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Sherlock Holmes' Buch der Fälle. Arthur Conan DoyleЧитать онлайн книгу.

Sherlock Holmes' Buch der Fälle - Arthur Conan Doyle


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dick und dünn gegangen. Dann traf ihn eine Kugel aus einer Elefantenbüchse, im Gefecht bei Diamond Hill, hinter Pretoria. Ich bekam einen Brief aus dem Hospital in Kapstadt und einen aus Southampton. Seitdem kein Wort mehr – nicht ein einziges Wort, Mr. Holmes, seit über sechs Monaten, und er war doch mein bester Kumpel.

      Tja, als der Krieg vorüber war und wir alle zurückkehrten, habe ich seinem Vater geschrieben und mich erkundigt, wo Godfrey sich aufhält. Keine Antwort. Ich habe ein bißchen abgewartet und dann noch mal geschrieben. Diesmal bekam ich eine Antwort, kurz und schroff. Godfrey befinde sich auf einer Weltreise und werde kaum vor einem Jahr zurück sein. Das war alles.

      Mir hat das nicht genügt, Mr. Holmes. Die ganze Geschichte kam mir so verdammt unnatürlich vor. Er ist ein anständiger Kerl und würde einen Kumpel nicht einfach so fallenlassen. Das sähe ihm nicht ähnlich. Und ich wußte eben auch, daß er einmal eine Menge Geld erben wird, und außerdem, daß sein Vater und er nicht besonders gut miteinander auskämen. Der Alte sei manchmal ein Tyrann, und der junge Godfrey habe zu viel Temperament, um sich das gefallen zu lassen. Nein, mir hat das nicht genügt, und ich beschloß, der Sache auf den Grund zu gehen. Es ergab sich allerdings, daß ich – nach zweijähriger Abwesenheit – noch eine Menge Ordnung in meine eigenen Angelegenheiten bringen mußte, und deshalb konnte ich mich erst diese Woche wieder mit dem Fall Godfrey beschäftigen. Aber seitdem möchte ich alles übrige liegen lassen, bis die Sache endlich ausgestanden ist.«

      Mr. James M. Dodd schien zu der Sorte Mensch zu gehören, die man wohl besser zum Freund denn zum Feind hat. Seine blauen Augen blickten entschlossen, während er sprach, und seine kantigen Kiefer bissen fest aufeinander.

      »Und, was haben Sie unternommen?« fragte ich.

      »Mein erster Schritt war, zu ihm nach Hause zu gehen, nach Tuxbury Old Park bei Bedford, um einmal selbst das Gelände zu sondieren. Zu diesem Zweck habe ich mich schriftlich bei seiner Mutter angemeldet – von dem Bärbeißer von Vater hatte ich die Nase ziemlich voll – und machte einen sauberen Frontalangriff: Godfrey sei mein Stubengenosse, mir liege sehr viel daran, ihr von unseren gemeinsamen Erlebnissen zu erzählen, ich hielte mich gerade in der Gegend auf, ob sie etwas dagegen hätte, et cetera? Daraufhin bekam ich von ihr eine sehr liebenswürdige Antwort nebst einer Einladung, in ihrem Haus zu übernachten. Und das hat mich am Montag dorthin geführt.

      Tuxbury Old Hall liegt völlig abgeschieden – fünf Meilen ringsum nirgendwo ein Ort. Am Bahnhof war kein Wagen, und so mußte ich mit meinem Koffer zu Fuß losziehen; es war schon fast dunkel, als ich ankam. Das Haus ist groß und weitläufig und es steht in einem ansehnlichen Park. Ich würde sagen, es setzt sich aus allen möglichen Epochen und Stilarten zusammen; den Grundstock bildete wohl elisabethanisches Fachwerk27, und den Abschluß ein viktorianischer Säulengang. Innen war alles holzgetäfelt; an den Wänden hingen Teppiche und schon halb verblichene alte Gemälde – ein Haus der Schatten und Geheimnisse. Es gibt da einen Butler, den alten Ralph, der ungefähr so alt zu sein scheint wie das Haus, und seine Frau, die womöglich noch älter ist. Sie war Godfreys Amme gewesen, und ich habe ihn mit einer Zuneigung von ihr sprechen hören, die nur noch von der zu seiner Mutter übertroffen wurde; deshalb fühlte ich mich zu ihr hingezogen, trotzdem sie so komisch aussah. Auch die Mutter gefiel mir – eine sanfte kleine weiße Maus von einer Frau. Nur den Colonel konnte ich nicht leiden.

      Wir sind auch sofort ein bißchen aneinandergeraten, und ich wäre zurück zum Bahnhof gelaufen, wenn ich nicht das Gefühl gehabt hätte, daß ihm das gerade recht gewesen wäre. Man hat mich gleich in sein Arbeitszimmer geführt, und dort traf ich ihn an – einen riesigen Mann mit krummem Rücken, vergilbter Haut und einem zottigen grauen Bart; er saß hinter seinem Schreibtisch, auf dem alles kreuz und quer lag. Eine rotgeäderte Nase ragte wie ein Geierschnabel aus dem Gesicht, und unter buschigen Augenbrauen funkelten mich zwei grimmige graue Augen an. Ich konnte nun verstehen, warum Godfrey so selten von seinem Vater gesprochen hatte.

      ›Nun, Sir‹, schnarrte er. ›Ich würde ganz gern die wahren Gründe für diesen Besuch erfahren.‹

      Ich antwortete, daß ich die schon in meinem Brief an seine Frau dargelegt hätte.

      ›Ja, ja; Sie haben behauptet, daß Sie Godfrey in Afrika kennengelernt hätten. Als Beweis dafür haben wir natürlich nur Ihr Schreiben.‹

      ›Ich habe seine Briefe in der Tasche.‹

      ›Lassen Sie die doch freundlicherweise mal sehen.‹

      Er warf einen flüchtigen Blick auf die beiden, die ich ihm reichte; dann warf er sie mir wieder zu.

      ›Also, worum geht es?‹ fragte er.

      ›Ich mag Ihren Sohn Godfrey gern, Sir. Viele gemeinsame Erlebnisse und Erinnerungen verbinden uns. Ist es denn nicht natürlich, daß ich mich über sein plötzliches Schweigen wundere und wissen will, was aus ihm geworden ist?‹

      ›Ich entsinne mich recht deutlich, Sir, daß wir schon einmal miteinander korrespondierten und daß ich Ihnen bereits mitgeteilt habe, was aus ihm geworden ist. Er befindet sich auf einer Weltreise. Nach den Strapazen in Afrika war er in schlechter gesundheitlicher Verfassung, und sowohl seine Mutter als auch ich waren der Auffassung, daß völlige Ruhe und Ortswechsel erforderlich seien. Geben Sie freundlicherweise diese Erklärung auch an alle anderen Freunde weiter, die sich dafür womöglich interessieren.‹

      ›Gewiß‹, antwortete ich. ›Aber vielleicht hätten Sie noch die Güte, mir den Namen seines Dampfers und der Schiffahrtslinie nebst Abfahrtszeit anzugeben. Ich habe keinen Zweifel, daß ich dann in der Lage wäre, mit einem Brief an ihn durchzukommen.‹

      Meine Bitte schien meinen Gastgeber ebenso zu verwirren wie zu ärgern. Seine großen Brauen senkten sich über die Augen, und er trommelte ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch. Schließlich blickte er auf mit der Miene eines Schachspielers, der einen gefährlichen Zug seines Gegners bemerkt und sich entschieden hat, wie er ihn erwidern kann.

      ›Manch einer, Mr. Dodd‹, sagte er, ›würde wohl Anstoß nehmen an Ihrer verteufelten Hartnäckigkeit und wäre der Meinung, dieser Starrsinn sei nichts anderes als eine verdammte Unverschämtheit.‹

      ›Das müssen Sie als Ausdruck meiner echten Zuneigung für Ihren Sohn sehen, Sir.‹

      ›Schon recht. Das habe ich Ihnen auch in hohem Maße zugute gehalten. Dennoch muß ich Sie bitten, diese Nachforschungen einzustellen. Jede Familie hat ihre ureigensten Erfahrungen und Beweggründe, die man einem Außenstehenden nicht immer erklären kann, so gut seine Absichten auch sein mögen. Meiner Frau liegt viel daran, etwas über Godfreys Vergangenheit zu erfahren; Sie können ihr gern davon erzählen, aber ich möchte Sie bitten, Gegenwart und Zukunft aus dem Spiel zu lassen. Solche Nachforschungen dienen keinem nützlichen Zweck, Sir; sie bringen uns nur in eine peinliche und schwierige Lage.‹

      Damit war ich also in eine Sackgasse geraten, Mr. Holmes. Es gab kein Weiterkommen. Ich konnte nur so tun, als ob ich mich mit der Situation abfände, und innerlich ein Gelübde ablegen, daß ich erst ruhen würde, wenn sich das Schicksal meines Freundes aufgeklärt hätte. Es war ein trübseliger Abend. Wir speisten ruhig zu dritt, in einem düsteren, verblichenen alten Zimmer. Die Lady fragte mich eifrig über ihren Sohn aus, aber der Alte schien mürrisch und niedergedrückt. Die ganze Prozedur hat mich derartig gelangweilt, daß ich mich, so rasch wie mir schicklicherweise möglich war, entschuldigte und mich auf mein Zimmer zurückzog. Es war ein großer, kahler Raum im Erdgeschoß, so düster wie der Rest des Hauses, aber wenn man ein Jahr lang in der südafrikanischen Steppe geschlafen hat, Mr. Holmes, ist man nicht allzu wählerisch mit seinem Quartier. Ich zog die Vorhänge auseinander, schaute hinaus in den Garten und stellte fest, daß es eine schöne Nacht mit einem hell scheinenden Halbmond war. Dann setzte ich mich ans prasselnde Kaminfeuer, stellte die Lampe neben mich auf einen Tisch und versuchte, mich mit einem Roman abzulenken. Ich wurde allerdings gestört von Ralph, dem alten Butler, der mit frischem Nachschub an Kohlen hereinkam.

      ›Ich dachte, die könnten Ihnen über Nacht vielleicht ausgehen, Sir. Wir haben rauhes Wetter, und diese Räume sind kalt.‹

      Er zögerte etwas, bevor er wieder hinausging, und als ich mich umschaute, stand er da und


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