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Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus. Andreas SuchanekЧитать онлайн книгу.

Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus - Andreas Suchanek


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der Kolonie Comienzo. Deren Bewohner bestehen zu 80 Prozent aus den Nachkommen von Siedlern aus dem spanischen Sektor. Die Admiralität war der Meinung, dass seine Jugend kein Hindernis darstellt. Er hat bei der Ausarbeitung der neuen Waffendoktrin für den Interlink-Kreuzer mitgearbeitet. Messerscharfer Verstand, Bester seines Jahrgangs.«

      Als sie schwieg, sagte der Captain: »Die Fakten aus der Akte sind ja ganz nett, aber was halten Sie von ihm?«

      Noriko begriff, dass Cross ihr diese Frage primär stellte, um seine I.O. einschätzen zu können. Zweifellos würde er mit jedem Kommandobrückenoffizier im Verlauf der Reise ein persönliches Gespräch führen.

      »Schauen Sie ihn an. Vermutlich haben seine Eltern eine Genaufwertung der Alpha-Klasse herausspringen lassen. Er sieht gut aus – schwarzes dichtes Haar, hellblaue Augen, strahlend weiße Zähne – und ist sich dessen bewusst. In den vergangenen Wochen bestand seine Hauptfreizeitbeschäftigung aus Flirts. Sein Umgangston ist ab und an etwas flapsig, aber nie unverschämt.« Wenn auch oft nahe dran. »Er ist ein Heißsporn.«

      Cross schmunzelte. »Ich verstehe.« Er beugte sich vor und berührte ein weiteres Gesicht.

      »Lieutenant Tess Kensington«, sagte Noriko, als das Gesicht der blonden Ortungsoffizierin vergrößert wurde. »32 Jahre, stammt von Tikara II.«

      Der Captain sog bei der Erwähnung der Kolonie unvermittelt scharf die Luft ein.

      »Vermutlich haben Sie in ihr eine glühende Verehrerin, immerhin haben Sie unter Einsatz Ihres Lebens die Heimat ihrer Eltern verteidigt.« Noriko lächelte, als sie das Unbehagen im Blick des Captains erkannte. So viel Lob war ihm sichtlich unangenehm. »Davon abgesehen kann ich sie nur als resolut bezeichnen. Sie entstammt der Unterschicht von Tikara II, was in der Regel gleichbedeutend mit einer Laufbahn als Pirat, Schmuggler oder Dieb ist. Die Intelligenteren wandern aus oder sterben recht früh, da nur die Gewalttätigen überleben.« Wenn nur ein Teil von dem, was in ihrer Akte stand, der Wahrheit entsprach, hatte Lieutenant Kensington einen verdammt harten Weg hinter sich. »Sie ist tough, spricht offen aus, was sie denkt, und jongliert mit Ortungsalgorithmen wie mit Gravbällen. Sie hat in einer der Übungen, in der ihre Gruppe eigentlich nur verlieren konnte, ein kleines Wunder vollbracht, in dem sie ein getarntes Parlidenschiff aufspürte.«

      »Beeindruckend.«

      »Sie ist es gewohnt zu kämpfen«, fügte Noriko hinzu.

      Der Captain nickte bedächtig, verweilte mit seinem Blick noch kurz auf Kensington und berührte eines der beiden verbliebenen Abbilder.

      Während Kensingtons Konterfei wieder verkleinert wurde, vergrößerte die K.I. das Gesicht eines Mannes mit rotem Stoppelhaar und gemütlichem Blick.

      »Peter Task«, sagte Noriko. »Er ist … besonders.«

      »Das habe ich schon bemerkt.«

      »Anders, als Sie vielleicht denken.« Sie schwieg einen Augenblick, um die richtigen Worte zu finden. »Man sagt, er habe drei Anläufe gebraucht, um an der Akademie aufgenommen zu werden. Trotzdem ist er ein ausgezeichneter Navigator. Entgegen dem leicht behäbigen Eindruck, den er macht, kann er eine Menge.«

      »Sprechen Sie weiter.«

      »Ich kann nicht wirklich viel über ihn sagen. Außerhalb der Arbeit sitzt er meist neben anderen Offizieren auf dem Entspannungsdeck an der Bar. Aber er redet nur wenig, stattdessen hört er zu. Ich denke, man tut gut daran, ihn nicht zu unterschätzen.«

      Während der Blick des Captains gedankenverloren durch sie hindurchging, berührte sie das letzte Abbild.

      »Lieutenant Sarah McCall«, erklärte sie. Eine stupsnasige Frau mit braunen Locken blickte lächelnd in das Aufnahmeobjektiv.

      »Holt die Admiralität jetzt schon Leute direkt von der Akademie?«

      »Die Brückencrew wurde aus Offizieren zusammengestellt, die …«

      »Ist schon gut.« Er winkte ab. »Die Admiralität hat ihre Gründe.«

      Zweifellos. Wie sie es immer hat. Es fiel ihr schwer, bei diesen Gedanken nicht auszuspucken. Nach allem, was sie durchgestanden hatte, galt es nach wie vor, ihr Schild nicht sinken zu lassen. »McCall ist die Verkörperung des Schüchternen. Wenn Sie mit ihr sprechen, wird sie meist zu Boden schauen, scheu nicken und mit piepsiger Stimme sprechen.« Noriko lachte auf. »Von diesen Punkten abgesehen verrichtet sie ihre Arbeit tüchtig und kompetent. Ihre Familie ist ihr sehr wichtig. Sie übernimmt ab und an Schichten von anderen Offizieren im Tausch gegen zusätzliche Phasenfunkzeit. Die verbringt sie dann im Gespräch mit ihrer Familie.«

      »Also gut«, sagte Cross. »Dann kommen wir zu unserem letzten Kommandobrückenoffizier.« Dabei berührte er ein Icon auf dem Touch-Panel. »Commander Noriko Ishida.«

      »Was wollen Sie wissen, Sir?«

      »Überspringen wir die Fakten aus der Akte. Vermutlich wissen Sie, woran ich am meisten interessiert bin.«

      »Das Kelvin-Debakel.«

      Der Captain nickte.

      »Ich bin verblüfft. Warum haben Sie mich als Ihren I.O. angefordert?« Von dem Moment an, als sie ihren Marschbefehl erhalten hatte, hatte sie sich das gefragt. »Warum ich?«

      »Diese Ehre gebührt Admiral Sjöberg.«

      »Ich verstehe.« Die Enttäuschung brannte wie ein Fusionskern in ihrem Inneren. »Etwas anderes hätte mich gewundert.«

      »Ich vertraue seinem Urteil. Obwohl es mir bei den umgehenden Gerüchten – das gebe ich offen zu – durchaus schwerfällt. Bis vor wenigen Jahren waren Sie die Vorzeigeoffizierin schlechthin. Ich habe noch niemals jemanden gesehen, der einen so kometenhaften Aufstieg hingelegt hat und obendrein noch Kompetenz besitzt.«

      »Das nehme ich einfach als Kompliment.«

      Bisher hatte noch niemand nach der Wahrheit gefragt. Erst einmal hatte sie einem Offizier berichtet, was damals geschehen war. Dem Falschen.

      »Sir, ich denke nicht, dass die Vergangenheit eine Rolle spielen sollte. Sie ist Geschichte.«

      Cross zögerte. »Verstehen Sie mich nicht falsch, aber Sie sind meine rechte Hand an Bord. Ich muss Ihnen vertrauen können. Und auch wenn es keine Relevanz mehr besitzen sollte, muss ich wissen, ob die Gerüchte zutreffen.«

      »Maschinenraum an Captain Cross.« Die Stimme von Lieutenant Commander Lorencia drang aus dem Interkom.

      »Cross hier.«

      »Sir, bitte kommen Sie in den Maschinenraum. Wir haben hier unten ein Problem, das wir umgehend besprechen müssen.«

      »Ich bin auf dem Weg.«

      In einer fliegenden Bewegung stand Cross auf. »Sie haben die Kommandobrücke, Commander. Wir führen unser Gespräch ein anderes Mal fort.«

      Sie nickte und schob die Gedanken an das Gestern beiseite – wie sie es immer tat. »Aye, Sir.«

      *

      Das Schott rollte zur Seite und Jayden betrat den Maschinenraum.

      »Captain«, sagte Lieutenant Commander Lorencia. »Willkommen an Bord. Ich fürchte, wir haben ein ernstes Problem.«

      »Nur eines?« Er hatte längst gelernt, dass es fast immer die Technik war, die einem reibungslosen Ablauf im Weg stand. »Worum geht es?«

      Im Maschinenraum wuselte es. Überall beugten sich Ingenieure über Geräte, machten Eingaben an den Touch-Panels oder fuhren mit Handscannern über Maschinenblöcke.

      Lorencias Reich zog sich über zwei Decks, die durch drei Magnetschwebeplattformen miteinander verbunden waren. Hinzu kamen die technischen Labors. Die Antriebssektion schloss direkt an, abgeschottet durch vier parallele Personenschleusen.

      »Wir haben ein Problem mit der Feineinstellung des Helix-Konverters.« Sie deutete in Richtung der Antriebssektion.


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