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Der Stechlin. Theodor FontaneЧитать онлайн книгу.

Der Stechlin - Theodor Fontane


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Was Sie da sagen, berührt eine grosse Frage, bei der man doch aufpassen muss. Und so mit dem Messer in der Hand, da verbietet sich’s. Und das eine wacklige Licht hat ohnehin schon einen Dieb. Erzählen Sie mir lieber was von der Frau von Gundermann. Debattieren kann ich nicht mehr, aber wenn Sie plaudern, brauchʼ ich bloss zuzuhören. Sie haben ihr ja bei Tisch ʼnen langen Vortrag gehalten.“

      „Ja. Und noch dazu über Ratten.“

      „Nein, Szako, davon dürfen Sie jetzt nicht sprechen; dann doch lieber über alten und neuen Glauben. Und gerade hier. In solchen alten Kasten ist man nie sicher vor Spuk und Ratten. Wenn Sie nichts andres wissen, dann bitt’ ich um die Geschichte, bei der wir heute früh in Kremmen unterbrochen wurden. Es schien mir was Pikantes.“

      ,,Ach, die Geschichte von der kleinen Stubbe. Ja, hören Sie, Rex, das regt Sie aber auch auf. Und wenn man nicht schlafen kann, ist es am Ende gleich, ob wegen der Ratten oder wegen der Stubbe.“

      5

      Rex und Czako maren so müde, dass sie sich, wenn nötig, über Spuk und Ratten weggeschlafen hätten. Aber es war nicht nötig, nichts war da, was sie hätte stören können. Kurz vor acht erschien das alte Faktotum mit einem silbernen Deckelkrug, aus dem der Wrasen heissen Wassers aufstieg, einem der wenigen Renommierstücke, über die Schloss Stechlin verfügte. Dazu bot Engelke den Herren einen guten Morgen und stattete seinen Wetterbericht ab: Es gebe gewiss einen schönen Tag, und der junge Herr sei auch schon auf und gehe mit dem alten um das Rundell herum.

      So war es denn auch. Woldemar war schon gleich nach sieben unten im Salon erschienen, um mit seinem Vater, von dem er musste, dass er ein Frühauf war, ein Familiengespräch über allerhand diffizile Dinge zu führen. Aber er war entschlossen, seinerseits damit nicht anzufangen, sondern alles von der Neugier und dem guten Herzen des Vaters zu erwarten. Und darin sah er sich auch nicht getäuscht.

      ,,Ah, Woldemar, das ist recht, dass du schon da bist. Nur nicht zu lang im Bett. Die meisten Langschläfer haben einen Knacks. Es können aber sonst ganz gute Leute sein. Ich wette, dein Freund Reg schläft bis neun.“

      ,,Nein, Papa, der gerade nicht. Wer wie Rex ist, kann sich das nicht gönnen. Er hat nämlich einen Verein gegründet für Frühgottesdienste, abwechselnd in Schönhausen und Finkenkrug. Aber es ist noch nicht perfekt geworden.“

      ,,Freut mich, dass es noch hapert. Ich mag so was nicht. Der alte Wilhelm hat zwar seinem Volke die Religion wiedergeben wollen, was ein schönes Wort von ihm war — alles, was er tat und sagte, war gut —, aber Religion und Landpartie, dagegen bin ich doch. Ich bin überhaupt gegen alle falschen Mischungen. Auch bei den Menschen. Die reine Rasse, das ist das eigentlich Legitime. Das andre, was sie nebenher noch Legitimität nennen, das ist schon alles mehr künstlich. Sage, wie steht es denn eigentlich damit? Du weisst schon, was ich meine.“

      „Ja, Papa...“

      „Nein, nicht so; nicht immer bloss ja, Papaʻ. So fängst du jedesmal an, wenn ich auf dies Thema komme. Da liegt schon ein halber Refus drin oder ein Hinausschieben, ein Abmartenmollen. Und damit kann ich mich nicht befreunden. Du bist jetzt zweiunddreissig oder doch beinah, da muss der mit der Fackel kommen; aber du fackelft (verzeih den Kalauter, ich bin eigentlich gegen Kalauer, die sind so mehr für Handlungsreisende), also ou fackelst, sag’ ich, und ist kein Ernst dahinter. Und soviel kann ich dir ausserdem sagen, deine Tante Sanctissima drüben in Kloster Wutz, die wird auch schon ungeduldig. Und das sollte dir zu denken geben. Mich hat sie zeitlebens schlecht behandelt; wir stimmten eben nie zusammen und konnten auch nicht, denn so halb Königin Elisabeth, halb Kaffeeschwester, das is ʼne Melange, mit der ich mich nie habe befreunden können. Ihr drittes Wort ist immer ihr Rentmeister Fix, und wäre sie nicht sechsundsiebzig, so erfänd’ich mir eine Geschichte dazu.“

      ,,Mach es gnädig, Papa. Sie meint es ja doch gut. Und mit mir nun schon ganz gewiss.“

      „Gnädig machen? Ja, Woldemar, ich will es versuchen. Nur fürcht’ ich, es wird nicht viel dabei herauskommen. Da heisst es immer, man solle Familiengefühl haben, aber es wird einem doch auch zu blutsauer gemacht, und ich kann umgekehrt der Versuchung nicht widerstehen, eine richtige Familienkritik zu üben. Adelheid fordert sie geradezu heraus. Andrerseits freilich, in dich ist sie wie vernarrt, für dich hat sie Geld und Liebe. Was davon wichtiger ist, stehe dahin; aber soviel ist gerviss, ohne sie wärʼ es überhaupt gar nicht gegangen, ich meine dein Leben in deinem Regiment. Also wir haben ihr zu danken, und weil sie das geradesogut weiss wie wir oder vielleicht noch ein bisschen besser, gerade deshalb wird sie ungeduldig; sie wil Taten sehen, was vom Weiberstandpunkt aus allemal soviel heisst wie Verheiratung. Und wenn man will, kann man es auch so nennen, ich meine Taten. Es ist und bleibt ein Heroismus. Wer Tante Adelheid geheiratet hätte, hätte sich die Tapferkeitsmedaille verdient, und wenn ich schändlich sein wollte, so sagte ich das Eiserne Kreuz.“

      ,,Ja, Papa...“

      „Schon wieder ,ja, Papaʻ. Nun, meinetwegen, ich will dich schliesslich in deiner Lieblingswendung nicht stören. Aber bekenne mir nebenher — denn das ist doch schliesslich das, um was sich’s handelt —, liegst du mit was im Anschlag, haft du was auf dem Korn?“

      „Papa, diese Wendungen erschrecken mich beinah. Aber wenn denn schon so jägermässig gesprochen werden soll, ja; meine Wünsche haben ein bestimmtes Ziel, und ich darf sagen, mich beschäftigen diese Dinge.“

      „Mich, beschäftigen diese Dinge...‘ Nimm mir’s nicht übel, Woldemar, das ist ja gar nichts. Beschäftigen! Ich bin nicht fürs Poetische, das ist für Gouvernanten und arme Lehrer, die nach Görbersdorf müssen (bloss, dass sie meistens kein Geld dazu haben), aber diese Wendung ,sich beschäftigen‘, das ist mir denn doch zu prosaisch. Wenn es sich um solche Dinge wie Liebe handelt (wiewohl ich über Liebe nicht viel günstiger denke wie über Poesie, bloss dass Liebe doch noch mehr Unheil anrichtet, weil sie noch allgemeiner auftritt) — wenn es sich um Dinge wie Liebe handelt, so darf man nicht sagen, ich habe mich damit beschäftigt‘. Liebe ist doch schliesslich immer was Forsches, sonst kann sie sich ganz und gar begraben lassen, und da möcht’ ich denn doch etwas von dir hören, was ein bisschen wie Leidenschaft aussieht. Es braucht ja nicht gleich was Schreckliches zu sein. Aber so ganz ohne Stimulus, wie man, glaub’ ich, jetzt sagt, so ganz ohne so was geht es nicht; alle Menschheit ist darauf gestellt, und wo’s einschläft, ist so gut wie alles vorbei. Nun weiss ich zwar recht gut, es geht auch ohne uns, aber das ist doch alles bloss etmas, was einem von Verstandes wegen aufgezwungen wird; das egoistische Gefühl, das immer unrecht, aber auch immer recht hat, will von dem allem nichts wissen und besteht darauf, dass die Stechline weiterleben, wenn es sein kann, in aeternum. Emig weiterleben — ich räume ein, es hat ein bisschen was Komisches, aber es gibt wenig ernste Sachen, die nicht auch eine komische Seite hätten... Also dich ,beschäftigen’ diese Dinge. Kannst du Namen nennen? Auf wem haben Eurer Hoheit Augen zu ruhen geruht?“

      ,,Papa, Namen darf ich noch nicht nennen. Ich bin meiper Sache noch nicht sicher genug, und das ist auch der Grund, warum ich Wendungen gebraucht habe, die dir nüchtern und prosaisch erschienen sind. Ich kann dir aber sagen, ich hätte mich lieber anders ausgedrückt; nur darf ich es noch nicht. Und dann weiss ich ja auch, dass du selber einen abergläubischen Zug haft und ganz aufrichtig davon ausgehst, dass man sich sein Glück verreden kann, wenn man zu früh oder zuviel davon spricht.“

      „Brav, brav. Das gefällt mir. So ist es. Wir sind immer von neidischen und boshaften Wesen mit Fuchsschwänzen und Fledermausflügeln umstellt, und wenn wir renommieren oder sicher tun, dann lachen sie. Und wenn sie erst lachen, dann sind wir schon so gut wie verloren. Mit unsrer eignen Kraft ist nichts getan, ich habe nicht den Grashalm sicher, den ich hier ausreisse. Demut, Demut... Aber trotzdem kommʼ ich dir mit der naiven Frage (denn man widerspricht sich in in einem fort), ist es was Vornehmes, was Piekfeines?“

      „Piekfein, Papa, will ich nicht sagen. Aber vornehm gewiss.“

      „Na, das freut mich. Falsche Vornehmheit ist mir ein Greuel; aber richtige Vornehmheit — à la bonne heure. Sage mal, vielleicht was vom Hofe?“

      „Nein, Papa.“

      „Na, desto besser. Aber da kommen ja die Herren. Der Rex sieht


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