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Die ersten Menschen im Mond. Herbert George WellsЧитать онлайн книгу.

Die ersten Menschen im Mond - Herbert George Wells


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      »Der Mond,« überlegte ich. »Aber was erwarten Sie? Ich dachte, der Mond ist eine tote Welt.«

      Er zuckte mit den Schultern.

      »Was erwarten Sie?«

      »Wir werden ja sehen.«

      » Werden wir?« sagte ich und starrte vor mich hin.

      »Sie sind müde,« sagte er. »Sie sollten heute nachmittag lieber spazieren gehen.«

      »Nein,« sagte ich hartnäckig; »ich will diese Mauerei fertig machen.«

      Und ich tat es und holte mir eine schlaflose Nacht.

      Ich glaube nicht, daß ich je eine solche Nacht gehabt habe. Ich habe vor meinem Geschäftszusammenbruch ein paar schlimme Zeiten durchgemacht, aber die schlimmste jener Nächte war süßer Schlummer im Vergleich mit dieser Unendlichkeit schmerzhafter Wachheit. Ich hatte plötzlich vor dem, was wir tun wollten, die ungeheuerlichste Angst.

      Ich entsinne mich nicht, daß ich vor jener Nacht überhaupt an die Gefahren gedacht hätte, die wir liefen. Jetzt kamen sie wie jener Aufzug von Gespenstern, die einst Prag belagerten, und legten sich um mich. Die Seltsamkeit dessen, was wir zu tun im Begriffe standen, das Unirdische überwältigten mich. Ich war wie ein Mann, der aus heiteren Träumen zur furchtbarsten Umgebung erwacht. Ich lag da, die Augen weit offen, und die Sphäre schien mit jedem Moment immer nichtiger und blasser, und Cavor immer unwirklicher und phantastischer, und das ganze Unternehmen immer toller und toller zu werden.

      Ich stieg aus dem Bett und wanderte umher. Ich setzte mich ans Fenster und starrte in die Unermeßlichkeit des Raums. Zwischen den Sternen lag die leere, die unergründliche Dunkelheit! Ich versuchte, mir die fragmentarische Kenntnis der Astronomie zurückzurufen, die ich mir durch mein unregelmäßiges Leben erworben hatte, aber sie war zu unbestimmt, um mir irgendeine Vorstellung der Dinge zu geben, die wir erwarten konnten. Schließlich ging ich wieder ins Bett und es gelang mir, ein paar Momente des Schlafs zu erfassen – vielmehr Momente des Albs – in denen ich auf ewig in den Abgrund des Himmels fiel und fiel und fiel.

      Ich erstaunte, Cavor beim Frühstück zu sehen. Ich sagte ihm kurz: »Ich komme nicht mit Ihnen in die Sphäre.«

      Ich setzte all seinen Protesten eine finstere Beharrlichkeit entgegen. »Die Sache ist zu toll,« sagte ich, »und ich will nicht mit. Die Sache ist zu toll.«

      Ich wollte nicht mit ihm ins Laboratorium gehen. Ich trieb mich eine Zeitlang in meinem Sommerhaus herum, nahm dann den Hut und den Stock und machte mich allein auf, wohin, wußte ich nicht. Es traf sich, daß es ein wundervoller Morgen war: ein warmer Wind und tiefer, blauer Himmel, das erste Grün des Frühlings draußen und Scharen von Vögeln, die sangen. Ich frühstückte in einem kleinen Gasthof bei Elham Roastbeef und Bier und erschreckte den Wirt, indem ich apropos des Wetters bemerkte: »Ein Mensch, der die Welt verläßt, wenn solche Tage herrschen, ist ein Narr!«

      »Ganz, was ich gesacht hab', a's ich's hörte!« sagte der Wirt, und ich erfuhr, daß sich wenigstens für eine arme Seele diese Welt als zu viel erwiesen hatte, und daß eine Kehle abgeschnitten worden war. Ich ging mit einer neuen Wendung in meinen Gedanken weiter.

      Nachmittags schlief ich an einer sonnigen Stelle einen angenehmen Schlaf und ging erfrischt meines Weges weiter.

      Ich kam zu einem behaglich aussehenden Gasthof bei Canterbury. Er leuchtete von Schlinggewächsen, und die Wirtin war eine saubere alte Frau, die mein Auge anzog. Ich fand, daß ich gerade Geld genug hatte, um für mein Zimmer bei ihr zu zahlen. Ich beschloß, die Nacht dort zu bleiben. Sie war eine geschwätzige Frau, und unter anderen Einzelheiten erfuhr ich, daß sie noch nie in London gewesen war. »Canterbury, weiter bin ich noch nich' gewesen,« sagte sie. »Ich bin keine von Ihren Rumstreichern.«

      »Wie würde Ihnen ein Ausflug zum Mond gefallen?« rief ich.

      Hab' nie 'was mit die Ballons in'n Sinn gehabt,« sagte sie, offenbar unter dem Eindruck, dies sei eine ziemlich gewöhnliche Reise. »Ich ging in keinen 'rauf – nich' für noch soviel.«

      Das schien mir ulkig. Als ich zu Nacht gegessen hatte, setzte ich mich auf eine Bank neben der Tür des Gasthofs und plauderte mit zwei Arbeitern über Ziegelstreichen und Motorwagen und über das letztjährige Kricket. Und am Himmel sank ein blasser junger Mond, blau und unbestimmt wie eine ferne Alp, westlich über der Sonne nieder.

      Am anderen Tage kehrte ich zu Cavor zurück. »Ich komme,« sagte ich. »Ich bin ein bißchen in Unordnung gewesen, weiter nichts.«

      Das war das einzige Mal, daß ich ernstlichen Zweifel gegen unser Unternehmen empfand. Nichts als die Nerven! Danach arbeitete ich ein wenig achtsamer und lief jeden Tag eine Stunde lang herum. Und zuletzt waren unsere Arbeiten, abgesehen von der Erhitzung im Schmelzofen, zu Ende.

      Nur weiter,« sagte Cavor, als ich auf dem Rande des Einsteigeloches saß und in das schwarze Innere der Sphäre niederblickte. Wir beiden waren allein. Es war Abend, die Sonne war untergegangen, und auf allem lag die Stille des Zwielichts.

      Ich zog auch das andere Bein hinein und glitt über das glatte Glas auf den Boden der Sphäre; dann wandte ich mich, um Cavor die Kannen mit den Nahrungsmitteln und die anderen Impedimenta abzunehmen. Das Innere war warm, das Thermometer stand auf achtzig Fahrenheit, und da wir wenig oder nichts davon durch Strahlung verlieren sollten, waren wir in Schuhe und dünnen Flanell gekleidet. Wir hatten jedoch ein Bündel mit dicken Wollenkleidern und mehrere dicke Decken bei uns, um uns vor Unfällen zu schützen. Nach Cavors Anweisung legte ich die Kisten, die Sauerstoffzylinder und so weiter lose um meine Füße, und bald hatten wir alles drinnen. Er ging eine Zeitlang auf der Suche nach irgend etwas, was wir übersehen hätten, im dachlosen Schuppen umher und kroch mir dann nach. Ich bemerkte etwas in seiner Hand.

      »Was haben Sie da?« fragte ich.

      »Haben Sie sich nichts zu lesen mitgebracht?«

      »Großer Gott! Nein.«

      »Ich vergaß, es Ihnen zu sagen. Manches ist ungewiß – die Reise dauert vielleicht – es kann Wochen dauern!«

      »Aber –«

      »Wir werden absolut ohne Beschäftigung in dieser Sphäre schwimmen.«

      »Ich wollte, ich hätte es gewußt – –«

      Er blickte zum Einsteigeloch hinaus. »Sehen Sie!« sagte er. »Da liegt was!«

      »Ist noch Zeit?«

      »Es dauert noch eine Stunde.«

      Ich blickte hinaus. Es war eine alte Nummer der Tit-Bits, die einer der Leute mitgebracht haben mußte. Weiter im Winkel sah ich ein zerrissenes Blatt der Lloyds News. Damit kletterte ich in die Sphäre zurück. »Was haben Sie sich mitgenommen?« fragte ich.

      Ich nahm ihm das Buch aus der Hand und las: »William Shakespeares Werke«.

      Er errötete leicht. »Meine Bildung ist so rein naturwissenschaftlich gewesen« – sagte er entschuldigend.

      »Ihn nie gelesen?«

      »Nie.«

      »Er hat einiges gewußt, wissen Sie – irreguläres Wissen.«

      »Genau, was ich gehört habe,« sagte Cavor.

      Ich half ihm, den Glasdeckel des Einsteigelochs einzuschrauben, und dann drückte er auf einen Knopf, um die entsprechende Jalousie in der äußeren Hülle zu schließen. Das kleine Zwielichtviereck verschwand. Wir waren im Dunkel.

      Eine Zeitlang sprach keiner von uns. Obgleich unsere Hülle für den Schall nicht undurchdringlich war, war doch alles sehr still. Ich sah, daß nichts da war, woran man sich festklammern konnte, wenn der Stoß unseres Aufbruchs käme, und mir wurde klar, daß mir der Mangel eines Stuhls Unbehagen bereiten würde.

      »Warum haben wir keine Stühle?« fragte ich.

      »An all das hab ich gedacht,« sagte Cavor. »Wir werden


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