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Die tanzenden Männchen. Arthur Conan DoyleЧитать онлайн книгу.

Die tanzenden Männchen - Arthur Conan Doyle


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niemand aus dem Haus entwischt sein konnte. Holmes antworteten sie, daß ihnen, sobald sie aus ihren Zimmern auf den Flur gestürzt seien, augenblicklich ein starker Pulvergeruch aufgefallen sei. »Auf diesen Punkt mache ich Sie ganz besonders aufmerksam,« sagte Holmes zu seinem Berufsgenossen Martin. »Und nun können wir uns, glaube ich, an die Untersuchung des Zimmers begeben.«

      Das Arbeitszimmer des Herrn Cubitt war nicht allzu groß; an drei Wänden standen Bücherregale, an einem gewöhnlichen Fenster stand ein Schreibtisch. Von hier aus konnte man den Hof und den Garten überschauen. Unsere erste Aufmerksamkeit galt der Leiche des unglücklichen Besitzers, dessen kolossaler Körper ausgestreckt am Boden lag. Daraus, daß seine Kleidung nicht ganz geordnet war, konnte man entnehmen, daß er Eile gehabt hatte. Die Kugel war von vorne gekommen, und, nachdem sie das Herz durchbohrt hatte, im Körper stecken geblieben. Der Tod mußte augenblicklich und schmerzlos eingetreten sein. Weder sein Schlafrock, noch seine Hände zeigten irgendwelche Pulverspuren. Nach Aussage des Arztes waren dagegen im Gesicht der Frau solche Flecken wahrnehmbar, aber an ihren Händen auch nicht.

      »Das Fehlen dieser Flecken beweist nichts, wenn auch ihr Vorhandensein sehr vielsagend ist,« bemerkte Holmes. »Wenn man nicht gerade schlechte Patronen hat, bei denen der Boden reißt und das Pulver rückwärts fliegt, kann man eine Menge Schüsse abfeuern, ohne Pulverspuren an die Hand zu bekommen. Ich glaube, wir können Herrn Cubitts Leiche nun wegtragen lassen. Die Kugel, welche die Frau getroffen hat, haben Sie wohl nicht gefunden. Herr Doktor?«

      »Dazu ist eine schwierige Operation nötig. Aber im Revolver stecken noch vier Kugeln. Zwei Schüsse sind abgegeben, und zwei Verwundungen sind zu konstatieren; es muß also jede Kugel getroffen haben.«

      »So könnte es scheinen,« sagte Holmes. »Aber welche Kugel hat denn den Fensterrahmen durchschlagen?«

      Er drehte sich rasch um und zeigte mit seinem langen dünnen Finger auf ein Loch im unteren Fensterrahmen, ungefähr einen Zoll über dem Fensterbrett.

      »Weiß Gott!« rief der Inspektor. »Wie haben Sie das nur sehen können?«

      »Weil ich danach gesucht habe.«

      »Wunderbar!« sagte der Arzt. »Sie haben sicher recht. Dann muß ein dritter Schuß gefallen und auch eine dritte Person zugegen gewesen sein. Aber wer mag dies gewesen und wie mag sie hinausgekommen sein?«

      »Diese Frage müssen wir nun zu beantworten suchen,« sagte Holmes. »Sie erinnern sich noch, Herr Martin, daß ich Ihnen den Umstand, daß die beiden Mädchen beim Verlassen ihrer Kammern sofort Pulvergeruch wahrgenommen haben, als außerordentlich wichtig bezeichnete?«

      »Jawohl; aber ich muß offen gestehen, daß ich Ihnen nicht ganz zu folgen vermochte.«

      »Im Augenblick, als die Schüsse fielen, hat wahrscheinlich sowohl die Tür wie das Fenster offengestanden. Wenn es nicht gezogen hätte, würde sich der Pulvergeruch nicht so schnell durch das ganze Haus verbreitet haben. Aber Tür und Fenster sind bald wieder zugemacht worden.«

      »Woraus schließen Sie das?«

      »Daraus, daß das Licht nicht ausgeblasen worden ist.«

      »Großartig!« rief der Inspektor, »großartig!«

      »Ich hatte die feste Ueberzeugung, daß das Fenster, während das Unheil passiert ist, offen war. Daraus schloß ich weiter, daß eine dritte Person ihre Hand im Spiel gehabt habe. Diese mußte draußen gestanden und geschossen haben. Ein Schuß hinwieder auf diese Person konnte leicht den Fensterrahmen getroffen haben. Ich sah nach und fand denn auch das Loch.«

      »Aber wer soll das Fenster zugemacht und von innen verriegelt haben?«

      »Das hat sicher gleich die Frau getan. Aber, hallo! was seh' ich hier?«

      Auf dem Schreibtisch lag das Handtäschchen einer Dame, ein niedliches kleines Täschchen aus Krokodilleder und mit Silber beschlagen. Holmes öffnete es und stülpte es um. Was kam zum Vorschein? – Ein Bündel von zwanzig Fünfzigpfundscheinen der Bank von England, die mit einem roten Bändchen zusammengebunden waren – weiter nichts.

      »Das muß aufgehoben werden, denn es wird in der Verhandlung eine Rolle spielen,« sagte Holmes und händigte das Täschchen nebst Inhalt dem Polizeiinspektor ein. »Wir müssen uns zunächst nun mit dieser dritten Kugel etwas eingehender beschäftigen. Wie sich an den Splittern im Holz erkennen läßt, ist sie vom Zimmer aus gekommen. Ich möchte die Köchin gerne noch etwas fragen. – Sie sagten vorhin, Fräulein King, daß Sie durch einen lauten Knall geweckt worden seien. Wollten Sie mit diesem Beiwort sagen, daß Ihnen der erste Schuß lauter vorgekommen ist als der zweite?«

      »Nun, ich erwachte gerade aus dem Schlaf, und kann daher nicht allzu genau urteilen, mein Herr; er erschien mir allerdings sehr laut.«

      »Glauben Sie nicht, daß vielleicht im selben Moment zwei Schüsse gefallen sind?«

      »Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, Herr.«

      »Ich glaube das ganz sicher. Im übrigen, Herr Martin, bin ich der Meinung, daß wir hier in diesem Zimmer nichts mehr zu suchen haben. Wir wollen nun lieber einen Rundgang durch den Garten machen und sehen, was wir dort für neues Beweismaterial finden.«

      Vor dem Fenster von Herrn Cubitts Arbeitszimmer war ein Blumenbeet. Als wir in dessen Nähe kamen, sahen wir zu unserer größten Ueberraschung, daß die Blumen zusammengetreten waren. Der weiche Erdboden zeigte noch deutlich zahlreiche Spuren von großen Mannsfüßen mit auffallend langen, spitzen Schuhen. Holmes spürte wie ein Jagdhund, der ein verwundetes Stück Wild sucht, in dem Gras und den Blättern herum. Plötzlich stieß er einen Ruf der Befriedigung aus, bückte sich und hob eine kleine Metallhülse auf.

      »Das dachte ich mir gleich,« sagte er, »der Revolver hat einen Auswerfer gehabt, das ist also die dritte Patrone. Ich glaube wahrhaftig, Herr Martin, unsere Untersuchung ist schon ziemlich beendigt.«

      Der Inspektor war über die raschen Fortschritte, die seines Kollegen Nachforschungen machten, ganz erstaunt. Er war verwundert über die meisterhafte Leitung und folgte ihr, ohne selbst einzugreifen.

      »Wen haben Sie in Verdacht?« fragte er.

      »Darauf werde ich erst später eingehen, ich muß Ihnen dann überhaupt noch verschiedenes erklären. Nachdem ich nun soweit gediehen bin, muß ich vorläufig diesen Weg weiter verfolgen und Ihnen dann die ganze Sache auf einmal und im Zusammenhang auseinandersetzen.«

      »Ganz wie Sie meinen, Herr Holmes. Wenn wir nur unseren Mann bekommen.«

      »Ich bin sonst kein Freund von Geheimtuerei, aber jetzt in dem Augenblick, wo wir handeln müssen, fehlt mir die Zeit zu langen und schwierigen Erörterungen. Ich habe jetzt alle Fäden in meiner Hand. Selbst wenn die Frau das Bewußtsein nie wieder erlangen sollte, können wir doch das Drama der vergangenen Nacht aufklären und die gerichtliche Bestrafung des Schuldigen herbeiführen. Zunächst möchte ich nun wissen, ob in der Nachbarschaft eine Oertlichkeit, ein Gutshof oder dergleichen, unter dem Namen ›Elrige‹ bekannt ist.«

      Die Bediensteten wurden in ein Kreuzverhör genommen, aber keiner hatte von einer solchen gehört. Endlich fiel dem Stalljungen ein, daß ein Landwirt dieses Namens einige Meilen von hier nach Ost-Ruston zu ein Besitztum habe.

      »Ist es abgelegen?«

      »Ganz abgelegen, Herr.«

      »Man wird also dort von dem hiesigen Unglück wahrscheinlich noch keine Nachricht haben?«

      »Das kann sein.«

      Holmes überlegte einige Sekunden, dann spielte ein zufriedenes Lächeln um seinen Mund.

      »Sattele ein Pferd, mein Junge,« sagte er zu dem Burschen. »Du sollst einen Brief nach Elrige's Hof bringen.«

      Er nahm die verschiedenen Blätter mit den tanzenden Männchen aus der Tasche, breitete sie vor sich auf dem Schreibtisch aus und schrieb eine Zeitlang. Endlich übergab er dem Jungen ein Schreiben mit der Anweisung, es dem Adressaten persönlich einzuhändigen und auf keinerlei Fragen, die man etwa an ihn richten sollte, Aufschluß


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