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Der Stechlin. Theodor FontaneЧитать онлайн книгу.

Der Stechlin - Theodor Fontane


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Sache.“ Diese Worte — wie denn der Eltern Tun mur allzu häufig der Missbilligung der Kinder begegnet — richteten sich in Wirklichkeit gegen seinen dreimal verheiratet geresenten Vater, an dem er überhaupt allerlei Grosses und Kleines auszusetzen hatte, so beispielsweise auch, dass man ihm, dem Sohne, den pommerschen Namen „Dubslao“ beigelegt hatte. „Gemiss, meine Mutter war eine Pommersche, noch dazu von der Insel Usedom, und ihr Bruder, fun ja, der hiess Dubslav. Und so war denn gegen den Namen schon um des Dukels willen nicht viel einzuwenden, und um so weniger, als er ein Erbonkel war. (Dass er mich schliesslich schändlich im Stich gelassen, ist eine Sache für sich.) Aber trotzdem bleib’ ich dabei, folche Namensmanscherei verwirrt bloss. Was ein Märkischer ist, der muss Joachim heissen oder Woldemar. Bleib im Lande und taufe dich redlich. Wer aus Friesack is, darf nicht Raoul heissen.“

      Dubslav von Stechlin blieb also Witmer. Das ging nun schon an die dreissig Jahre. Anfangs war’s ihm schwer geworden, aber jetzt lag alles hinter ihm, und er lebte „comme philosophe“ nach dem Wort und Vorbild des grossen Königs, zu dem er jederzeit bewundernd aufblickte. Das war sein Mann, mehr als irgendwer, der sich seitdem einen Namen gemacht hatte. Das zeigte sich jedesmal, wenn ihm gesagt wurde, dass er einen Bismarckkopf habe. ,,Nun ja, ja, den hab’ ich; ich soll ihm sogar ähnlich sehen. Aber die Leute sagen es immer so, als ob ich mich dafür bedanken müsste. Wenn ich nur wüsste, bei wem; vielleicht beim lieben Gott oder am Ende gar bei Bismarck selbst. Die Stechline sind aber auch nicht von schlechten Eltern. Ausserdem, ich für meine Person, ich habe bei den sechsten Kürassieren gestanden und Bismarck bloss bei den siebenten, und die kleinere Zahl ist in Preussen bekanntlich immer die grössere — ich bin ihm also einen über. Und Friedrichsruh, wo alles jetzt hinpilgert, soll auch bloss ’ne Kate sein. Darin sind wir uns also gleich. Und solchen See wie der Stechlin‘, nu, den hat er schon ganz gewiss nicht. So was kommt überhaupt bloss selten vor.“

      Ja, auf seinen See war Dubslav stolz, aber desto weniger stolz war er auf sein Schloss, weshalb es ihn auch verdross, wenn es überhaupt so genannt wurde. Von den armen Leuten liess er sich’s gefallen: „Für die ist es ein ,Schloss‘, aber sonst ist es ein alter Kasten und weiter nichts.“ Und so sprach er denn lieber von seinem ,,Haus“, und wenn er einen Brief schrieb, so stand darüber „Haus Stechlin“. Er war sich auch bewusst, dass es kein Schlossleben war, das er führte. Vordem, als der alte Backsteinbau noch stand, mit seinen dicken Türmen und seinem Luginsland, von dem aus man, über die Kronen der Bäume weg, weit ins Land hinaussah, ja, damals war hier ein Schlossleben gewesen, und die derzeitigen alten Stechline hatten teilgenommen an allen Festlichkeiten, wie sie die Ruppiner Grafen und die mecklenburgischen Herzöge gaben, und waren mit den Boitzenburgern und den Bassewitzens verschwägert gewesen. Aber heute waren die Stechline Leute von schwachen Mitteln, die sich nur eben noch hielten und beständig bemüht waren, durch eine ,,gute Partie“ sich wieder leidlich in die Höhe zu bringen. Auch Dubslavs Vater war auf diese Weise zu seinen drei Frauen gekommen, unter denen freilich nur die erste das in sie gesetzte Vertrauen gerechtfertigt hatte. Für den jetzigen Schlossherrn, der von der zweiten Frau stammte, hatte sich daraus leider kein unmittelbarer Vorteil ergeben, und Dubslav von Stechlin wäre kleiner und grosser Sorgen und Verletzenheiten nie los und ledig geworden, wenn er nicht in dem benachbarten Gransee seinen alten Freund Baruch Hirschfeld gehabt hätte. Dieser Alte, der den grossen Tuchladen am Markt und ausserdem die Modesachen und Damenhüte hatte, hinsichtlich deren es immer hiess, ,,Gerson schicke ihm alles zuerst“ — dieser alte Baruch, ohne das „Geschäftliche“ darüber zu vergessen, hing in der Tat mit einer Art Zärtlichkeit an dem Stechliner Schlossherrn, was, wenn es sich mal wieder um eine neue Schuldverschreibung handelte, regelmässig zu heikeln Auseinandersetzungen zwischen Hirschfeld Vater und Hirschfeld Sohn führte.

      „Gott, Isidor, ich weiss, du bist fürs Newe. Aber was ist das Neue? Das Neue versammelt sich immer auf unserm Markt, und mal stürmt es uns den Laden und nimmt uns die Hüte, Stück für Stück, und die Reiherfedern und die Straussenfedern. Ich bin fürs Alte und für den guten, alten Herrn von Stechlin. Is doch der Vater von seinem Grossvater gefallen in der grossen Schlacht bei Prag und hat gezahlt mit seinem Leben.“

      ,,Ja, der hat gezahlt; wenigstens hat er gezahlt mit seinem Leben. Aber der von heute . . .“

      „Der zahlt auch, wenn er kann und wenn er hat. Und wenn er nicht hat und ich sage: ,Herr von Stechlin, ich werde schreiben siebeneinhalb‘, dann feilscht er nicht und dann zmackt er nicht. Und wenn er kippt, nu, da haben wir das Objekt: Mittelboden und Wald und Jagd und viel Fischfang. Ich seh’ es immer so ganz klein in der Perspektiv’, und ich seh’ auch schon den Kirchturm.“

      ,,Aber, Vaterleben, was sollen wir mit ’m Kirchturm?“

      In dieser Richtung gingen öfters die Gespräche zwischen Vater und Sohn, und was der Alte vorläufig noch in der ,,Perspektive“ sah, das wäre vielleicht schon Wirklichkeit geworden, wenn nicht des alten Dubslav um zehn Jahre ältere Schwester mit ihrem von der Mutter her ererbten Vermögen gewesen wäre: Schwester Adelheid, Domina zu Kloster Wutz. Die half und sagte gut, wenn es schlecht stand oder gar zum Äussersten zu kommen schien. Aber sie half nicht aus Liebe zu dem Bruder — gegen den sie, ganz im Gegenteil, viel einzuwenden hatte —, sondern lediglich aus einem allgemeinen Stechlinschen Familiengefühl. Preussen war was und die Mark Brandenburg auch; aber das wichtigste waren doch die Stechlins, und der Gedanke, das alte Schloss in andern Besitz und nun gar in einen solchen übergehen zu sehen, war ihr unerträglich. Und über all dies hinaus war ja noch ihr Patenkind da, ihr Neffe Woldemar, für den sie all die Liebe hegte, die sie dem Bruder versagte.

      Ja, die Domina half, aber solcher Hilfen unerachtet wuchs das Gefühl der Entfremdung zwischen den Geschmistern, und so kam es denn, dass der alte Dubslav, der die Schwester in Kloster Wutz weder gern besuchte noch auch ihren Besuch gern empfing, nichts von Umgang besass als seinen Pastor Lorenzen (den früheren Erzieher Woldemars) und seinen Küster und Dorfschullehrer Krippenstapel, zu denen sich allenfalls noch Oberförster Katzler gesellte, Katzler, der Feldjäger gewesen war und ein gut Stück Welt gesehen hatte. Doch auch diese drei kamen nur, wenn sie gerufen wurden, und so war eigentlich nur einer, der in jedem Augenblicke Red’ und Antwort stand. Das war Engelke, sein alter Diener, der seit beinahe fünfzig Jahren alles mit seinem Herrn durchlebt hatte, seine glücklichen Leutnantstage, seinte kurze Ehe und seine lange Einsamkeit. Engelke, noch um ein Jahr älter als sein Herr, war dessen Vertrauter geworden, aber ohne Vertraulichkeit. Dubslav verstand es, die Scheidewand zu ziehen. Übrigens wär’ es auch ohne diese Kunst gegangen. Denn Engelke war einer von den guten Menschen, die nicht aus Berechnung oder Klugheit, sondern von Natur hingebend und demütig sind und in einem treuen Dienen ihr Genüge finden. Alltags war er, so Winter wie Sommer, in ein Leinwandhabit gekleidet, und nur wenn es zu Tisch ging, trug er eine richtige Livree von sandfarbenem Iuch mit grossen Knöpfen dran. Es waren Knöpfe, die noch die Zeiten des Rheinsberger Prinzen Heinrich gesehen hatten, weshalb Dubslas, als er mal wieder in Versetzenheit war, zu dem jüngst verstorbenen alten Herrn von Kortschädel gesagt hatte: „Ja, Kortschädel, wenn ich so meinen Engelke, wie er da geht und steht, ins Märkische Provinzialmuseum abliefern könnte, so Kriegt’ ich ein Jahrgehalt und wäre ’raus.“

      Das war im Mai, dass der alte Stechlin diese Worte zu seinem Freunde Kortschädel gesprochen hatte. Heute aber war dritter Oktober und ein wundervoller Herbsttag dazu. Dubslas, sonst empfindlich gegen Zug, hatte die Türen aufmachen lassen, und von dem grossen Portal her zog ein erquidlicher Luftstrom bis auf die mit weiss und schwarzen Flies sen gedeckte Veranda hinaus. Eine grosse, etwas schadhafte Markise war hier herabgelassen und gab Schutz gegen die Sonne, deren Lichter durch die schadhaften Stellen hindurchschienen und auf den Fliesen ein Schattenspiel aufführten. Gartenstühle standen umher, vor einer Bank aber, die sich an die Hauswand lehnte, waren doppelte Strohmatten gelegt. Auf ebendieser Bank, ein Bild des Behagens, sass der alte Stechlin in Joppe und breitkrempigem Filzhut und sah, während er aus seinem Meerschaum allerlei Ringe blies, auf ein Rundell, in dessen Mitte, von Blumen eingefasst, eine kleine Fontäne plätscherte. Rechts daneben lief ein sogenannter Poetensteig, an dessen Ausgang ein ziemlich hoher, aus allerlei Gebälk zusammengezimmerter Aussichtsturm aufragte. Ganz oben eine Plattform mit Fahnenstange, daran die preussische Flagge wehte, schwarz und weiss, alles schon ziemlich verschlissen.

      Engelke hatte vor kurzem einen roten Streifen annähen wollen, war aber mit seinem Vorschlag


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