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Die Piraten des indischen Meeres. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Die Piraten des indischen Meeres - Karl May


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eigentümlicher, eintöniger Gesang vernehmen. Er erklang auf einem ungewöhnlich großen chinesischen Schiff, dessen Gangspill von fünf Männern gedreht wurde, um den großen Anker aufzuziehen. Sie ließen dabei nach dem Takt ihrer Schritte den gebräuchlichen Gesang ,tien omma omma tien woosing‘ hören.

      Raffley schob sich den Klemmer näher an die Augen und betrachtete das Fahrzeug mit aufmerksamem Blick.

      „Charley!“, sagte er.

      „Sir John!“

      „Wollen wir wetten?“

      „Wetten? Worüber?“

      „Dass der Kapitän dieser Dschunke entweder den Verstand verloren hat oder unter einer zweideutigen Flagge segelt.“

      „Warum glaubt Ihr das?“

      „Well, Ihr seid kein Seemann und habt infolgedessen kein Auge für solche Dinge. Habt Ihr jemals eine Dschunke mit drei Masten gesehen?“

      „Nein.“

      „Und von einem so wunderbaren Tau- und Segelwerk?“

      „Was ist so Wunderbares dran?“

      „Die Vereinigung des chinesischen mit dem amerikanischen Bau und die Verhältnisse der Mastenhöhen. Wie kommt es, dass der Besan höher ist als der Haupt- und der Fockmast? Und was soll das lange Spriet mit einer Doppelpardune?“

      „Allerdings auffällig! Aus der Pardune lässt sich schließen, dass das Fahrzeug Pflugsegel trägt, um den Wind scharf zu schneiden, und mir scheint, die Masten haben die erwähnte Höhe erhalten, weil das nach hinten aufsteigende und voller werdende Segelwerk auf eine Vergrößerung der Schnelligkeit berechnet ist, wozu allerdings der tonnenförmige Bau des Rumpfs nicht passt.“

      „Charley, ich habe Euch für einen Laien gehalten, aber Ihr habt wirklich einen guten Blick für Dinge, die dem Auge der Landratte sonst zu entgehen pflegen. Diese Dschunke ist eine ungeschickte Nachahmung amerikanischer Klipperschiffe, und ich möchte mich ihr bei einer Bö um keinen Preis der Erde anvertrauen.“

      „Diese auffällige Ausrüstung muss einen Zweck haben, den ich nicht verstehe.“

      „Natürlich! Rechnet nun einmal dazu, dass dieses Fahrzeug jetzt, wo die Flut noch nicht umgesprungen ist, die Anker lichtet, um in See zu stechen! Der Kapitän muss andere als seemännische Gründe haben, das zu tun. Ich setze hundert Sovereigns, dass es entweder in seinem Kopf oder zwischen seinen Planken etwas Unsauberes gibt. Ihr haltet doch die Wette?“

      „Ich wette nie.“

      „So setzt wenigstens zehn Pfund gegen meine hundert!“

      „Auch das nicht, Sir.“

      „Wirklich nicht? For shame, Charley, schämt Euch! Es ist ein Unglück, dass Ihr so ein netter Kerl seid und Euch doch niemals verstehen wollt, einen Einsatz anzunehmen. Ihr werdet es in Eurem ganzen Leben nicht dazu bringen, ein wahrhaftiger Gentleman zu sein, und da mich das bedeutend ärgert, so werde ich Euch schon einmal zu zwingen wissen, eine Wette zu halten. Seht Ihr den spanischen Dampfer? Will auch der in See gehen?“

      „Wohl nicht. Er wird den Chinesen ins Schlepptau nehmen sollen, um ihn gegen die Flut aus dem Hafen zu bringen.“

      „All right! Er legt sich vor und der Chinese zeigt seinen Stern. Könnt Ihr sehen, welchen Namen er führt?“

      „Nein.“

      „Dann muss ich meine Chair-and-umbrella-pipe zu Hilfe nehmen.“

      Er fasste den Schirm, stellte die Gläser und blickte nach der Dschunke hinüber.

      „Haiang-dze. Der Kuckuck hol die albernen Namen, die diese Zopfmänner führen! Kommt, Charley! Da Ihr einmal nicht wetten wollt, so geht uns das Schiff auch nichts mehr an.“

      Wir schritten der Stadt zu und schlugen die Richtung nach dem Hotel Madras ein. Dort begaben wir uns in das luftige Gemach des Engländers, um Kaladi hier zu erwarten.

      Die festgesetzte Frist verstrich, ohne dass er erschien.

      „Charley!“

      „Was?“

      „Wollen wir wetten?“

      „Nein.“

      „So hört doch erst, was ich meine! Ich behaupte nämlich, dass dem armen Teufel etwas Widerliches zugestoßen ist, und setze auf diese Meinung fünfzig Pfund. Ihr seid natürlich anderer Ansicht und werdet also diesmal meine Wette annehmen!“

      „Leider kann ich das nicht tun, weil ich dieselbe Ansicht hege wie Ihr, Sir John. Wäre alles in Ordnung, so müsste er ja längst erschienen sein.“

      „Well! Ihr seid einmal, was das Wetten betrifft, ein unverbesserlicher Stockfisch. Ein wahrer Gentleman würde auf meinen Vorschlag eingehen, selbst wenn seine Ansicht mit der meinigen übereinstimmte. Ich warte noch fünf Minuten. Kommt er auch während dieser Zeit nicht, so brechen wir auf und – – hush, was geht da draußen vor?“

      Auf der Straße, wo jetzt die Dunkelheit des hereinbrechenden Abends mit dem Schein der zahlreichen in den offenen Veranden aufgehängten Lampen stritt, ließ sich ein ungewöhnlicher Lärm vernehmen. Laute, durchdringende Rufe ertönten und der Sturmschritt einer schnell dahineilenden Menge erscholl.

      Wir traten hinaus vor den Eingang. Die Hauptmasse war bereits vorüber, doch kamen wir immerhin noch zeitig genug, um einen windschnell dahinschießenden Menschen zu erkennen, der in ebensolcher Hast verfolgt wurde.

      Raffley hatte in der Eile den Klemmer von der Nase verloren. Er hing ihm an der schwarzseidenen Schnur über die Weste herab.

      „Charley!“

      „Sir John!“

      „Wisst Ihr, wer der Mann war?“

      „Nein.“

      „Kaladi!“

      „Ah!“

      „Ja, er war es sicher. Man hat ihn erkannt und wieder festnehmen wollen.“

      „Er kann es nicht gewesen sein.“

      „Warum nicht?“

      „Weil er sicher bei uns Zuflucht gesucht hätte.“

      „Pshaw! Der gute Kerl hat uns nicht mit seinen Verfolgern belästigen wollen.“

      „Das hieße die Zartheit zu weit treiben, da Ihr Euch seiner einmal angenommen habt. Er weiß ja, dass sein Leben auf dem Spiel steht.“

      „Sein Leben? Wo denkt Ihr hin? Lasst Euch doch nichts weismachen, Charley! Kaladi ist nicht nur der beste Schwimmer, sondern auch der ausdauerndste Läufer, den ich kenne. Er wird sich nicht fassen lassen. Dennoch aber bedarf er meiner Hilfe und ich werde deshalb jetzt zum Mudellier gehen. Ihr begleitet mich doch?“

      „Das versteht sich.“

      Wir kehrten ins Zimmer zurück, um unsere Hüte und Sir Johns Chair-and-umbrella-pipe zu holen, hatten aber diese Gegenstände noch nicht ergriffen, als sich hinter uns die Tür öffnete, um Kaladi einzulassen, der mit fliegendem Atem und rinnendem Schweiß ins Zimmer trat.

      „Verzeiht, Sahib“, keuchte er, „dass ich nicht eher gekommen bin.“

      „Du bist bemerkt worden?“

      „Ja, Sahib. Ich musste, um zu Euch zu gelangen, durch die Straßen der Stadt, durch die man mich vorhin geführt hatte. Man erkannte mich daher und wollte mich fangen.“

      „Well, mein Junge. Aber man hat dich nicht erwischt.“

      „Nein. Ich sprang bis ans Wasser und bog dann hinter der Stadt herum, um durch den Garten ins Hotel zu kommen. Sie haben mich aus dem Auge verloren und werden mich hier nicht finden.“

      „All right! Setz dich nieder, dass du wieder zu Atem kommst! Seht Ihr’s, Charley, dass ich Recht hatte? Sie haben ihn nicht eingeholt. Er ist ein tüchtiger Kerl, gewandt und mutig, was man von


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