihr«, versprach


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