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David Copperfield. Charles DickensЧитать онлайн книгу.

David Copperfield - Charles Dickens


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Bei je­der die­ser Fra­gen ver­setz­te er mir einen Hieb, dass ich mich wand und bald in Sa­lem­haus mün­dig ge­spro­chen war, wie Steer­forth es nann­te, und auch sehr bald in Trä­nen schwamm.

      Nicht etwa, dass die­se Be­hand­lung eine be­son­de­re Aus­zeich­nung be­deu­tet hät­te. Im Ge­gen­teil. Bei der großen Mehr­zahl der Kna­ben, be­son­ders bei den Klei­nen, mach­te sich Mr. Cre­akle auf die­sel­be Art be­merk­bar, wenn er die Run­de im Zim­mer mach­te.

      Die hal­be Klas­se wein­te und krümm­te sich vor Schmer­zen, ehe das Ta­ge­werk be­gann. Wie viel Un­glück­li­che noch dazu ka­men, be­vor die Stun­de zu Ende ging, ge­traue ich mich gar nicht an­zu­ge­ben, um nicht der Über­trei­bung be­schul­digt zu wer­den.

      Ich glau­be, es kann nie einen Men­schen ge­ge­ben ha­ben, den sein Be­ruf mehr freu­te, als Mr. Cre­akle. Sei­ne Won­ne, die Jun­gen schla­gen zu kön­nen, kam der Be­frie­di­gung na­gen­den Hun­gers gleich. Ich bin fest über­zeugt, da er sich paus­bä­cki­gen Jun­gen ge­gen­über nicht hal­ten konn­te, dass dar­in für ihn et­was von star­ker An­zie­hungs­kraft lag und ihm kei­ne Ruhe ließ, bis er nicht den Be­tref­fen­den für den Tag ge­zeich­net hat­te. Ich war selbst paus­bä­ckig und muss es wis­sen. Wenn ich jetzt an die­sen Men­schen den­ke, wallt mein Blut, und al­les em­pört mich umso mehr, weil ich jetzt weiß, dass er noch dazu ein un­fä­hi­ger Schuft war und kein grö­ße­res Recht auf den Ver­trau­ens­pos­ten, den er be­klei­de­te, hat­te, als auf den Pos­ten ei­nes ers­ten Ad­mi­rals oder ei­nes Feld­mar­schalls. Nur hät­te er dort wahr­schein­lich we­ni­ger Un­heil an­ge­rich­tet.

      Wie de­mü­tig wir elen­den klei­nen Ha­sen­fü­ße ge­gen ihn, die­sen er­bar­mungs­lo­sen Göt­zen, wa­ren! In wel­chem Licht er­scheint mir jetzt die­ser Sta­pel­lauf ins Le­ben an­ge­sichts sol­cher De­mut und Un­ter­tä­nig­keit vor ei­nem Mann von sol­chem Un­wert!

      Hier sit­ze ich wie­der auf der Bank und be­ob­ach­te sein Auge; – voll Un­ter­wür­fig­keit be­ob­ach­te ich ihn, wie er ein Re­chen­buch für ein an­de­res Op­fer li­niert, das mit dem Li­ne­al eben eins auf die Hand be­kom­men hat und die Schwie­le mit dem Ta­schen­tuch reibt. Ich hät­te vollauf zu tun. Ich be­ob­ach­te sein Auge je­doch nicht, weil ich mü­ßig bin, son­dern weil es mich un­na­tür­lich an­zieht, – mich mit dem schreck­li­chen Wunsch er­füllt, zu er­ra­ten, was er in der nächs­ten Mi­nu­te tun wird. Ob er wohl über mich her­fal­len wird oder über einen an­de­ren?

      Eine Rei­he klei­ner Jun­gen hin­ter mir be­ob­ach­tet ihn mit dem­sel­ben In­ter­es­se. Ich glau­be, er weiß es und ver­stellt sich nur. Er schnei­det furcht­ba­re Gri­mas­sen, wäh­rend er das Re­chen­buch li­niert. Und jetzt wirft er einen Sei­ten­blick auf uns, und wir alle las­sen den Blick auf die Bü­cher sin­ken und fan­gen an zu zit­tern. Ei­nen Au­gen­blick spä­ter star­ren wir ihn schon wie­der an. Ein Un­glück­li­cher, der sei­ne Auf­ga­be schlecht ge­macht hat, wird her­aus­ge­ru­fen. Er stam­melt Ent­schul­di­gun­gen und ver­spricht, es mor­gen bes­ser zu ma­chen. Mr. Cre­akle reißt einen Witz, ehe er ihn prü­gelt, und wir la­chen dar­über. Wir elen­den, klei­nen Hun­de la­chen dar­über, mit asch­fah­len Ge­sich­tern und Her­zen, die uns in die Ho­sen ge­fal­len sind.

      Hier sit­ze ich wie­der in der Bank an ei­nem schläf­ri­gen Som­mer­nach­mit­tag. Ein Sur­ren und Sum­men rings um mich her, als sei­en die Jun­gen lau­ter große Flie­gen. Ein dump­fer Druck las­tet nach dem lau­en, fet­ten Mit­ta­ges­sen auf mir, und mein Kopf ist so schwer wie Blei. Ich wür­de eine Welt dar­um ge­ben, wenn ich schla­fen dürf­te. Mein Auge ist auf Mr. Cre­akle ge­rich­tet, und ich blinz­le ihn an wie eine jun­ge Eule; der Schlaf über­wäl­tigt mich eine Mi­nu­te, er ver­schwimmt vor mei­nen Au­gen, wie er die Re­chen­hef­te li­niert –; lei­se schleicht er sich hin­ter mich, und ich er­wa­che mit ei­nem ro­ten Strie­men auf dem Rücken wie­der zu kla­rer Wahr­neh­mung.

      Dann bin ich auf dem Spiel­platz, wo mein Auge im­mer noch von ihm ge­bannt ist, ob­gleich ich ihn nicht se­hen kann. Das Fens­ter nicht weit von dem Orte, wo er zu Mit­tag isst, ver­tritt ihn, und ich be­ob­ach­te es im­mer an sei­ner Statt. Wenn sein Ge­sicht da­hin­ter er­scheint, nimmt das mei­ne einen fle­hent­li­chen und un­ter­wür­fi­gen Aus­druck an. Wenn er durch die Schei­ben her­un­ter­sieht, bricht auch der Ver­we­gens­te nur Steer­forth aus­ge­nom­men – mit­ten in ei­nem Ruf oder Schrei ab und wird nach­denk­lich. Ein­mal wirft Tradd­les, der größ­te Pech­vo­gel von der Welt, zu­fäl­lig das Fens­ter mit ei­nem Ball ein. Noch jetzt über­läuft es mich eis­kalt, wie ich es ge­sche­hen sehe, und be­grei­fe, dass der Ball Mr. Cre­akles ge­hei­lig­tes Haupt ge­trof­fen hat.

      Ar­mer Tradd­les! In sei­nem en­gen, him­melblau­en An­zug, der sei­ne Arme und Bei­ne wie Würs­te oder Tei­grol­len er­schei­nen ließ, war er der lus­tigs­te und zu­gleich un­glück­lichs­te un­ter den Schü­lern. Er wur­de im­mer mit dem spa­ni­schen Rohr ge­hau­en, ich glau­be, je­den Tag im gan­zen Se­mes­ter, mit Aus­nah­me ei­nes Mon­tags, wo er nur mit dem Li­ne­al ei­nes über bei­de Hän­de be­kam. Und im­mer stand er im Be­griff, des­halb an sei­nen On­kel zu schrei­ben, und im­mer un­ter­ließ er es wie­der. Wenn er den Kopf eine Wei­le auf das Pult ge­legt hat­te, wur­de er wie­der lus­tig, fing an zu la­chen und zeich­ne­te auf sei­ne Schie­fer­ta­fel Ge­rip­pe, ehe noch sei­ne Au­gen ganz tro­cken wa­ren. Ich konn­te mir lan­ge Zeit nicht er­klä­ren, wel­chen Trost Tradd­les im Zeich­nen die­ser Ge­rip­pe fin­den moch­te, und sah in ihm eine Art Ein­sied­ler, der sich durch sol­che Sym­bo­le der Sterb­lich­keit vor Au­gen hal­ten will, dass auch Prü­gel nicht ewig dau­ern kön­nen. Aber jetzt glau­be ich, er zeich­ne­te sie nur, weil sie so leicht wa­ren und er ih­nen kei­ne Ge­sich­ter zu ma­chen brauch­te.

      Tradd­les war sehr eh­ren­haft und be­trach­te­te es als eine hei­li­ge Pf­licht der Schü­ler, ein­an­der bei­zu­ste­hen. Er hat­te oft dar­un­ter zu lei­den und be­son­ders ein­mal, als Steer­forth wäh­rend des Got­tes­diens­tes ge­lacht hat­te, und der Kir­chen­die­ner glaub­te, es wäre Tradd­les ge­we­sen, und die­sen hin­aus­führ­te. Ich sehe ihn jetzt noch vor mir, wie er von dem Die­ner ge­packt hin­aus­ging, ver­ab­scheut von der gan­zen Ge­mein­de. Er ver­riet nie den ei­gent­li­chen Tä­ter, ob­gleich er den gan­zen nächs­ten Tag da­für bü­ßen muss­te und so lan­ge ein­ge­sperrt war, dass er einen gan­zen Kirch­hof voll Ge­rip­pen in sei­nem la­tei­ni­schen Wör­ter­buch mit her­aus­brach­te.

      Dann be­kam er aber auch sei­nen Lohn. Steer­forth näm­lich sag­te, in Tradd­les sei auch kei­ne Spur von ei­nem Mu­cker, und wir alle fühl­ten, dass das das höchs­te Lob be­deu­te­te, das es ge­ben konn­te. Ich für mei­nen Teil hät­te viel er­dul­den mö­gen, um sol­chen Lohn zu ver­die­nen, ob­gleich ich lan­ge nicht so tap­fer war wie Tradd­les und nicht an­nä­hernd so alt.

      Steer­forth Arm in Arm mit Miss Cre­akle in die Kir­che ge­hen zu se­hen, war für mich ein über­wäl­ti­gen­der An­blick. Ich konn­te Miss Cre­akle der klei­nen Emly hin­sicht­lich Schön­heit nicht an die Sei­te stel­len – ich lieb­te sie nicht – ich wag­te es nicht –, aber sie er­schi­en mir als eine jun­ge Dame von un­ge­wöhn­li­chen Rei­zen und von un­über­treff­li­cher Ele­ganz. Wenn Steer­forth in wei­ßen Ho­sen ihr den Son­nen­schirm trug, war ich stolz, ihn zu ken­nen, und glaub­te, dass sie nicht an­ders konn­te, als ihn von gan­zem Her­zen an­zu­be­ten. Mr. Sharp und Mr. Mell wa­ren wohl in mei­nen Au­gen alle bei­de sehr be­ach­tens­wer­te Per­sön­lich­kei­ten, aber ge­gen Steer­forth ver­bleich­ten sie wie Ster­ne ge­gen­über der Son­ne.

      Steer­forth


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