Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
dieses Geldes sorglos leben können. Und jetzt?
»Warum hast du mich in dem Glauben gelassen, das Geld wäre gut angelegt?«
»War es doch auch. Immerhin besteht die Möglichkeit, dass ich es eines Tages zurückgewinne. Du musst nur etwas Geduld haben, Schätzchen.«
»Nenne mich nicht so«, wehrte sich Grit. Die Enttäuschung lag wie eine schwere Last auf ihren Schultern. Am liebsten wäre sie weggelaufen. Davids Nähe wurde ihr mit jeder Minute unerträglicher.
»Je eher ich hier herauskomme, umso rascher kann ich mein Glück auf der Spielbank versuchen. Es liegt auch an dir.«
»Ich habe keinerlei Einfluss darauf.«
»Da täuschst du dich. Wenn du die Kassette verschwinden lässt und sagst, dass ich gestern den ganzen Tag bei dir war …« David äugte vorsichtig zu dem Beamten hinüber. Eigentlich konnte dieser nichts verstanden haben, denn er hatte nur flüsternd gesprochen.
»Wir werden uns trennen«, sagte Grit, ohne auf Davids Vorschlag einzugehen.
»Aber ich liebe dich doch.«
Grit lächelte schmerzlich. »Du hast nur mein Geld geliebt, und du bist bei mir geblieben, weil du darauf spekuliert hast, noch mehr zu bekommen. Fast wäre es dir gelungen. Wenn Anja nicht gewesen wäre …«
»Welcher Mensch ist ohne Schwächen«, murmelte David theatralisch. »Du solltest nicht so nachtragend sein. Ich liebe dich wirklich. Was glaubst du, weshalb ich das alles getan habe?« Erschrocken hielt er inne. Hatte der Beamte gelauscht? Hatte er sich eben selbst verraten?
»Ich muss gehen. Tut mir leid, dass ich deine Wünsche nicht erfüllen kann. Es hätte ohnehin keinen Sinn, weil die Polizei nämlich längst von dem Rauschgift in der Kassette weiß.« Grit wandte sich zum Gehen.
»Schweinerei«, zischte David hinter ihr.
*
Anja hüpfte fröhlich und unbekümmert zwischen Grit und Hans Strasser über die Spazierwege in der Umgebung von Sophienlust. Leise trällerte sie ein Lied vor sich hin. Erstaunlich rasch hatte sie sich damit abgefunden, dass sie wieder sprechen konnte. Inzwischen gingen ihr die Worte flüssig und leicht von den Lippen. Kein Fremder hätte geahnt, dass das kleine Mädchen noch vor zwei Tagen so schwer behindert war.
»Gibt es etwas Neues aus dem Untersuchungsgefängnis?«, fragte Grit leise. Sie hatte kein Mitleid mit David Danner, doch die ganze Sache beschäftigte sie natürlich.
»Nichts Erfreuliches«, antwortete Hans Strasser bedrückt. Er hatte in Zusammenhang mit der Aufklärung des Pferdediebstahls in Schoeneich zu tun gehabt und dann in Sophienlust vorbeigeschaut, um Denise von Schoenecker Bescheid zu sagen. Dass er Grit und Anja im Park treffen würde, das hatte er nicht zu hoffen gewagt. Das kleine Mädchen war ihm sofort entgegengelaufen und hatte gebettelt: »Machst du einen Spaziergang mit uns, Onkel Hans?« Da er gerade dienstfrei hatte, hatte er gern eingewilligt.
»David Danner war der Chef einer Schmugglerbande, die vor einigen Monaten aufgeflogen ist. Man hatte damals alle Mitglieder geschnappt, nur den Boss nicht. Er war so gut getarnt, dass keinerlei Verdacht auf ihn gefallen war. In den letzten Wochen muss er versucht haben, seine Organisation neu aufzubauen. Aber das scheint nicht so richtig geklappt zu haben. Die Lieferanten in Schweden waren gewarnt und wollten nichts mehr mit ihm zu tun haben.«
»Deshalb kam er so oft nach Schweden. Dadurch haben wir uns kennengelernt«, bekannte Grit zerknirscht. »Ich wollte, ich hätte ihn nie getroffen.«
»Ich kann Sie gut verstehen, Frau Möllendiek.« Voll Bewunderung sah Hans auf das silberblonde Mädchen an seiner Seite. Noch war Grit blass, aber unverändert tiefblau leuchteten ihre schönen Augen. Sie trug einen hellen Rock, der wie eine duftige Wolke um ihre hübschen Beine pendelte. Die schmale Taille zierte ein breiter Ledergürtel. Die Bluse mit den zarten Spitzen und den verspielten Rüschen passte ausgezeichnet zu der schlanken Grit. Weich und glänzend fiel das wundervolle Haar auf ihre Schultern.
Hans hatte den fast unbezwingbaren Wunsch, dieses Haar einmal zu berühren, einmal darüber zu streicheln. Doch er fuhr fort: »David Danner sah gut aus, war ein Mann von Welt und bei den Damen sehr begehrt. Er hatte alles, was jungen Mädchen imponierte. Ein selbstbewusstes Auftreten, Geld in Hülle und Fülle und die Manieren eines Don Juan.« Hans biss sich auf die Lippen. Es war ihm bewusst, dass er mit all dem nicht dienen konnte. Er hatte nur sein kleines Gehalt und war kein Charmeur.
»Ich möchte gar nicht mehr daran denken«, antwortete Grit gequält. »Wie hoch wird seine Strafe sein?«, fragte sie leise.
»Das wird die Verhandlung ergeben. Allgemein wird mit einer harten Strafe gerechnet. Danners Haus und sein Wagen werden versteigert.«
»Und der Erlös?«, fragte Grit rasch.
»Reicht noch nicht einmal aus, um seine zahlreichen Gläubiger zu befriedigen.«
»Schulden hat er auch?«, fragte Grit überrascht.
»Mehr, als man sich vorstellen kann. Weder das Haus noch der Wagen waren bezahlt. Danner hat es offensichtlich verstanden, seine Gläubiger immer wieder hinzuhalten.« Hans seufzte. »Es sind leider keine guten Nachrichten, die ich Ihnen bringe, Frau Möllendiek. Es tut mir leid.«
»Aber Sie können ja nichts dafür.« Grit war richtig froh, mit Hans Strasser über alles sprechen zu können. Er war ein Mann, der für jede Situation Verständnis hatte, der tröstete, ohne aufdringlich zu werden. Er war ein Mann, zu dem man Vertrauen haben konnte.
»Was werden Sie jetzt tun?«, fragte Hans interessiert. Ein Lächeln spielte um seine Mundwinkel, als er Anja beobachtete, die jauchzend auf dem Weg voraushüpfte. Hier und dort pflückte sie ein Blümchen.
»Frau von Schoenecker hat mir angeboten, einige Tage in Sophienlust zu bleiben, weil ich eventuell noch einmal aussagen muss. Ich habe dieses Angebot dankbar angenommen. Schon Anja zuliebe. Es wird gut sein, wenn sie noch einige Tage bei ihren vielen kleinen Freunden bleiben darf.«
»Und danach?«, erkundigte sich Hans ängstlich.
»Es bleibt mir nichts anderes übrig, als nach Schweden zurückzukehren. Vielleicht kann ich dort halbtags in der Fabrik arbeiten, die meinen Eltern gehörte. In meiner Heimat werde ich auch eher jemanden finden, der bereit ist, währenddessen Anja zu betreuen. Eigentlich wäre ich recht gern hier geblieben. Denn ich liebe dieses Land.«
Das Herz von Hans Strasser klopfte laut und stürmisch. »Was Sie da sagen, ist für mich sehr schmerzlich. Denn es bedeutet, dass wir bald Abschied voneinander nehmen müssen. Das wird mir sehr schwerfallen.«
»Ich weiß«, antwortete Grit, ohne aufzusehen. »Sie haben Anja sehr gern.«
»Nicht nur Anja«, sagte er und wunderte sich, woher er den Mut zu diesem Geständnis nahm. »Ich liebe Sie, Grit. Ich möchte Ihnen so gern helfen, die schlimme Enttäuschung zu überwinden. Ich möchte, dass Sie wieder froh sind, dass Sie lachen und vergessen, was hinter Ihnen liegt. Ich möchte Sie glücklich machen. Das ist mein größter Wunsch.«
Hans Strasser wusste, dass es diesmal die große, die ganz große Liebe war. Sie entzündete sich nicht an Grits Schönheit, sondern an dem Menschen selbst, an seinem Charakter.
»Ich werde Sie ewig lieben, Grit«, raunte er. »Auch dann, wenn sich unsere Wege trennen sollten. Ich werde Sie lieben, auch wenn Sie krank werden sollten, auch wenn Sie eines Tages alt sein werden. Nicht die Zeit und keine äußeren Einflüsse werden dieses übermächtige Gefühl abschwächen können. Mir ist, als hätte ich endlich den Menschen gefunden, der mir vom Schicksal bestimmt ist. Den Menschen, dem ich freudig alles geben möchte, was in meiner Kraft steht.« Hans atmete schwer. »Ich weiß, dass ich kein Recht habe, Ihnen all das zu sagen. Ich bin nicht der Mann, der zu Ihnen passt. Ich bin nur ein kleiner Beamter, der nicht nach den Sternen greifen sollte. Außerdem kennen wir uns erst kurze Zeit. Ich hätte ja auch nicht davon angefangen, wenn ich nicht befürchten müsste, dass Sie bald abreisen, Grit.«
Das junge Mädchen blinzelte in die rotgoldenen Sonnenstrahlen,