Praxis Dr. Norden Box 4 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
nach unten. »Das ist nicht euer Ernst, oder?« Sie drehte sich um und deutete aus dem Fenster. »Mein Büro liegt in dieser Richtung. Ich kann nicht arbeiten, wenn es zu laut ist.«
»Dann hoffen wir mal, dass Fynn bei deinem Anblick nicht erschrickt«, platzte Tatjana heraus.
Evelyn schnaubte sehr undamenhaft. Sie machte auf dem Absatz kehrt und stöckelte aus dem Zimmer. Ihr Schmuck klimperte und klirrte im Takt ihrer Schritte. Wenig später fiel die Haustür ins Schloss. Tatjana konnte sich ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen. Obwohl sie ganz genau wusste, dass das erst der Anfang gewesen war.
*
»Du hattest Glück im Unglück.« Dr. Danny Norden zog ein Papiertuch aus dem Spender und wischte das durchsichtige Gel von Maltes Knie. Ein zweites Tuch diente zur Reinigung des Schallkopfes. Mit Hilfe des Ultraschalls konnte Danny Norden Weichteile wie Schleimbeutel, Sehnen und Muskulatur sichtbar machen. »Die Hautwunde ist nur oberflächlich und dein Knie lediglich geprellt.« Er nickte hinüber zu Janine.
Die verstand die stumme Aufforderung und verließ das Zimmer, um eine Kühlkompresse zu holen. PECH hieß die Behandlung der Wahl. Pause, Eis, Compression, Hochlagern. All diese Maßnahmen waren nötig, um den Schaden der Verletzung so gering wie möglich zu halten.
Malte versuchte, sich aufzusetzen. Das Vorhaben misslang.
»Warum tut das dann so weh?«, keuchte er und sank auf die Liege zurück.
Danny nahm den Ausdruck aus dem Fach und zeigte ihn dem jungen Mann. Mehr als ein Gewimmel aus allen erdenklichen Grauschattierungen konnte Malte nicht erkennen. Danny Norden sah ihm die Ratlosigkeit an.
»Das liegt daran, dass bei dem Sturz das weiche Gewebe unter der Haut gegen die harte Kniescheibe gedrückt wurde. Diese Prellung verursacht Risse von mittelgroßen und kleinen Blut- und Lymphgefäßen.« Mit dem Zeigefinger umkreiste er die entsprechenden Stellen auf dem Ultraschallbild. »Das Blut fließt durch die Gefäßrisse in die vorhandenen Zwischenräume, es bilden sich ein Bluterguss und eine Schwellung.«
»Und wie lange dauert der Spaß?«
Janine kehrte mit dem Kühlkissen zurück. Danny dankte ihr mit einem Lächeln.
»In ungefähr sechs Wochen bist du wieder einsatzfähig.«
»Sechs Wochen?« Malte sog die Luft durch die Lippen. »Das kriegt mein Dad bestimmt schneller hin.«
»Nichts für ungut. Aber zaubern kann dein Vater auch nicht«, gab Dr. Norden zu bedenken. Ganz im Gegenteil schien Arndt Stein bei seinem Sohn beide Augen zuzudrücken. Wie sonst ließ sich erklären, dass der Teenager so erschreckend mager war? Er saß vor der Behandlungsliege und betrachtete seinen Patienten nachdenklich. »Sag mal, kann es sein, dass nicht die Musik Schuld war an dem Sturz?«
Malte legte den Kopf schief.
»Wie meinen Sie das?«
»Ist dir vorhin schwindlig geworden? Oder kurz schwarz vor Augen?«
Die Miene des Jungen verschloss sich. Er drehte den Kopf weg.
»Nein. Wieso?«
Sollte Danny Norden seine Gedanken laut aussprechen? Doch das konnte bedeuten, dass er das Vertrauen des jungen Mannes komplett verspielte.
Janine verstand die Not ihres Chefs. Sie selbst war erschrocken, als unter dem Hosenstoff das Storchenbein zum Vorschein gekommen war.
»Dein Blutdruck ist ungewöhnlich niedrig. Deshalb nehme ich dir ein bisschen Blut ab«, eilte sie Dr. Norden zu Hilfe. »Wie sieht es denn mit deinem Appetit aus?« Sie legte den Stauschlauch um den Arm.
»Ach, das meinen Sie.« Malte lachte. Es klang nicht echt. »Ich kann richtig reinhauen. Auch wenn man mir das nicht ansieht.«
»Das tut man wirklich nicht.« Jenny desinfizierte die Stelle in der Armbeuge. »Achtung, jetzt piekst es ein bisschen.«
Malte zuckte noch nicht einmal zusammen, als sie die Nadel unter der Haut versenkte.
»Da lasse ich mir lieber zehn Mal Blut abzapfen, als mir ein Mal das Knie zu prellen.«
Janine lächelte.
»Das kann man sich leider nicht aussuchen.« Röhrchen um Röhrchen füllte sich mit Blut. »Soll ich deinen Vater informieren?«
»Der hat jetzt Sprechstunde. Aber wenn es Ihnen nichts ausmacht, müsste ich dringend mal telefonieren.«
Janine verstand den Wink mit dem Zaunpfahl.
»Wir sind schon weg«, erwiderte sie.
Ein paar Minuten später machte sie ihr Versprechen wahr und verließ gemeinsam mit Danny Norden das Zimmer.
*
»Na bitte! Ich habe dir doch gesagt, dass Malte dich nicht absichtlich versetzt hat.« Nele Kiesbauer hatte es sich auf ihrem Lieblingsstuhl im Café ›Schöne Aussichten‹ bequem gemacht. Ihre Freundin Antonie legte das Mobiltelefon zurück auf den Nierentisch. »Was ist denn überhaupt passiert?«
»Er ist mit dem Hoverboard gestürzt.« Falten kräuselten Antonies Stirn. »Zum Glück hat er einen Arzt über den Haufen gefahren. Der hat ihn gleich mit in die Praxis genommen.«
Nele beugte sich vor und angelte ihre Schokomilch vom Tisch.
»Dann können wir ja zusammen ins Jugendzentrum gehen. Ich will unbedingt die Band sehen, die dort auftritt.«
»Das kann ich nicht machen. Ich habe Malte versprochen, mit ihm dort hinzugehen.«
»Aber wenn er nicht laufen kann …«
Antonie zuckte mit den Schultern und schob die Gabel in den Mund. Schokoladenkuchen mit Kirschen. Bittersüß wie die Liebe.
»Dann muss ich eben darauf verzichten«, erklärte sie schließlich.
Nele nahm ihre Freundin ins Visier.
»Seid ihr jetzt eigentlich zusammen?«
Antonie beugte sich vor. Die Haare fielen ihr ins Gesicht.
»Keine Ahnung.«
»Wer weiß es denn, wenn nicht du?«
»Malte vielleicht?« Antonie zuckte mit den Schultern. Versonnen lächelte sie den Kuchen an. »Ich finde ihn einfach nett.«
»Nur nett?«
»Ja. Nein. Ach, was weiß ich.« Antonie beschloss, die Herausforderung anzunehmen. Sie warf das Haar in den Nacken und sah ihre Freundin offen an. »Er ist irgendwie anders als die anderen Jungs. Er redet nicht die ganze Zeit nur über sich selbst und prahlt mit seinen Heldentaten. Wir können uns richtig gut unterhalten. Er stellt mir Fragen und interessiert sich für mich. Und er bringt mich zum Lachen.« Je mehr sie ins Schwärmen geriet, umso strahlender wurde das Leuchten in ihren Augen. »Außerdem mögen wir die gleiche Musik und schauen die gleichen Serien.«
»Klingt ja nach einem echten Traummann.« Nele erschrak selbst über ihren Ton.
Antonia zuckte zusammen.
»Du bist doch nur neidisch, weil Lars dich wegen Anna sitzen gelassen hat.«
Die Spitze saß. Nele biss sich auf die Unterlippe. Sie zwirbelte eine Strähne zwischen den Fingern und schickte ihrer Freundin einen entschuldigenden Blick.
»Tut mir leid. War nicht so gemeint«, murmelte sie. »Ich will nur nicht, dass unsere Freundschaft wegen einem Kerl kaputtgeht.«
Antonie überlegte kurz. Dann gab sie sich einen Ruck. Streckte die Hand über den niedrigen Nierentisch.
»Das wird nicht passieren. Nicht wegen Malte.«
»Das würde ich auch gar nicht zulassen.«
*
»Guten Tag, die Damen!«, grüßte Arndt Stein die beiden Assistentinnen der Praxis Dr. Norden. Gleichzeitig sah er sich im Praxisflur um. »Wo ist Malte?«
»Ich