Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie. Harvey PattonЧитать онлайн книгу.
Genau jene Dinge also, mit denen die PROKYON-Crew schon zur Zeit Marschall Drechslers auf Kriegsfuß gestanden hatte! Sie hatte alles ergeben über sich ergehen lassen, selbst Luca Ladora hielt seine Zunge im Zaum. Dafür hatte Taff gesorgt, obwohl er das Ganze für so überflüssig hielt, wie kaum etwas auf der Welt.
So war der Lehrgang schnell beendet gewesen. Man hatte der Crew ein neues Schiff versprochen, aber noch war es nicht soweit. Es waren einige Tage abgefallen, die den sechs Freunden Gelegenheit gaben, sich von den psychischen Auswirkungen der »Sonntagsschule« wieder zu erholen.
Luca hatte einen kurzen Abstecher nach Vortha gemacht, um Erethreja nach langer Zeit wieder einmal zu besuchen. Wo sich Dorit, Lars und Orvid befanden, wussten weder Taff noch Mitani. Sie hatten sich, gut mit Proviant versehen, auf die unbewohnte Insel zurückgezogen, um alles andere zu vergessen.
Doch nun ging auch dieses Idyll seinem Ende entgegen. Bei dem üblichen morgendlichen Anruf in der Basis 104 über das Funkgerät des Gleiters war für 15 Uhr ihre Rückkehr verlangt worden. Zu dieser Zeit sollte die feierliche Ordensverleihung stattfinden, in Gegenwart aller »hohen Tiere« der Erde.
Jetzt ging es bereits auf Mittag, und Taff stellte sich immer noch stur.
Über das dunkle Gesicht Mitanis flog ein spitzbübisches Feixen. Mit einigen schnellen Bewegungen dirigierte sie ihr Surfbrett nahe an das ihres Gefährten heran. Dann folgte ein rascher Fußtritt – Caines Brett kippte zur Seite, er selbst glitt ab und tauchte unter.
Prustend und spuckend kam er wieder hoch, aber das Mädchen befand sich längst außer seiner Reichweite. Mit flinken Beinschlägen trieb sie ihr Brett auf den Strand zu, der nur noch hundert Meter entfernt war. Dort angekommen, stieg sie aus dem Wasser und wartete mit jenem unschuldigen Lächeln, das nur Frauen produzieren können.
Als Taff ankam, meinte sie ruhig: »Das Wasser hat deinen Denkapparat wieder auf Touren gebracht, hoffe ich. Was soll ich, deiner Meinung nach, nachher anziehen?«
Taff klemmte sein Surfbrett unter den Arm, grinste, und schlug mit der freien Hand klatschend auf ihre nackte Kehrseite.
»Wenn es nach mir ginge, genügte dieser Aufzug vollkommen, du hinterlistiges Stück. Ich bezweifle jedoch, dass unsere würdigen Vorgesetzten den Anblick von soviel unverhüllter Schönheit ohne moralische Schäden ertragen können. Okay, fliegen wir zur Basis zurück, um etwas Passendes auszugraben.«
Als sie beim Gleiter ankamen, summte bereits das Funkgerät.
»Verdammt, wo bleibt ihr nur?«, erkundigte sich Luca ungehalten. »Wir sind längst alle da, nur ihr nicht. Die Admiralin hat schon dreimal nach dir gefragt, Taff. Man ist bereits dabei, den roten Teppich auszulegen, aber du ...«
»Wir kommen«, sagte Caine lakonisch und schaltete ab.
*
»Beeilt euch, Kinder!«, mahnte Lars Gunnarsson und schob sein Gedeck beiseite. »In einer halben Stunde soll die Feier beginnen, aber ihr tut so, als sei Essen das Wichtigste auf der Welt.«
»Ist es doch auch, Väterchen«, grinste Luca mampfend. »Von einigen anderen Dingen abgesehen natürlich, die ich als gleichwertig einstufen möchte. Ich denke da zum Beispiel an ...«
»Wir wissen, woran du die meiste Zeit über denkst«, unterbrach ihn Dorit Grenelle. »Erspare uns also bitte detaillierte Schilderungen. Im Übrigen solltest du dich schämen, du alter Wüstling. Kaum bist du von deinem Blumenkind zurückgekehrt, treibt deine unsaubere Phantasie schon wieder ihre Blüten. Ich glaube manchmal ...«
»Du sollst nicht glauben, du sollst dich beeilen«, schimpfte Lars und sah besorgt auf die Uhr. Orvid Bashkiri sah ihn spöttisch von der Seite her an.
»Ich hätte nie geglaubt, dass du so scharf auf Orden bist, Freund. Es sieht so aus, als hätten wir dich die ganze Zeit über verkannt. Im Übrigen können wir es uns ruhig erlauben, ein paar Minuten zu spät zu kommen. Der feierliche Akt kann erst steigen, wenn wir zugegen sind.«
Taff Caine erhob sich demonstrativ.
»Lasst euch ruhig Zeit, wenn ihr wollt. Ich gehe jedenfalls, um die mir nachgesagte Unzuverlässigkeit ad absurdum zu führen. Ich werde euch würdig vertreten und hinterher berichten, was Min Jian-Ksu gesagt hat. Falls es nichts Erfreuliches ist, fällt das auf euch zurück.«
»Noch ein Ordensjäger!«, knurrte Luca und schob missmutig den Teller weg. »Du hast dir doch hoffentlich ausnahmsweise heute den Hals gewaschen, Taff? Nicht, dass der Oberbonze beim Umhängen der Plakette einen Schlaganfall bekommt!«
»Er hat!«, bestätigte Mitani feixend. »Ich selbst habe ihn untergetaucht, auf dass der Crew keine Schande widerfährt. Orvid, was muss ich da sehen? Du hast deine Uniform mit Hühnerfrikassee garniert! Trägt man so etwas neuerdings bei feierlichen Anlässen?«
Der Astrogator fiel darauf herein und sah erschrocken an sich herunter, während alle anderen grinsten. Dann verließen sie die Kantine und stoppten zwei Robots, die sie ins Hauptquartier brachten, wo die Zeremonie stattfinden sollte.
Das ganze Verhalten der PROKYON-Besatzung bewies, wie wenig sie von der ihr zugedachten Ehrung hielt. Für sie gehörte die Zeit, in der das Ansehen von Angehörigen irgendwelcher Streitkräfte hauptsächlich von der Breite der Ordensschnalle abhing, einer fernen Vergangenheit an. Oft genug war diese Dekoration nicht aufgrund besonderer Verdienste, sondern lediglich wegen ausdauernden Katzbuckelns oder wegen der Zahl der Dienstjahre erfolgt. Der einfache Mann, der in vorderster Linie den Kopf hinhielt, war zumeist mit »Volksorden« abgespeist worden, in krassem Missverhältnis zu seiner Leistung.
Trotzdem hatte Taff Caine davon abgesehen, die seiner Crew zugedachte Ehrung abzuschlagen.
»Wir sind schließlich höfliche Leute«, hatte er erklärt, mit mildem Lächeln und der nötigen Spur von Sarkasmus. »Wir spielen also mit und nehmen die Dinger an. Indem wir das tun, manövrieren wir unsere hohen Vorgesetzten zugleich in eine für sie ungünstige Position. Eine Crew, für die sie eigens einen besonderen Orden geschaffen haben, müssen sie wohl oder übel auch entsprechend respektvoller behandeln, wenn sie sich nicht selbst widersprechen wollen!«
Immerhin hatten die vier Männer ausnahmsweise die Extrauniformen angelegt, die bis dahin unbeachtet in ihren Schränken gehangen hatten. Dem Zeitgeschmack entsprechend waren sie pompöser und prunkvoller, als die von Admiralen in früheren Zeiten. Die beiden Mädchen dagegen waren, da es für sie keine festen Vorschriften gab, ihrem eigenen Geschmack gefolgt.
Mitani N'Kasaa trug ein enges weißes Hosenkostüm, das in wirkungsvollem Kontrast zu ihrer dunklen Hautfarbe stand. Dorit Grenelle dagegen steckte in einer Art von Sarong, der, je nach Lichteinfall, in allen Farben des Spektrums schillerte. Ihre Frisuren waren absichtlich einfach gehalten, was in dieser Zeit der betont gewagten Formen schon wieder einer Extravaganz gleichkam.
Als die Crew ihre Wagen verließ, kam ihr bereits Hackler entgegen. Sein Gesicht war unbewegt, nur seine Augen konnten den Neid nicht ganz verbergen, der in ihm war. Er wusste sehr genau, dass er trotz allen Ehrgeizes nie soviel erreichen würde wie Caine und seine Gefährten. Schweigend führte er sie in den kleinen Festsaal und zog sich dann wieder zurück.
Taff sah ihn verwundert an. Er hatte damit gerechnet, dass man sie feierlich anmelden würde, wie es dem Anlass angemessen schien. Doch nichts dergleichen geschah. Dafür erhoben sich alle Anwesenden, als die Crew eintrat. Es waren insgesamt nur zehn, also ein recht kleiner Kreis.
Alexa van Grooten war da, Tonkawa Matsumoto, Kyll Lennard und natürlich auch Min Jian-Ksu. Die anderen sechs waren hohe Offiziere der Raumflotte, der Crew aber nur flüchtig bekannt. Sie waren Staffage, mehr nicht.
Bunte Bänder und exotische Pflanzen sorgten für einen gewissen festlichen Eindruck. Die Rückwand des Raumes bestand aus einer einzigen großen Bildfläche, auf der das Emblem der Erde stand. Und noch etwas war da, so unauffällig, dass die Crew es fast übersehen hätte: ein kleines Video-Aufnahmeteam!
»Auch noch diesen Schmerz ...«, seufzte der Commander.