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Heute bei uns zu Haus. Ханс ФалладаЧитать онлайн книгу.

Heute bei uns zu Haus - Ханс Фаллада


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will ich Ihnen nun aber auch nicht verehren«, sprach Herr Pendel gekränkt, aber sonor. »Die Platte kostet dreißig Mark!«

      Dies mir, dem er eben sein verfaultes Boot angedreht hatte! Und ich bezahlte die dreißig Mark! Später, als ich einmal wirklich Ansichtskarten nach der Platte drucken lassen wollte, zeigte sich natürlich, daß sie einen Riß hatte! Bei Herrn Pendel war eben nichts heil.

      Er war einer jener unseligen Stadtmenschen, die eine tiefe Liebe zum Lande haben und doch nicht das geringste Geschick für das Landleben. Er war schon zu sehr verstädtert. Als er sich den kleinen, hoch mit Hypotheken belasteten Besitz gekauft hatte, war er wohl des Glaubens gewesen, er könne mit Weib und Kind von sechs und einem halben Morgen Land leben. Bald sah er ein, daß dies für einen Landwirt nicht möglich war, vielleicht aber für einen Gärtner. So legte er ein Frühbeet an und zog Gemüsepflanzen zum Verkauf. Aber in dieser ländlichen Gemeinde gab es keine Käufer für Gemüsepflanzen oder aber die Gemüsepflanzen mißrieten auch: bald verfaulte das Frühbeet.

      So hat Herr Pendel noch manches angefangen, er nahm Sommergäste und Ferienkinder, er verlegte sich aufs Angeln, schließlich holte er sich die sogenannte kleine Konzession und machte einen Kaffeegarten auf. ›Haus Pendel‹ lag so schön am Mahlendorfer See, die Sommergäste aus Bergfeld mußten doch kommen. In den Obstgarten wurden geliehene Gartentische und Stühle gesetzt, Kaffeegeschirr wurde angeschafft, Selterswasser und Brause beim Bierverleger entnommen, Ansichtspostkarten gedruckt – alles war bereit, nur die Gäste blieben aus.

      Es ist rührend und kläglich anzusehen, wie sich solch unglückhafter Mensch tausendfach abmüht, und erreicht doch weniger als der erste beste Dummkopf. Die Leute im Dorf haben's mir später erzählt, wie es bei Pendels zuging, wenn sich doch einmal eine kaffeedurstige Familie in den Pendelschen Garten verirrte. Kaffeebohnen waren nie im Haus, dafür war die Kasse zu klein, also eilte Frau Pendel fliegenden Fußes ins Dorf und borgte von einer Nachbarin ein Achtelchen oder ein Sechzehntel Bohnen. Unterdes entfachte Herr Pendel ein Feuer im Herd, ließ das Wasser sieden und stürzte mit einem Sahnekännchen in den Stall, eifrig bemüht, der widerspenstigen Erikuh ein wenig Milch abzulisten. Kuchen war nie da. Zum Schluß hatten die Kaffeegäste für achtzig Pfennige verzehrt, und die Wirtsleute zwei Arbeitsstunden versäumt. Die Rechnung konnte nie aufgehen!

      Am wenigsten Talent aber hatten Pendels, mit ihrem Vieh umzugehen. Die Schweine wurden bei ihnen nie fett, dafür mästeten sich aber die Ratten, die in ganzen Scharen auf dem verfallenen Hof hausten, fraßen auch einmal, war das Futter knapp, einer Sau die Zitzen an, so daß sie notgeschlachtet werden mußte. Pendels besaßen ein Pferd, genauer gesagt ein Doppelpony, eine Zwischengröße also zwischen Pferd und Pony. Es war ein munteres und vor allem freches Tier, ich habe es noch jahrelang gefahren. Bei Pendels hieß der Gaul Hella, ich nehme an, nach Pendelschem Sprachgebrauch, weil er so hell in der Farbe war. Hella war ein Apfelschimmel, und ein schlaueres Tier habe ich nie kennengelernt.

      Begleiten wir einmal das Ehepaar Pendel auf einer Ausfahrt in die Stadt Bergfeld. Hundertmal ist mir davon im Dorf erzählt, und an Hand eigener Erfahrungen kann ich die Einzelheiten nachprüfen und bestätigen. Der Wagen, in den Hella gespannt wurde, war ein verdammt hochrädriger Karren, man saß auf ihm wie auf der Zinne eines Turms und sah tief auf Hellas Hinterteil hinab, das sich ganz dicht bei den Füßen des Fahrers befand.

      Herr Pendel führte Hella aus dem Stall und spannte sie in die Gabel, was sie sich mit heiterem Ohrenspiel gefallen ließ: eine Ausfahrt mit dem Kutschwagen versprach ihr immer viel Erheiterung. Erkletterten nun die Kutschierenden die Zinne, so drehte sich Hella um und betrachtete genau die Last. Waren es viele, mehr als zwei, so streikte sie von vornherein. Waren es aber nur Frauen, so war sie von Anfang an schamlos frech; wie manche ihrer menschlichen Schwestern verachtete Hella ihr eigenes Geschlecht bodenlos.

      Aber wir nehmen an, daß Pendels den Turm bestiegen haben, Herr und Frau Pendel, und Herr Pendel hat die Zügel ergriffen. Er knallt mit der Peitsche, schnalzt mit der Zunge und ruft: »Hüh, Hella!«

      Hella besinnt sich auch nicht einen Augenblick, wie aus der Pistole geschossen saust sie vom Hof und trabt eifrig durch das Unterdorf. Herr und Frau Pendel sehen sich an: Heute wird alles gut gehen. Hellapferdchen ist bester Stimmung!

      Zwischen Unterdorf und Oberdorf liegt ein sowohl hoher wie steiler Berg, was man in Mecklenburg eben Berg nennt, sagen wir sechzig Meter Höhe, aber steil. Hella saust über die Brücke, zwischen zwei Höfen durch, trabt den Anfang des Berges hoch – und bleibt stehen! Herr Pendel wirft seiner Frau einen leicht besorgten Blick zu: Hella wird doch nicht –?

      Wieder knallt er mit der Peitsche, wagt sogar einen leichten Streich, aber nun ist es schon geschehen: Hellapferdchen geht rückwärts. Mit arglistigem Bedacht läßt sie den Wagen bergab rückwärts rollen, und zwar so, daß er gegen eine Mauer der eben passierten Höfe anprallen, besser aber noch gegen das Brückengeländer und ins Wasser stürzen soll.

      Aber auch Pendels sind nicht das erstemal in dieser Lage. Wie der Blitz sind beide von ihrem Turm herunter. Während Herr Pendel Hella vorn am Kopf nimmt und sie am Zurückgehen zu hindern versucht, bückt sich Frau Pendel eifrig und schmeißt Hella mit Sand. Aus unerforschlichen Gründen ist Sandschmeißen Hellachen besonders unangenehm, viel unangenehmer als Peitschenhiebe.

      Hella sieht ein, sie muß nachgeben. Sie hat es nicht schnell genug geschafft, den Wagen an der Hofwand zerschellen zu lassen. Langsam geht sie wieder vorwärts, und so erklimmen sie zu dreien den Berg: Hella in der Gabel, an ihrem Gebiß Herr Pendel, Sand schmeißend hinterdrein Frau Pendel. Schließlich hat Hella ihr Ziel doch erreicht: den Berg hinaufzieht sie grundsätzlich nur den leeren Wagen, keiner darf darauf sitzen.

      Sind sie dann im Oberdorf, geht die Fahrt weiter. Pendels thronen wieder oben. Auf ebenem Gelände legt Hella keinen Wert darauf, Wagen rückwärts zu schieben, das ist ihr zu anstrengend. Sie wandert jetzt mürrisch und verdrossen einher, alles ermunternde Rufen und Zügelziehen des Herrn Pendel kann ihr auch nicht den leisesten Trab entlocken.

      Wir kommen aus dem Oberdorf an der geteerten Mühle vorbei ins freie Feld. Nehmen wir nun an, in der Nacht ist erfrischender, ausgiebiger Regen gefallen, so ein sanfter Regen von zehn Millimetern, der unsern Feldern so gut tut. Die leichten Böden haben den Regen bereits restlos geschluckt, aber die Straße ist in keinem guten Zustand: auf ihr stehen lange und tiefe Pfützen. Herr und Frau Pendel tauschen besorgte Blicke: Hella wird doch nicht –? Herr Pendel sitzt auf der Wacht, die Zügel stramm in der Hand.

      Trotzdem gelingt es der Hella natürlich: mitten in der längsten und tiefsten Pfütze angelangt, sinkt sie plötzlich sanft in sich zusammen und legt sich bäuchlings hinein. Da liegt sie, sie grunzt vor Behagen, sie wälzt sich auch ein bißchen, soweit es Gabel und Geschirr gestatten – und oben sitzen Pendels und warten. Sie sind geduldig, sie warten; aus langer Erfahrung wissen sie, daß Hella doch nicht eher aufsteht, bis ihr Bauch tiefgekühlt ist.

      Dann steht Hella auf. Das Bad hat sie ermuntert, sie starrt vor Dreck, das Geschirr trieft, aber das macht ihr gar nichts aus: jetzt trabt sie. Sie ist allerbester Stimmung, und um ihrer Herrschaft doch auch etwas von dieser guten Stimmung abzugeben, fängt Hella an auszuteilen. Ich habe es ja schon gesagt: Pendels sitzen schräg über Hellas Hinterteil, und so wunderbar weiß dieser Apfelschimmel auszuteilen, daß er mit jedem Schlag die Beine der Kutschierten in Gefahr bringt. Ursprünglich war ein Brett als Schutz vorne am Wagen angebracht, aber dieses Brett hat Hella längst zertrümmert. So bleibt Pendels nichts, als die Beine bis zu den Nasen hochzuziehen oder unter den Po zu stecken, so wie Türken und Schneider sitzen.

      Allmählich kommen sie nach Bergfeld. Vielleicht nimmt Hellachen noch ein Pfützenbad, geht im zu passierenden Dorf Althof noch einmal rückwärts, so daß wiederum mit Sand geschmissen werden muß – wer weiß das? Sicher ist nur, daß Hella viel Freude an solchen Ausfahrten hat. Übrigens wird mir von durchaus glaubwürdigen Leuten versichert, daß solche sieben Kilometer lange Fahrt nach Bergfeld mit Hella nie unter zwei Stunden abzumachen war, zu Fuß war's eigentlich schneller, ungefährdeter und bequemer.

      So wie Haus und Hof, so wie lebendes und totes Inventar, so sahen natürlich auch Garten und Acker bei Pendels aus. Daß auf seinem Boden die vollständigste Kollektion deutschen Unkrauts voll Macht und Herrlichkeit


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