Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
zusammen, tauschte Kittel und Hose gegen seine Straßenkleider und verabschiedete sich von den Kollegen der Spätschicht. »Wartet Ihre Freundin schon sehnsüchtig auf Sie?«, erkundigte sich die Assistenzärztin Sandra Neubeck neckisch, als er den Kopf zur Tür hereinsteckte. Sie saß noch am Schreibtisch und schrieb an einem Bericht.
Matthias hatte schon eine ganze Weile ein Auge auf sie geworden, aber nicht den Mut gehabt, sie anzusprechen.
»Welche meiner Freundinnen meinen Sie? Die Chipstüte? Die Fernbedienung? Oder etwa die Flasche Bier?«, fragte er missmutig zurück.
Verwundert zog Sandra eine Augenbraue hoch.
»Ein Kerl wie Sie ist noch allein?«
»Sagen wir mal so: Immer mal wieder.« Er ließ nicht durchblicken, wie sehr ihn diese Bezeichnung verletzte. Er war kein ›Kerl‹, sondern ein anständiger, hart arbeitender Mann! Sofort verwarf er den Gedanken, die Kollegin am nächsten Morgen auf einen Kaffee in den Kiosk ›Allerlei‹ einzuladen. »Ich wünsche einen schönen Abend!« Ehe Sandra noch eine Frage stellen konnte, zog er sich beleidigt zurück.
Einen Moment lang sah Sandra ihm verwundert nach.
Hatte sie sich die begehrlichen Blicke der vergangenen Tage nur eingebildet?
»Schade. Das hätte nett werden können«, murmelte sie und beugte sich wieder über ihre Arbeit. Einen Moment zögerte sie noch. »Aber vielleicht ist es besser so. Ich habe keine Lust auf eine Schlagzeile in der Klinikflüsterpost.« Damit konzentrierte sie sich wieder auf den Bericht.
Matthias dagegen schlenderte den Klinikflur hinunter und tat sich selbst leid. Was für eine ungerechte Welt! Zu allem Überfluss traf er am Ausgang auch noch auf ein händchenhaltendes Pärchen.
»Immer noch frisch verliebt wie am ersten Tag, was?«, spottete er gutmütig und folgte Daniel und Fee nach draußen.
»Nur kein Neid, Herr Kollege«, erwiderte Daniel. Demonstrativ legte er den Arm um die Schulter seiner Frau. »Wenn dir das Alleinsein so wenig gefällt, sei die Frage erlaubt, warum du dir nicht endlich eine Partnerin suchst.«
Matthias lachte freudlos auf.
»Ihr ewig Verliebten stellt euch das immer so einfach vor. Dabei ist es alles andere als das.«
»Schlechte Erfahrungen gemacht?«, fragte Fee mitfühlend.
Matthias dachte kurz nach und beschloss dann, seinen Freunden die Wahrheit zu sagen.
»Stellt euch vor, ich habe mich sogar überwunden, mich in einer Partnerbörse anzumelden. Die Frau, mit der ich geschrieben habe, war witzig und intelligent. Auf dem Foto war sie bildschön.«
»Ich ahne, was passiert ist«, warf Daniel ein. »Das Bild war nicht echt.«
»Das schon. Aber uralt«, korrigierte Matthias ihn. »Die Frau ist mindestens zehn Jahre älter als ich. Aber das ist noch nicht einmal das Schlimmste. Inzwischen hat sie hennarote Haare und trägt selbstgestrickte Pullover und Schlabberhosen.«
Daniel konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Fee dagegen war ehrlich entrüstet.
»Aber du hast doch gerade gesagt, dass ihr euch gut versteht.«
»Ja, schon«, erwiderte Matthias gedehnt. »Aber das allein reicht nicht.«
»Seit wann bist du so oberflächlich?«, fragte sie verständnislos und zog den Schal enger um den Hals. Obwohl es Frühling war, wurde es abends oft noch empfindlich kalt. »Kein Wunder, dass du mit dieser Einstellung keine Frau findest«, schalt sie ihn. »Hat dir noch niemand erzählt, dass es den perfekten Partner nicht gibt? Eine Beziehung besteht nun einmal aus Kompromissen. Aber die jüngeren Generationen verstehen das nicht mehr.« Seufzend schüttelte sie den Kopf. »Daran ist das Internet mit seiner großen Auswahl schuld. Ist einer nicht ganz passend, wird er einfach gegen den Nächsten ausgetauscht.«
Matthias konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
»Jetzt hast du mir aber den Kopf gewaschen.«
Fee erwiderte sein Lächeln.
»Wenn es etwas nützt …«
»Ich werde mal darüber nachdenken«, versprach Matthias. Er hob die Hand zum Gruß und machte sich endgültig auf den Nachhauseweg.
Fee und Daniel schlugen die entgegengesetzte Richtung ein. Eine Weile wanderten sie schweigend nebeneinander her. Der Gleichklang ihrer Schritte hallte von den Häuserwänden.
»Sag mal, meintest du das vorhin ernst, dass es keinen perfekten Partner gibt?«, erkundigte sich Daniel unterwegs.
»Natürlich«, erwiderte Fee todernst. Nur das Blitzen in ihren Augen verriet sie. »Warum fragst du?«
»Ich denke gerade darüber nach, welche Kompromisse du mit mir eingehen musst.«
Felicitas antwortete nicht sofort. Nach ein paar Metern blieb sie stehen. Daniel drehte sich zu ihr um und musterte sie im Schein einer Straßenlaterne.
»So schlimm?«, fragte er sichtlich besorgt.
»Da fragst du noch? Immer setzt du dich auf die rechte Seite der Couch, obwohl du weißt, dass das mein Lieblingsplatz ist. Nie machst du die Zahnpastatube zu. Wenn du den Frühstückstisch deckst, legst du die Serviette immer auf den Teller statt daneben. Und dann isst du ständig die Cashewkerne aus dem Studentenfutter und lässt mir nur die Haselnüsse übrig. Dabei weißt du genau, dass ich keine Haselnü…« Weiter kam sie nicht.
»Halt, stopp, du kannst aufhören!«, fiel Daniel ihr lachend ins Wort. »Ich habe verstanden, dass das Leben mit mir ein einziger Albtraum ist.« Immer noch lachend schloss er sie in die Arme und küsste sie, bis ihr die Luft wegblieb.
Als er Fee wieder losließ, strahlten ihre Augen wie zwei Sterne.
»Ganz genau«, bestätigte sie seinen Verdacht. »Deshalb muss ich dir leider mitteilen, dass ich beschlossen habe, auch noch den Rest meines Lebens mit dir zu verbringen.« Sie küsste ihn noch einmal, ehe sie sich bei ihm einhängte, um endlich mit dem Mann ihres Lebens nach Hause zu gehen.
*
Als Marita Wonnegut das Klingeln an der Tür hörte, wusste sie sofort, dass sie verschlafen hatte.
»Die Männer mit der neuen Küche!« Sie schoss hoch und fiel mit einem Schrei gleich wieder zurück in die Kissen. »Die Schulter! Die habe ich total vergessen.« Nachdem der Schmerz nachgelassen hatte, warf sie einen Blick auf die Uhr. In einer halben Stunde stand der Termin beim Physiotherapeuten an. »Wenigstens das schaffe ich!« In ihre Gedanken hinein klingelte es erneut. »Ich komme gleich!«
Dieses Mal war Marita vorsichtiger beim Aufstehen und vermied es, sich auf den linken Arm zu stützen. Notdürftig mit einem Morgenmantel bekleidet, öffnete sie die Tür. Und schnappte nach Luft.
»Math… Ich meine … Matthias … Herr Dr. Weigand … Was machen Sie denn hier?«, stammelte sie. Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Bestimmt leuchteten sie jetzt so rot wie ihr Haar! Istinktiv zog sie den verwaschenen hellblauen Morgenmantel enger um sich. In diesem schrecklichen Moment erinnerte sie sich daran, dass er zu allem Überfluss mit dunkelblauen Herzchen bedruckt war. Konnte es noch schlimmer kommen?
Es konnte.
»Wenn ich mich nicht irre, bringe ich eine neue Küche mit.« Matthias drehte sich um und deutete auf die beiden Handwerker, die hinter ihm standen. Der eine grinste anzüglich. Zum Glück hatte der andere mehr Anstand.
»Guten Morgen, junge Frau. Sieht so aus, als ob Sie noch zehn Minuten bräuchten.«
»Das wäre wundervoll.« Marita schickte ihm einen dankbaren Blick. »Unten um die Ecke ist ein kleines Café. Dort gibt es den besten Kuchen der Stadt. Und der Kaffee ist ein Gedicht.« Sie verschwand, um kurz darauf mit einem Zwanzigeuroschein zurückzukehren, den sie dem Handwerker reichen wollte. Lächelnd schüttelte Frank Maschke den Kopf.
»Wir sind in einer Viertelstunde wieder hier.« Er sah Matthias forschend an,