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Der Stechlin. Theodor FontaneЧитать онлайн книгу.

Der Stechlin - Theodor Fontane


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eben alles — der reine Robinson.“

      ,Ja, Stechlin“, warf Czako hier ein, „Sie sagen das so hin, als ob Sie’s bespötteln wolten. Eigentlich ist es doch aber was Grosses, sich immer selber helfen zu können. Er wird wohl ’nen Sparren haben, zugegeben, aber Ihrem gepriesenen Lorenzen ist er denn doch um ein gut Stück überlegen. Schon weil er ein Original ist und ein Eulengesicht hat. Eulengesichtsmenschen sind anderen Menschen fast immer überlegen.“

      „Aber Czako, ich bitte Sie, das ist ja doch alles Unsinn. Und Sie wissen es auch. Sie möchten nur, ganz wie Rex, wenn auch aus einem andern Motiv, dem armen Lorenzen was am Zeug flicken, bloss weil Sie herausfühlen: das ist eine lautere Persönlichkeit.“

      „Da tun Sie mir unrecht, Stechlin. Ganz und gar. Ich bin auch fürs Lautere, wenn ich nur persönlich nicht in Anspruch genommen werde.“

      „Nun, davor sind Sie sicher — vom Brombeerstrauch Keine Trauben. Im übrigen muss ich hier abbrechen und Sie bitten, mich auf ein Weilchen entschuldigen zu wollen. Ich muss da nämlich nach dem Forsthause hinüber, da drüben neben der Waldecke.“

      „Aber Stechlin, was wollen Sie denn bei ’nem Förster?“

      „Kein Förster. Es ist ein Oberförster, zu dem ich will, und zwar derselbe, den Sie gestern abend bei meinem Papa gesehn haben. Oberförster Katzler, bürgerlich, aber doch beinah schon historischer Name.“

      „Soso; jedenfalls nach dem, was mir Rex erzählt, ein brillanter Billardspieler. Und doch, wenn Sie nicht ganz intim mit ihm sind, find’ ich diesen Abstecher übertrieben artig.“

      „Sie hätten recht, Czako, wenn es sich lediglich um Katzler handelte. Das ist aber nicht der Fall. Es handelt sich nicht um ihn, sondern um seine junge Frau.“

      „A la bonne heure.“

      „Ja, da sind Sie nun auch wieder auf einer falschen Fährte. So was kann nicht vorkommen, ganz abgesehen davon, dass mit Oberförstern immer schlecht Kirschenpflücken ist; die blasen einen weg, man weiss nicht wie . . . Es handelt sich hier einfach um einen Teilnahmebesuch, um etwas, wenn Sie wollen, schön Menschliches. Frau Katzler erwartet nämlich.“

      „Aber mein Gott, Stechlin, Ihre Worte werden immer rätselhafter. Sie können doch nicht bei jeder Oberförstersfrau, die ‚erwartet‘, eine Visite machen wollen. Das wäre denn doch eine Riesenaufgabe, selbst wenn Sie sich auf Ihre Grafschaft hier beschränken wollten.“

      „Es liegt alles ganz exzeptionell. Übrigens mach’ ich es kurz mit meinem Besuch, und wenn Sie Schritt reiten, worum ich bitte, so hol’ ich Sie bei Genshagen toch wieder ein. Von da bis Wutz haben wir kaum noch eine Stunde, und wenn wir’s forcieren wollen, keine halbe.“

      Und während er noch so sprach, bog er rechts ein und ritt auf das Forsthaus zu.

      Woldemar hatte die Mitte zwischen Rex und Czako gehabt; jetzt ritten diese beiden nebeneinander. Czako war neugierig und hätte gern Fritz herangerufen, um dies und das über Katzler und Frau zu hören. Aber er sah ein, dass das nicht ginge. So blieb ihm nichts als ein Meinungsaustausch mit Rex.

      „Sehn Sie“, hob er an, „unser Freund Woldemar, trabt er da nicht hin, wie wenn er dem Glücke nachjagte? Glauben Sie mir, da steckt ’ne Geschichte dahinter. Er hat die Frau geliebt oder liebt sie noch. Und dies merkwürdige Interesse für den in sicht stehenden Erdenbürger. Übrigens vielleicht ein Mädchen. Was meinen Sie dazu, Rex?“.

      „Ach, Czako, Sie wollen ja doch nur hören, mas Ihrer eignen frivolen Natur entspricht. Sie haben keinen Glauben an reine Verhältnisse. Sehr mit Unrecht. Ich kann Ihnen versichern, es gibt dergleichen.“

      „Nun ja, Sie, Rex. Sie, der sich Frühgottesdienste leistet. Aber Stechlin . . .“

      „Stechlin ist auch eine sittliche Natur. Sittlichkeit ist ihm angeboren, und was er von Natur mitbrachte, das hat sein Regiment weiter in ihm ausgebildet.“

      Czako lachte. „Nun hören Sie, Rex, Regimenter kenn’ ich doch auch. Es gibt ihrer von allen Arten, aber Sittlichkeitsregimenter kenn’ ich noch nicht.“

      „Es gibt’s ihrer aber. Zum mindesten hat’s ihrer immer gegeben, sogar solche mit Askese.“

      „Nun ja, Cromwell und die Puritaner. Aber long, long ago. Verzeihen Sie die abgedudelte Phrase. Aber wenn sich’s um so feine Dinge wie Askese handelt, muss man notwendig einen englischen Brocken einschalten. In Wirklichkeit bleibt alles beim alten. Sie sind ein schlechter Menschenkenner, Rex, wie alle Konventikler. Die glauben immer, was sie wünschen. Und auch an unserm Stechlin werden Sie mutmasslich erfahren, wie falsch Sie gerechnet haben. Im übrigen kommt da gerade zu rechter Zeit ein Wegweiser. Lassen Sie uns nachsehen, wo wir eigentlich sind. Wir reiten so immer drauflos und wissen nicht mehr, ob links oder rechts.“

      Rex, der von dem Wegweiser nichts wissen wollte, war einfach für Weiterreiten, und das war auch das richtige. Denn keine halbe Stunde mehr, so holte Stechlin sie wieder ein. „Ich wusste, dass ich Sie noch vor Genshagen treffen würde. Die Frau Oberförsterin lässt sich übrigens den Herren empfehlen. Er war nicht da, was recht gut war.“

      „Kann ich mir denken“, sagte Czako.

      „Und was noch besser war, sie sah brillant aus. Eigentlich ist sie nicht hübsch, Blondine mit grossen Vergissmeinnichtaugen und etwas lymphatisch; auch wohl nicht ganz gesund. Aber sonderbar, solche Damen, wenn was in sicht ein Zustand, der allerdings bei der Katzler kaum vorkommt. Sie ist noch nicht volle sechs Jahre verheiratet und erwartet mit nächstem das ‚Siebente‘.“

      „Das ist aber doch unerhört. Ich glaube, so was ist Scheidungsgrund.“

      „Mir nicht bekannt und auch, offen gestanden, nicht sehr wahrscheinlich. Jedenfalls wird es die Prinzessin nicht als Scheidungsgrund nehmen.“

      „Die Prinzessin?“ fuhren Rex und Czako a tempo heraus.

      „Ja, die Prinzessin“, wiederholte Woldemar. „Ich war all die Zeit über gespannt, was das wohl für einen Eindruck auf Sie machen würde, weshalb ich mich auch gehütet habe, vorher mit Andeutungen zu kommen. Und es traf sich gut, dass mein Vater gestern abend nur so ganz leicht drüber hinging, ich möchte beinah sagen diskret, was sonst nicht seine Sache ist.“

      „ Prinzessin“, wiederholte Rex, dem die Sache beinah den Atem nahm. „Und aus einem regierenden Hause?“

      „Ja, was heisst aus einem regierenden Hause? Regiert haben sie alle mal. Und soviel ich weiss, wird ihnen dies ,mal regiert haben‘ auch immer noch angerechnet, wenigstens sowie sich’s um Eheschliessungen handelt. Um so grossartiger, wenn einzelne der hier in Betracht kommenden Damen auf alle diese Vorrechte verzichten und ohne Rücksicht auf Ebenbürtigkeit sich aus reiner Liebe vermählen. Ich sage ,vermählen‘, weil sich verheiraten‘ etwas plebeje klingt. Frau Katzler ist eine Ippe-Büchsenstein.“

      „Eine Ippe!“ sagte Rex. „Nicht zu glauben. Und erwartet wieder. Ich bekenne, dass mich das am meisten schokkiert. Diese Ausgiebigkeit, ich finde kein anderes Wort, oder richtiger, ich will kein anderes finden, ist doch eigentlich das Bürgerlichste, was es gibt.“

      „Zugegeben. Und so hat es die Prinzessin auch wohl selber aufgefasst. Aber das ist gerade das Grosse an der Sache; ja, so sonderbar es klingt, das Ideale.“

      „Stechlin, Sie können nicht verlangen, dass man das so ohne weiteres versteht. Ein halb Dutzend Bälge, wo steckt da das Ideale?“

      „Doch, Rex, doch. Die Prinzessin selbst, und das ist das Rührendste, hat sich darüber ganz unumwunden ausgesprochen. Und zwar zu meinem Alten. Sie sieht ihn öfter und möcht’ ihn, glaub’ ich, bekehren — sie ist nämlich von der strengen Richtung und hält sich auch zu Superintendent Koseleger, unserem Papst hier. Und kurz und gut, sie macht meinem Papa beinah den Hof und erklärt ihn für einen perfekten Kavalier, wobei Katzler immer ein etwas süsssaures Gesicht macht, aber natürlich nicht widerspricht.“

      „Und wie kam sie nur dazu, Ihrem Papa gerade confessions in einer so delikaten Sache zu machen?“

      „Das


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