Sophienlust Staffel 15 – Familienroman. Elisabeth SwobodaЧитать онлайн книгу.
kam zurück ins Wohnzimmer. »Ich habe es Herrn Lüscher ausgerichtet. Aber er kommt nicht.«
Jürgen sprang auf. Jetzt war seine Geduld zu Ende. Er suchte Fritz Lüscher zuerst in seinem Zimmer. Doch dort war er nicht mehr. Schließlich fand er ihn im Stall. »Ich habe mit Ihnen zu sprechen.«
»Aber ich nicht mit Ihnen«, antwortete der Verwalter frech.
Jürgen versuchte höflich zu bleiben, obwohl ihm das schwerfiel. »Ich ersuche Sie ein letztes Mal, mich ins Haus zu begleiten und meine Fragen zu beantworten.«
»Ich denke nicht daran.« Fritz Lüscher fuhr fort, ein Reitpferd zu satteln.
»Gut«, sagte Jürgen. »Wir können auch anders miteinander reden. Kraft meiner Vollmacht als Vertreter von Frau Rauscher entlasse ich Sie hiermit fristlos.«
Fritz Lüscher fiel das Pferdegeschirr aus der Hand. Sprachlos starrte er den Arzt an. Mit einer Entlassung hatte er nicht gerechnet.
»Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass ich mir das bieten lasse?«, fragte er schließlich und ging drohend auf Jürgen zu.
Der Arzt verlor jedoch keine Sekunde seine Beherrschung. »Wenn Sie nicht bis heute Abend das Gut verlassen haben, informiere ich die Polizei. Dann lasse ich Sie mit Gewalt von hier wegbringen. Außerdem mache ich Sie darauf aufmerksam, dass ich mir vorbehalte, Sie wegen Betrugs und Unterschlagung anzuzeigen.«
Fritz Lüscher schnappte nach Luft. Als er endlich wieder einigermaßen klar denken konnte, hatte Jürgen den Stall bereits verlassen. Er blieb den ganzen Nachmittag im Haus, um Fritz Lüscher zu beobachten.
»Wenn Sie nicht auf ihn aufpassen, dann stiehlt er noch in der letzten Stunde alles zusammen, was nur geht«, hatte die Köchin gesagt.
Deshalb blieb Jürgen im Wohnzimmer sitzen und wartete darauf, dass Fritz Lüscher das Gut verließ. »Sie werden noch von mir hören«, zischte der ehemalige Verwalter, als er mit einem kleinen Koffer aus dem Haus ging.
Jürgen nahm die Drohung nicht ernst. Er vergaß den Betrüger, der Jutta in so erhebliche finanzielle Verluste gestürzt hatte.
Der Gutsbetrieb musste weiterlaufen, wenn die Verluste nicht ins Uferlose steigen sollten. Deshalb fuhr Jürgen noch am gleichen Tag zu einem Mann, der einen Verwalterposten suchte. Dieser war nicht mehr jung, dafür aber verlässlich und erfahren. Jürgen hatte schon vor Lüschers Entlassung mit ihm gesprochen. Jetzt stellte er ihn als neuen Verwalter auf Gut Riederau ein.
Darüber freute sich am meisten die alte Köchin. »Endlich wird Ordnung hier einkehren«, sagte sie zu Jürgen. »Der Neue macht einen ordentlichen Eindruck. Das ist bestimmt kein zweiter Lüscher.«
Der Meinung war auch Jürgen. Er hatte sich den Mann genau angesehen, bevor er sich zu einer Einstellung entschlossen hatte. Das war er schließlich Jutta schuldig.
Jutta! Bei dem Gedanken an sie begann Jürgen zu lächeln. Er freute sich auf das Wiedersehen mit ihr und darauf, dass er ihr sagen konnte, dass ihre Angelegenheiten nun geregelt waren, dass sie sich keine Sorgen mehr zu machen brauchte. Das würde ihre Genesung vorantreiben.
Diese Vorstellung machte Jürgen unglücklich, sosehr er sich auch dagegen wehrte. Langsam stieg er in seinen Wagen ein, der auf dem Gutshof vor dem Herrenhaus stand. Er hatte seinen Auftrag erledigt.
Vor der Haustür stand der neue Verwalter und winkte Jürgen nach. Heinz Hübner hieß der Mann. Er hat ein grundehrliches Gesicht, dachte Jürgen, während er zurückwinkte. Mit ihm habe ich einen guten Griff getan. Er wird Jutta nicht betrügen.
Damit waren seine Gedanken schon wieder bei Jutta. Und sie blieben bei ihr während der ganzen Fahrt.
Als Jürgen das Krankenhaus in Stuttgart endlich erreichte, war es schon später Abend. Trotzdem wollte er noch mit Jutta sprechen. Er musste sie ganz einfach sehen.
Die Nachtschwester schaute vorwurfsvoll auf die Uhr. »Wissen Sie, wie spät es ist, Herr Doktor?«
»Ich weiß es. Kurz vor zehn. Die Nachtruhe der Patienten hat schon begonnen. Aber ich glaube kaum, dass Frau Rauscher schon schläft. Sie wartet bestimmt auf eine Nachricht von mir.«
Über die Art, wie er das sagte, musste die Schwester lächeln. »Ich glaube, Sie könnten sogar den Teufel überreden, Sie in den Himmel zu begleiten«, sagte sie zu Jürgen.
»Das käme auf einen Versuch an.« Schmunzelnd ging er zu Juttas Zimmer.
Jutta schlief noch nicht. Hellwach lag sie in ihrem Bett und fragte sich, wann Jürgen wohl zurückkommen würde – und mit welchen Nachrichten.
Da öffnete sich leise die Tür. Jutta dachte, es sei die Schwester. Nur langsam wandte sie den Kopf. Als sie Jürgen sah, richtete sie sich abrupt auf. »Jürgen!«
»Nicht so laut«, mahnte er. »Und bleib vor allem liegen.« Er drückte sie zurück in die Kissen und setzte sich an ihr Bett. »Wie geht es dir?«, fragte er zärtlich.
»Besser.«
»Das freut mich.« Er erzählte ihr nun von seinem Besuch in Riederau. Dabei hielt er ihre Hände. So spürte er jede Regung, die von ihr ausging. Als er von Lüschers Entlassung sprach, lehnte sie sich erleichtert zurück in die Kissen. »Gott sei Dank«, flüsterte sie. »Dieser Verwalter war ein Albtraum für mich. Er war respektlos und anzüglich.«
Jürgen nickte. »Jetzt hast du einen Verwalter, auf den du dich verlassen kannst. Für diesen Mann verbürge ich mich.«
Sie schaute zu ihm auf. »Wie kann ich dir nur je für alles danken, Jürgen?«
»Indem du möglichst schnell gesund wirst«, antwortete er spontan.
Sie schaute ihn fast enttäuscht an. »Ist das alles? Mehr verlangst du nicht?«
Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Er hätte zwar gern mehr verlangt, wagte es aber nicht. Und so blieb es bei dieser vagen Andeutung gegenseitiger Sympathie.
*
Es war nur ein paar Tage nach Jürgens Besuch auf Riederau. Heinz Hübner, der neue Verwalter, hatte sich sehr schnell eingearbeitet. Er war überall beliebt. Nicht nur bei dem Personal des Gutes, auch bei den Nachbarn. Deshalb kam man ihm entgegen und half ihm, wo es nur ging.
Um über alles genau Buch zu führen, saß er in den ersten Tagen bis spät in die Nacht hinein in seinem Zimmer über seinen Aufzeichnungen.
Es war am sechsten Abend seines Aufenthaltes. Da glaubte er, vor dem Haus verdächtige Geräusche gehört zu haben. Sie waren von der Scheune gekommen.
Das Licht hatte Heinz Hübner kurz zuvor gelöscht. Er war gerade im Begriff gewesen, zu Bett zu gehen, als er dieses seltsame Schlurfen auf dem Gutshof gehört hatte.
Jetzt trat der Verwalter zu dem geöffneten Fenster und spähte hinaus. Aber er konnte nicht viel sehen. Mond und Sterne waren von Wolken verdeckt. Der Gutshof und die Stallungen lagen im Dunkeln.
Wahrscheinlich war es eine Katze, sagte Heinz Hübner sich. Schon wollte er zu Bett gehen, da hörte er das Geräusch ein zweites Mal. Diesmal länger und deutlicher. Das ist keine Katze, erkannte er und trat wieder zum Fenster.
Minutenlang starrte er in die undurchdringliche Dunkelheit. Doch das Geräusch wiederholte sich nicht. Also trat er wieder zurück ins Zimmer und begann, sein Hemd aufzuknöpfen.
Doch plötzlich, einer ganz impulsiven Eingebung folgend, knöpfte er es wieder zu. Er nahm seine Jacke und verließ das Zimmer. Im Dunkeln ging er die Treppe hinunter. Er tastete sich vorsichtig durch die Halle und sperrte leise die Haustür auf. Auf der Freitreppe verharrte er einige Augenblicke regungslos. Doch jetzt war nichts mehr zu hören.
Trotzdem ging der Verwalter weiter. Er musste sich Gewissheit verschaffen. Entweder hatte er nur geträumt – oder bei der Scheune hatte sich tatsächlich etwas bewegt und diese seltsamen Geräusche verursacht. Das konnte natürlich auch ein Tier gewesen sein.
Heinz Hübner überquerte den Hof, ohne seine Taschenlampe