Audiovisuelles Übersetzen. Heike E. JüngstЧитать онлайн книгу.
at Nuremberg (Urteil von NürnbergUrteil von Nürnberg, USA 1950) von Erich Maria Remarque und die von Decision before DawnDecision before Dawn (Entscheidung vor MorgengrauenEntscheidung vor Morgengrauen, USA 1951) von Carl Zuckmayer (Kolloquium 2004). Welchen Einfluss dies auf eine Entscheidung gegen Übersetzer gehabt haben soll, ist jedoch unklar.
Was die Praxis in deutschen Synchronisationsfirmen betrifft, enthält Seifferth (2009) Informationen zu mehreren Firmen (ebd. 5-12) sowie Fragebögen an ebendiese Firmen und an Privatpersonen (ebd. 149-171).
Im üblichen Verfahren wird die Rohübersetzung an den DialogbuchautorDialogbuchautor / SynchronbuchautorSynchronbuchautor / SynchronregisseurSynchronregisseur weitergereicht, der dann das SynchronbuchSynchronbuch erstellt. Oft ist es auch der Synchronregisseur, der das DialogbuchDialogbuch schreibt, aber auch das ist nicht immer der Fall. Schon hier wird die auffallende Fragmentarisierung des Synchronisationsprozesses deutlich:
Auch Synchronregisseure sind meist so ausgelastet, dass sie oft den Film, den sie bearbeiten, nicht einmal richtig kennen, es sei denn, sie haben auch das deutsche Dialogbuch geschrieben. (Leinert 2017: 49).
In diesem Arbeitsgang kann der Synchrontext noch verändert werden – manchmal merkt man erst in der Praxis, dass sich ein Text doch nicht so gut spricht wie erwartet. Das kann einen sehr großen Teil des Synchronbuchs betreffen, nach der Untersuchung von Herbst bis zu 61 % (Herbst 1994: 209). Außerdem wird nicht jeder kleine Versprecher korrigiert, wenn er nicht weiter stört und der Text gut in den Film passt (Herbst 1994: 210).
Hier wird der Text nicht nur an die Lippenbewegungen angepasst, d.h. lippensynchronSynchronitätlippensynchronLippensynchronitätlippensynchron gemacht (mit gewissen Einschränkungen). Er wird auch in eine gut sprechbare Form gebracht. Der Synchronregisseur führt beim EinsprechenEinsprechen des Filmes Regie.
Unter anderem [braucht man für den Beruf des Synchronregisseurs und -autors] ein Interesse für Sprachen und Kultur. Dabei muss man die Originalsprache, aus der heraus man synchronisiert, nicht notwendigerweise verstehen. Es hilft natürlich sehr, man begreift Feinheiten besser, kennt vielleicht auch die jeweilige Landeskultur. Wenn man die nicht kennt – was oft der Fall ist --, braucht man eine sehr gute Rohübersetzung, die auch Bedeutungsnuancen, kulturelle und politische Hintergründe einbezieht. (Cierpka 2017)
Oft enthalten Rohübersetzungen tatsächlich falsche oder ungelenke Formulierungen, was an den immer wieder erwähnten Arbeitsbedingungen und der dadurch oft mangelhaften Qualifikation der damit befassten Übersetzer liegt, doch manchmal wird der Text beim Erstellen des Synchronbuchs auch verschlimmbessert (Beispiele in Herbst 1994: 206). Wichtig scheint bei der Umarbeitung der Rohübersetzung zu einem Synchronbuch aber zu sein, dass die Satzlänge von Original und Synchronfassung einigermaßen übereinstimmt (Herbst 1994: 207-208).
In vielen Fällen wird die Synchronarbeit von einem SupervisorSupervisor begleitet, der auch den fertigen Film abnimmt. Die Supervisoren werden normalerweise von Verleihfirmen beauftragt, haben aber auch die Wünsche der Regisseure des Originalfilms zu beachten.
Bei wichtigen Filmen ist es mittlerweile üblich, einen ‚Supervisor‘ aus Hollywood nach Europa zu schicken, der die Synchronisation überwacht und sowohl bei den Dialogtexten als auch bei der Stimmenauswahl mitentscheidet. Dass sich auch Filmregisseure selbst um die Synchronfassungen kümmern, war lange Zeit eine Seltenheit. Die große Ausnahme war Stanley Kubrick, dessen berüchtigter Perfektionismus sich auch auf die Synchronisationen erstreckte. Für die deutschen Fassungen bestand er auf Wolfgang Staudte als Regisseur, dessen von einer legendenhaften Aura umrankte Bearbeitung von ShiningShining mehr als eine Million Mark gekostet haben soll! (Bräutigam 2009: 35)
Ausführliche Informationen dazu bietet der Bericht der Synchronsupervisorin Leinert (2015). Eine Textkontrolle durch einen Übersetzer findet bei der Endproduktion nicht statt. Während heute in allen anderen Übersetzungsbereichen ein Translationsmanagement mit Qualitätskontrolle eine wichtige Rolle spielt, existieren hier nicht einmal Überlegungen in diese Richtung.
Gerade dort, wo keine nennenswerte Absprache zwischen den an der zielsprachlichen Fassung Beteiligten stattfindet, erscheint der Einsatz eines solchen Supervisors ausgesprochen sinnvoll. Mehr Zusammenarbeit fordert auch Seifferth:
Es wäre dabei auch wichtig, dass der Auftraggeber die jeweiligen Synchronsprecher und die Übersetzer vor dem Beginn der Arbeit an einen Tisch bringt, denn dies würde auch dazu beitragen, dass der Übersetzer die handelnden Personen besser versteht, zumal die ausgewählte Stimme wesentlich zur späteren Sympathie und Popularität einer handelnden Person beiträgt. Der Auftraggeber sollte des Weiteren für eine Rückmeldung zur Qualität der Übersetzung sorgen, ein Qualitätsmanagement einführen, um im ständigen engen Dialog mit dem Übersetzer, dem Dialogbuchautor und dem Synchronregisseur die bestmögliche Synchronübersetzung zu schaffen. (Seifferth 2009: 128)
Bei Seifferth wird auch der eigentliche SynchronisationsprozessSynchronisationsprozess, das EinsprechenEinsprechen des übersetzten und bearbeiteten Texts, beschrieben. Das Einsprechen selbst erfolgt im Synchronstudio durch Profisprecher, oft Schauspieler. Seifferth schildert ihren Besuch bei der Studio Hamburg Synchron folgendermaßen:
Dieser Aufenthalt im Aufnahmestudio war aufschlussreich, um Rückschlüsse ziehen zu können auf Fehlerquellen, wie sie während des Synchronisationsprozesses, also bei der Aufnahme entstehen: Die Qualität hängt nur von einer beziehungsweise noch einer weiteren beisitzenden Person, die für die Technik zuständig ist, ab. Das bedeutet, dass Aussprachefehler überhört werden, eine Anlehnung an einen bestimmten DialektDialekt, hier Norddeutsch, eine Rolle spielt und somit immer wieder unidiomatisches Deutsch verwendet wird, insbesondere Grammatikfehler und Kollokationsverstöße. Auch bedeutet dies, dass das Skript in Teilen verändert wird. Bei der Serie The SopranosThe Sopranos, die hier synchronisiert wird, fiel auf, dass, beispielsweise abfällige ‚lustige‘ Bemerkungen über Juden, wie sie im mafiaähnlichen Milieu, besonders unter den Italo-Amerikanern, üblich sind, nicht ins Deutsche übertragen wurden, also die NulllösungNulllösung gewählt wurde – ein Beispiel dafür, dass … im Synchronisationsprozess regelrechte Zensierungen stattfinden. (Seifferth 2009: 5)
Der Arbeitsablauf während der Synchronisation selbst ist nicht chronologisch. Früher teilte man die Szenen so ein, dass man die Arbeitstage der einzelnen SprecherSynchronsprecherSprecherSynchronsprecher ideal danach ausrichten konnte. So kamen zuerst die Szenen mit A, B und C; dann konnte C nach Hause gehen und die Szenen, in denen nur A und B auftreten, wurden synchronisiert. Es herrschte also ein ähnliches Arbeitsprinzip wie bei Filmen, wo man ebenfalls nicht chronologisch von Anfang bis Ende dreht, sondern den Arbeitsablauf nach Drehorten und eingesetzten Schauspielern aufteilt. Heute stehen die Sprecher allein im Studio; der Vorgang ist nun komplett fragmentarisiert und entfremdet.
Auch spontane Entscheidungen, die sich nur im Zusammenspiel mehrerer Sprecher ergeben, gibt es nicht mehr. Bei der Synchronisation werden die Texte in sehr kurze TakesTake von ein bis zwei Sätzen aufgeteilt und die Sprecher stehen in einem nüchternen Tonstudio. Das gab es schon früher und das muss nicht einmal kostensparend sein:
Häufig werden Takes ge-ixtge-ixte Takes, das heißt, in einem Take mit zwei Sprechern wird erst nur der eine und an einem anderen Tag der andere aufgenommen, wenn beide zusammen wegen Terminschwierigkeiten nicht im Studio sein können. Auch wenn Texte sich überlappen, wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, damit die Cutterin die Aufnahme exakter bearbeiten kann … Das Ixen treibt natürlich die Anzahl der Takes schnell in die Höhe, was sich wieder auf die Kosten auswirkt … Kalkuliert werden etwa 170 bis 200 Takes am Tag, das heißt, ein 90 Minuten langer Film ist in vier bis fünf Tagen ‚über die Bühne‘. (Blunck 1998: 285)
Der SynchronregisseurSynchronregisseur muss dafür sorgen, dass die