Ostseeküste - Mecklenburg-Vorpommern Reiseführer Michael Müller Verlag. Sabine BechtЧитать онлайн книгу.
Truppen (Dänen, Preußen und Kurhannoveraner) beschossen, belagert und schließlich eingenommen. Die Stadt blieb zwar bei Schweden, musste jedoch ihre Festungsanlagen schleifen. Wismar glich um 1718 einem Trümmerfeld, und die gefallene Großmacht Schweden hatte weder die Möglichkeiten noch das Interesse, die unbefestigte Stadt nachhaltig zu stärken. Aber es sollte bis 1803 dauern, bis die schwedische Krone Wismar aufgeben wollte und für hundert Jahre an das Großherzogtum Mecklenburg verpfändete. Nachdem der Vertrag schließlich 1903 auslief, verzichtete Schweden auf die Rückgabe und Wismar war endgültig Teil Mecklenburgs und damit des Deutschen Reiches.
Alter Schwede! Vor dem Baumhaus
1921 drehte Friedrich Wilhelm Murnau viele Szenen des Stummfilmklassikers Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens in Wismar. Als es ihm Werner Herzog Jahrzehnte später gleichtun wollte, durfte er nicht. So entstanden die in Wismar geplanten Szenen von Nosferatu - Phantom der Nacht in Delft.
Im Zweiten Weltkrieg setzten die alliierten Luftangriffe Wismar arg zu. Ziel der Bomber waren vor allem kriegsrelevante Anlagen, wie die Fabrik- und Flugzeughallen der Norddeutschen Dornier-Werke sowie der Hafen. Zwischen Juni 1940 und April 1945 flogen die Alliierten zwölf Luftangriffe auf Wismar. Der schwerste Angriff erfolgte am 24. September 1942, als über 60 Tonnen Bomben auf Wismar abgeworfen wurden. Der letzte Angriff (in der Nacht zum 15. April 1945) traf drei von Wismars bedeutenden Bauwerken mit voller Wucht: Das Archidiakonat wurde stark beschädigt, St. Georgen und St. Marien in Ruinen gelegt. Insgesamt kamen über 300 Menschen bei den Angriffen ums Leben, fast ein Viertel der vorhandenen Wohnungen wurde zerstört.
Nichtsdestotrotz hat sich in Wismar ein enormes Maß an historischer Bausubstanz erhalten, auch dank seiner engagierten Einwohner, die sich oft auch gegen Widerstände der Behörden für die Bewahrung von Wismars Kulturgut einsetzten - auch wenn es in Einzelfällen nicht gelang. Berühmtestes Beispiel ist die Sprengung der Marienkirche 1960. Wismars Altstadt gehört heute zu den besterhaltenen historischen Stadtkernen in Deutschland, 2002 wurde die Altstadt Wismars gemeinsam mit der Stralsunds in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen. Mit der SOKO Wismar (2004 erstmals ausgestrahlt) hielt die Stadt Einzug in die deutschen Vorabend-Wohnzimmer. Zum Zeitpunkt der letzten Recherche 2019 wurde gerade die 17. Staffel ausgestrahlt. Das Polizeigebäude aus der Sendung suchen Sie in Wismar jedoch vergebens, es steht in Berlin im Studio Adlershof.
Sehenswertes
Der Marktplatz mit der Wasserkunst
Folgende Route bietet sich für einen Stadtrundgang an: Ausgehend vom Marktplatz samt Wasserkunst, Rathaus und Altem Schweden nach Westen und vorbei am Archidiakonat zum Turm von St. Marien; weiter am Fürstenhof vorbei zur Kirche St. Georgen; dann die Große Hohe Straße hinunter zur Heilig-Geist-Kirche und zum Welt-Erbe-Haus, weiter oben an der Lübschen Straße links ab in die Krämerstraße und dann über die Breite Straße und den Ziegenmarkt zum Alten Hafen; via Frische Grube schließlich zu St. Nikolai und am Schabbellhaus vorbei zurück zum Marktplatz. Wem nach städtischem Grün zumute ist, der macht nen Abstecher zum Lindengarten, einer unter Denkmalschutz gestellten, hübschen kleinen Parkanlage am Rand der Altstadt.
Marktplatz
Mit einer Ausdehnung von 10.000 Quadratmetern ist er der größte Marktplatz Norddeutschlands. Prächtige, von Giebeln gekrönte Fassaden flankieren das pulsierende Herz der Stadt. Im südöstlichen Eck des Platzes befindet sich das Wahrzeichen Wismars: die Wasserkunst. Der Name des Bauwerkes lässt bereits erahnen, dass es sich nicht nur um ein architektonisches, sondern auch um ein technisches Denkmal handelt. Das Brunnenhaus entstand zwischen 1580 und 1602. In Anlehnung an die Architektur der niederländischen Renaissance wölbt sich über zwölf verzierten Säulen ein Kupferdach, das von einem kleinen Türmchen gekrönt wird. Die Wasserkunst wurde mittels Holzrohren von einer vier Kilometer entfernten Quelle gespeist und verteilte das Wasser in die Bürgerhäuser und öffentlichen Schöpfstellen der Stadt. Nicht von ungefähr betrieb der Auftraggeber der Wasserkunst, der Rat Hinrich Schabbell (1531-1600), ein wasserintensives Gewerbe: Er war einer der Braumeister der Stadt. Der beauftragte Baumeister Philipp Brandin stammte aus den Niederlanden und hatte bereits Schabbells prächtiges Wohn- und Brauhaus, das Schabbellhaus, errichtet.
Fritz Reuter - Mecklenburgs Dichter
Der Dichter, der mit seiner volksnahen, humorvollen Erzählweise seine Zeitgenossen einnahm, hat bis heute überall in Mecklenburg Spuren hinterlassen. Kaum ein Ort im Land, den Reuter auch nur flüchtig bereiste und der nicht an den großen niederdeutschen Erzählers erinnert. Fritz Reuter wurde am 7. November 1810 als Sohn des Bürgermeisters von Stavenhagen (nahe Neubrandenburg) geboren. Ab 1824 besuchte er mit mäßigem Erfolg das Gymnasium zunächst in Friedland, dann in Parchim. Es folgte ein lustlos betriebenes Studium der Rechte in Rostock, später in Jena - der Vater wollte den Sohn in seinen Fußstapfen sehen, der Sohn sah lieber in den Krug. Wegen der Mitgliedschaft in einer Burschenschaft wird Reuter 1833 verhaftet, zum Tode verurteilt und sogleich zu 30 Jahren Festungshaft begnadigt. Es ist die Zeit der Reaktion, in der der Ruf nach (nationaler) Einigkeit und Recht und Freiheit als Hochverrat und Majestätsbeleidigung geahndet wird. Aus den 30 Jahren Festungshaft werden, dank der Begnadigung durch Friedrich Wilhelm IV., sieben Jahre. Doch die waren hart genug, auch wenn Reuter (auf Betreiben des Vaters) die letzten davon unter erleichterten Haftbedingungen in der Festung Dömitz verbrachte.
Nach der Entlassung fiel es Reuter schwer, sich wieder einzugliedern. Die Wiederaufnahme des Studiums in Heidelberg scheiterte an schweren Alkoholproblemen. Reuter brach das Studium zum Leidwesen des Vaters ab und ging bei seinem Onkel, Pastor in Jabel bei Malchow, gewissermaßen in Reha. Nach einer Weile begann Reuter in Demzin als „Strom“ (Volontär) in der Landwirtschaft zu arbeiten. In dieser Zeit traf er Hoffmann von Fallersleben, der ihm riet, seine humoristischen Anekdoten auch und gerade über die Festungshaft zu Papier zu bringen. Reuter, inzwischen verheiratet, begann nun ernsthaft und mit zunehmendem Erfolg zu schreiben. Mit dem Verleger Dethloff Carl Hinstorff in Wismar begann 1859 eine für beide Seiten lukrative Zusammenarbeit, wenngleich nicht ohne Reibungen. Von nun an lebte Reuter nicht nur von seiner Schreiberei, er avancierte auch zu einem der meistgelesenen Schriftsteller seiner Zeit. 1859 entstand die erste längere Erzählung in niederdeutscher Sprache Ut de Franzosentid („Aus der Franzosenzeit“). 1862 griff Reuter von Fallerslebens Anregung auf und schrieb über seine Festungszeit (Ut mine Festungstid), kurz darauf folgte der erste Teil des autobiografisch gefärbten Gesellschaftsromans Ut mine Stromtid. Diesen Roman schloss er in Eisenach ab, wohin die Reuters 1864 gezogen waren. Mit dem distanzierten Blick von Eisenach nach Mecklenburg schuf er 1866 mit Dörchläuchting eine bissige Satire über seine Heimat.
Reuters Arbeit auf komödiantische Mundartdichtung zu reduzieren hieße jedoch, die politische und soziale Dimension seines Werks zu verkennen. Der volkstümliche Humor Reuters zeigt sich immer wieder durchsetzt von einem scharfsinnigen und kritischen Blick auf die gesellschaftlichen Verhältnisse des 19. Jh. Fritz Reuter starb am 12. Juli 1874 in Eisenach.
Um die inoffizielle