Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
hauchte Sarina.
»Sie müssen jetzt mit mir zusammenarbeiten«, redete er beschwörend auf sie ein. »Wo genau tut es weh?« Er zog den Pullover hoch und tastete den Bauch ab.
»Hier. Und da.« Sarina schrie auf. »Da auch.«
Jannis stand daneben und knetete nervös die Hände.
»Das ist bestimmt der Blinddarm. Sie hat schon öfter eine Reizung gehabt«, mischte er sich ein. »Ich kenne die Symptome.«
Matthias warf einen kurzen Blick über die Schulter, konzentrierte sich aber gleich wieder auf seine Patientin.
»Ich gebe Ihnen jetzt ein Schmerzmittel. Dann geht es Ihnen gleich besser.« Er sah die Schwester an. »Bitte bringen Sie Herrn Peters nach draußen.«
»Was denn?« Empört setzte sich Jannis zur Wehr, als die Schwester ihn sanft am Arm nahm. »Kann ich nicht hierbleiben?«
»Der Herr Doktor braucht jetzt Ruhe, um seine Arbeit zu machen.« Nun packte sie etwas energischer zu.
Matthias wartete, bis sich die Tür hinter den beiden geschlossen hatte.
»Ich werde jetzt einen Bluttest machen. Dann wissen wir sofort Bescheid, ob Sie noch höhere Entzündungswerte haben als ohnehin schon. Das wäre bei einer akuten Appendizitis der Fall«, erklärte er das weitere Vorgehen. »Außerdem werde ich einen Ultraschall machen. Normalerweise ist der Wurmfortsatz bei dieser Untersuchung nicht sichtbar. Das ändert sich aber im entzündeten Zustand. Allerdings bin ich überzeugt davon, dass Sie lediglich unter Rückenschmerzen leiden. So eine Reaktion kommt schon mal vor.«
Sarina sah ihn aus tränenumflorten Augen an.
»O Mann, hätte ich doch nur auf Dr. Norden gehört. Dann wäre das hier alles längst vorbei.«
»Bitte beruhigen Sie sich.« Matthias dachte nicht daran, sich aus der Ruhe bringen zu lassen, und führte die angekündigten Untersuchungen durch. Schließlich legte er eine Manschette um Sarinas Arm und staute die Vene. Nachdem er Blut abgenommen und eine Schwester damit ins Labor geschickt hatte, blickte er auf seine Patientin hinab. Seine Miene war entspannt.
»Und? Fühlen Sie sich besser?«
In der Tat hatten die Schmerzen nachgelassen.
Sarina nickte vage.
»Ich glaube schon.« Sie atmete vorsichtig ein und aus und wagte ein schüchternes Lächeln. »Ich bin keine Simulantin, Herr Doktor. Das müssen Sie mir glauben.«
»Davon war auch nie die Rede«, versicherte Dr. Weigand und nahm die Krankenakte an sich. »Und jetzt versuchen Sie, sich ein bisschen auszuruhen.« Sein Lächeln wurde tiefer. »Sobald ich die Ergebnisse der Blutuntersuchung habe, komme ich wieder vorbei.«
Sarina konnte sich nicht vorstellen, in dieser Situation zur Ruhe zu kommen. Doch die aufregenden Ereignisse des Tages forderten ihren Tribut. Sie hatte die Augen kaum geschlossen, als sie auch schon tief und fest eingeschlafen war.
*
Diese Ruhe hätte sich Dr. Weigand auch gewünscht. Doch er wusste, dass sein frommer Wunsch nicht in Erfüllung gehen würde. Danny Norden stand noch immer draußen vor der Tür. Er hatte sich zwar gefügt und – ganz verantwortungsbewusster Arzt – die Behandlung nicht gestört. Doch das bedeutete nicht, dass die Sache kein Nachspiel haben würde. Mit wachsender Ungeduld wartete er darauf, dass Matthias aus dem Zimmer kam. Endlich war es so weit.
»Da bist du ja!«, sagte er, als sein Freund an ihm vorbei eilte. Sofort heftete er sich an seine Fersen. »Ich will sofort zu meiner Patientin.«
Auf dem Weg in ein Zimmer, in dem sie sich unterhalten konnten, stieß Daniel Norden zu ihnen. Matthias grüßte ihn mit einem Nicken, ging aber unbeirrt weiter. Vater und Sohn folgten ihm in einen leeren Besprechungsraum.
»Sarina braucht im Augenblick absolute Ruhe«, erklärte Dr. Weigand endlich und machte eine einladende Handbewegung. Daniel setzte sich. Danny dagegen war zu aufgeregt. Wie ein Tiger im Käfig wanderte er im Zimmer auf und ab.
»Jetzt beruhige dich doch!«, bat Daniel.
Mit funkelndem Blick fuhr Danny zu ihm herum.
»Ich denke, du bist hier der Chef«, fauchte er seinen Vater an. »Wie kannst du so einen Alleingang zulassen?«
Daniel Norden ermahnte sich zur Besonnenheit.
»Was genau ist denn dein Problem?«, stellte er eine Gegenfrage.
»Du wirst nicht leugnen, dass Sarinas Kolik durch die fragwürdige Therapie ausgelöst wurde.«
Daniel Norden sah sich in der Zwickmühle. Auf der einen Seite war da sein Sohn, den er zu seinem Nachfolger erkoren hatte. Auf der anderen Seite stand Matthias Weigand, sein Freund und geschätzter Mitarbeiter. So schwer es ihm auch fiel, er musste sich entscheiden.
»Matthias ist der behandelnde Arzt in der Klinik. Er hat mein volles Vertrauen.« Er streckte die Hand nach der Krankenakte aus, die Matthias vor sich auf den Schreibtisch gelegt hatte. »Darf ich?«
»Natürlich!« Dr. Weigand beugte sich vor und schob ihm die Unterlagen hinüber.
Daniel blätterte noch darin, als es klopfte und eine Schwester hereinkam.
»Hier stecken Sie! Dann hat sich Regina nicht geirrt«, sagte sie lächelnd und hielt ihm einen Brief hin. »Die Auswertung des Schnelltests ist da!« Sie reichte Weigand das Kuvert aus dem Labor.
»Vielen Dank.« Unter Dannys gespanntem Blick riss er es auf und überflog die Werte. »Na bitte!« Ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen, gab er das Blatt weiter. »Sarinas Werte sind unverändert. Das bedeutet, dass sie keine Blinddarmentzündung hat. Von einem Durchbruch ganz zu schweigen. Der Ultraschall war übrigens auch unauffällig.«
Daniel hatte in Ruhe zugehört. Schließlich wandte er sich an seinen Sohn, der immer noch rastlos herumwanderte. Seine Miene verhieß nichts Gutes.
»Wir beide kennen Matthias gut genug. Wenn er einen Fehler gemacht hätte, würde er ihn zugeben. Das weißt du so gut wie ich«, versuchte er, Danny zu beschwichtigen.
Darauf schien der nur gewartet zu haben. »Diese ganze Therapie ist ein einziger großer Irrtum«, schimpfte er und nahm seinen Vater ins Visier. »Ich bitte dich, meinen Vater und Chefarzt dieser Klinik, mach diesem Wahnsinn ein Ende!« Sein Blick eilte hinüber zu Matthias, der ihm wie ein Feind gegenüberstand. »Ich verlange, dass diese Therapie sofort beendet und Sarinas Appendizitis entsprechend behandelt wird, bevor ein weiteres Unglück passiert.«
Matthias Weigand seufzte.
»Sag mal, spreche ich eigentlich chinesisch? Es gibt keine Blinddarmentzündung. Mal abgesehen davon, dass es ein fataler Fehler wäre, die Behandlung zu diesem Zeitpunkt abzubrechen.«
Es klopfte, und Andrea Sander steckte den Kopf zur Tür herein.
»Bitte entschuldigen Sie die Stör…«
»Was denn? Muss das sein?«, unterbrach Daniel Norden sie ungehalten.
Die Assistentin verkniff sich ein Lächeln. Diesen Tonfall kannte sie von Jenny Behnisch.
»Ein gewisser Herr Peters ist hier. Er meint, es wäre dringend.«
Daniel wusste sofort Bescheid.
»Also gut, er soll hereinkommen.«
Jannis folgte der Einladung. Verlegen stand er vor den Ärzten.
»Sarina schickt mich. Es geht ihr viel besser«, erklärte er fast schüchtern. »Ich soll Ihnen sagen, dass sie weiter von Dr. Weigand behandelt werden will. Ich verstehe zwar nicht, warum. Aber letztlich ist es ihre Entscheidung.«
Matthias besaß Anstand genug, um sich den Triumph nicht anmerken zu lassen.
Danny steckte die Hände in die Taschen und senkte den Kopf.
»Damit ist jede weitere Diskussion, zumindest