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Sophienlust Staffel 15 – Familienroman. Elisabeth SwobodaЧитать онлайн книгу.

Sophienlust Staffel 15 – Familienroman - Elisabeth Swoboda


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ist die Flasche kaputt.« Er schaute den Wirt bittend an, aber so unterwürfig, dass Daniel es nicht ertragen konnte. Er blickte weg.

      »Tut mir leid, Jens. Eine zweite Flasche kann ich dir ohne Geld nicht geben.«

      »Aber ich habe kein Geld mehr.« Jetzt war Panik in der Stimme des Jungen. »Vater hat mir nur Geld für eine Flasche gegeben.«

      »Und wenn du sie nicht bringst, gibt’s Prügel, was?«

      Jens senkte den Blick und schluckte. Dann drehte er sich um und schlich wie ein geprügelter Hund aus der Wirtsstube.

      »Warte«, rief Daniel ihm nach. Er wusste selbst nicht, warum er das tat. »Er tut mir leid«, sagte er zu dem Wirt auf dessen fragenden Blick hin.

      Jens war an der Tür stehen geblieben.

      »Schreiben Sie eine Flasche Korn auf meine Rechnung«, sagte Daniel. Die Flasche gab er Jens. »Hier. Aber lass dir nicht wieder ein Bein stellen.«

      »Nein, bestimmt nicht.« Jens schüttelte eifrig den Kopf. »Danke«, sagte er dann scheu.

      »Na, lauf schon.« Daniel gab dem Jungen einen Klaps auf die Schulter. »Dein Vater wartet doch sicher auf dich.«

      Ein seltsamer Blick aus scheuen Kinderaugen traf Daniel. Dann lief der Junge aus dem Lokal.

      »Aus der Nähe sieht er ja noch erbärmlicher aus«, sagte Daniel zu dem Wirt, der ihn neugierig musterte.

      »Sie sind der Erste, der Mitleid mit Jens hat«, meinte der Wirt. »Anfangs tat er allerdings allen leid. Die ganzen Nissen-Kinder taten uns leid.«

      »Wie viele sind es denn?«

      »Sechs insgesamt. Der Vater ist ein Säufer. Seine Kinder und seine Frau beziehen regelmäßig Prügel von ihm. Er ist ein brutaler Grobian.«

      »Ein Einheimischer?«, fragte Daniel.

      »Nein. Seine Frau ist von hier. Sogar aus Gmund. Geschieht ihr ganz recht. Warum muss sie einen Fremden heiraten?«

      »Wieso fremd?«, fragte Daniel, der in dieser Hinsicht großzügiger dachte. »Ist er kein Deutscher?«

      »Natürlich ist er ein Deutscher«, antwortete der Wirt entrüstet. »Aber kein Bayer. Von irgendeiner Insel in der Ostsee kommt er, glaube ich. Er war früher Fischer. Jetzt ist er Landarbeiter. Aber das bisschen Geld, das er verdient, versäuft er wieder. Und seine Familie läuft in Lumpen herum. Sie haben den Jungen ja gesehen.«

      Daniel nickte. »Erbärmlich sah er aus.«

      »So sehen sie alle aus, die NissenKinder. Aber das Mitleid habe ich mir abgewöhnt. Sonst müsste ich nämlich jeden Abend eine Flasche Korn umsonst herausrücken. Das, was Sie heute Abend gesehen haben, passiert öfters. Die anderen Dorfkinder hänseln und ärgern Jens, wo sie nur können. Sie lachen ihn aus, weil er einen Trunkenbold zum Vater hat. Und was das für einen Jungen in dem Alter bedeutet, können Sie sich ja vorstellen.«

      Daniel nickte. In Jens’ Alter müsste mein Sohn auch sein, dachte er. Womöglich wächst er in ähnlichen Verhältnissen auf. Dieser Gedanke erschreckte ihn sehr.

      Der Wirt hing seinen eigenen Gedanken nach und schüttelte darüber entrüstet den Kopf.

      »Und das Geld, das er für Jens bekommt, versäuft er auch noch, dieser alte Trunkenbold.«

      Daniel horchte auf. »Wieso bekommt der Vater für den Jungen Geld?«

      »Keine Ahnung. Es wird hier im Dorf so einiges gemunkelt.«

      »Zum Beispiel?« Daniel war plötzlich nervös.

      »Ich weiß nicht, ob ich darüber reden soll«, sagte der Wirt, sprach aber gleich weiter, ohne Daniels Aufforderung abzuwarten. »Manche behaupten, Jens gehöre gar nicht zu den Nissen-Kindern.«

      Es klirrte, und vor Daniel bildete sich eine Bierlache. Er hatte sein halbvolles Glas umgestoßen.

      »Halb so wild«, sagte die Bedienung lachend und reinigte den Platz an der Theke.

      »Jetzt brauche ich natürlich ein neues Bier«, sagte Daniel.

      Lachend schenkte der Wirt ein und erzählte dabei weiter: »Der alte Nissen streitet natürlich ab, dass er jeden Monat Geld bekommt. Er streitet auch ab, dass das Geld für Jens ist. Der Junge sei sein leibliches Kind, behauptete er. Aber niemand glaubt ihm das.«

      »Warum eigentlich nicht?«, fragte Daniel.

      Ein Achselzucken war die Antwort. »So genau kann ich Ihnen das auch nicht sagen. Ich weiß nur, dass geredet wird. Und irgendwo muss das Gerede ja herkommen, nicht wahr?«

      Daniel nickte. »Vollkommen richtig. Von nichts kommt nichts.« Seine Gedanken arbeiteten fieberhaft. Ich könnte die richtige Spur gefunden haben, dachte er. Schon setzte er die Unterhaltung mit dem Wirt fort. Dabei erfuhr er, dass die Familie Nissen erst vor Kurzem wieder nach Gmund zugezogen war, obwohl die Ehefrau eigentlich eine gebürtige Gmunderin war. »Sie haben lange Zeit oben an der Ostsee gelebt«, berichtete der Wirt.

      Ich muss unbedingt mit dem alten Nissen sprechen, dachte Daniel. Vielleicht kann ich ihn so weit bringen, dass er mir die Wahrheit erzählt.

      Er schaute auf die Uhr. Es war schon spät. »Wo wohnen die Nissens eigentlich?«, fragte er den Wirt.

      Der erklärte ihm arglos den Weg.

      »Geben Sie mir eine Flasche Korn und schreiben Sie sie auf meine Rechnung«, verlangte Daniel.

      Der Wirt gab ihm die Flasche und schaute Daniel entgeistert nach, als er damit das Lokal verließ. »Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt!«, murmelte er. »Jetzt geht er glatt zu dem alten Nissen. Mit einer Flasche Korn.« Kopfschüttelnd starrte er auf die Tür, die Daniel hinter sich geschlossen hatte.

      Daniel fand das kleine Haus ohne Schwierigkeiten. Gott sei Dank, es brannte noch Licht. Aber die Kinder würden wahrscheinlich schon in den Betten liegen. Das war gut so.

      Daniel klingelte. Er musste lange warten, bis die Tür geöffnet wurde. Im Türrahmen stand der kleine Jens und schaute ihn erschrocken an.

      »Kann ich deinen Vater sprechen, Jens?«

      »Der …« Jens stockte. Der schläft schon, hatte er sagen wollen, obwohl das nicht stimmte.

      Aber der Vater war so betrunken, dass Jens sich für ihn schämte. Deshalb hatte er eine Ausrede gebrauchen wollen.

      Heinrich Nissen hatte den Besucher schon entdeckt und kam nun in die Diele gewankt, wobei er an der Wand und an den spärlichen Möbeln mit beiden Armen Halt suchte.

      »Der Mann will dich sprechen, Vater.«

      Mit einer groben Bewegung schob der Alte den Jungen beiseite. »Was wollen Sie?«

      Wortlos streckte Daniel dem Alten die Flasche Korn entgegen. Er sah, dass Nissens Augen aufleuchteten.

      »Das ist …, das ist …« Der Fischer vergaß sich zu bedanken und streichelte stattdessen die Flasche. »Kommen Sie ins Wohnzimmer, Herr …?«

      »Fernau ist mein Name«, sagte Daniel. Er fing dabei einen schüchternen, aber doch neugierigen Blick von Jens auf.

      »Geh ins Bett«, herrschte der Betrunkene den Jungen an.

      Jens verschwand hinter einer Tür, und Daniel trat mit dem alten Nissen ins Wohnzimmer. Das heißt, er betrat den Raum, den Nissen als Wohnzimmer bezeichnete. Erschüttert erkannte er die Not, aber auch den Schmutz in dem engen Zimmer.

      »Meine Frau schläft schon«, sagte Heinrich Nissen und deutete mit einer unkontrollierten Geste zum nächsten Stuhl.

      Daniel fasste das als Einladung auf und setzte sich. Er trank auch den Schnaps, den Nissen ihm anbot. Dabei registrierte er erstaunt, dass die Flasche, die Jens gekauft hatte, schon fast leer war.

      »Auf Ihr Wohl, Herr Nissen.«

      Der Fischer schaute auf,


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