Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
verloren. So aber riss er sich zusammen.
»Dann also doch einen Flammkuchen.«
Melanie schüttelte den Kopf.
»Nein. Gar nichts. Mir ist der Appetit vergangen.« Entschieden schob sie die Karte von sich. »Aber du könntest vorsichtshalber deinen Flammkuchen mit Gemüse bestellen, falls ich später doch hungrig bin.«
Daniel und Fee brachen in Lachen aus. In diesem Moment kehrte Tatjana an den Tisch zurück, servierte Getränke und Kuchen und nahm Laurenz’ Bestellung auf. Zu ihrer Erleichterung drehte sich das Gespräch jetzt um die Zubereitung des perfekten Flammkuchens und nicht mehr um Schwangerschaften, sodass sie kein künstliches Lächeln aufsetzen musste.
*
Auch Dr. Matthias Weigand, Notarzt in der Behnisch-Klinik, hatte an diesem Tag frei. Gemeinsam mit seiner neuen Freundin Dr. Sandra Neubeck schlenderte er durch den Englischen Garten. Die beiden waren noch nicht lange ein Paar. Sandras aufbrausende Art hatte den Start nicht ganz einfach gemacht.
Nach einer Reihe von Enttäuschungen hoffte Matthias, in ihr endlich die Partnerin gefunden zu haben, nach der er sich schon so lange sehnte. Sandra arbeitete als Assistenzärztin an der Behnisch-Klinik und wusste um den stressigen Alltag, von den kaum vorhandenen freien Wochenenden und der ständigen Abrufbereitschaft, die einem Klinikarzt drohend im Nacken saß. Im Augenblick standen die Zeichen aber günstig, dass er zwei ganze Tage mit seiner neuen Liebe verbringen konnte. Zeit, die ihm wichtig war, um Sandra endlich besser kennenzulernen.
»Du hast mir noch gar nicht erzählt, warum es dich von Freiburg ausgerechnet nach München verschlagen hat.« Hand in Hand spazierten sie am Eisbach entlang.
Der Frühling hatte mit aller Macht Einzug gehalten. Überall grünte und blühte es, und die Menschen zog es nach draußen an die frische Luft. Schon jetzt waren die Tische im Biergarten am Chinesischen Turm gut besetzt. Auf den Wiesen spielten Kinder und Hunde, hier und da hatten sich ein paar besonders tapfere Picknicker auf Decken niedergelassen. Zwischen zwei Bäumen hatten junge Leute ein elastisches Band gespannt und trainierten mit begeisterter Unterstützung der Zuschauer ihre Balance. Sandras Blick hing an den modernen Seiltänzern.
»Es gibt vieles, was ich dir noch nicht erzählt habe«, antwortete sie geheimnisvoll und dachte offenbar gar nicht daran, das Rätsel zu lösen. »Schau mal, der kann das richtig gut!« Sie deutete auf einen jungen Mann, der kühne Sprünge auf dem schmalen Band wagte und jedes Mal sicher landete.
»Das ist doch gar nicht schwer. Die Leine ist ja mindestens fünf Zentimeter breit«, behauptete Matthias in einem Anflug von Selbstüberschätzung. Er wollte Sandra um jeden Preis imponieren und trat auf die Gruppe junger Leute zu. Nach ein paar Sätzen machten sie Platz. Siegessicher winkte Matthias seiner Begleiterin zu und bestieg das federnde Band. Begleitet von Anfeuerungsrufen der Umstehenden auf der einen und Sandras spöttischen Blicken auf der anderen Seite breitete er die Arme aus. Vorsichtig schob er einen Fuß vor den anderen, als er auch schon gefährlich ins Schwanken geriet und hinunterfiel. Zur Belustigung seiner Zuschauer landete er wie ein Käfer auf dem Rücken. Ein Mann erbarmte sich seiner und hielt ihm die Hand hin.
Als Matthias wieder sicheren Boden unter den Füßen hatte, sah er seinem Retter ins Gesicht.
»Reinhart, was machst du denn hier!« Lachend klopfte er dem Kollegen auf die Schulter.
Sandra beobachtete die beiden mit Argusaugen. Sie war noch relativ neu an der Klinik und kannte noch nicht viele der Kollegen.
»Ich habe mir heute extra frei genommen, um unseren Notarzt vor einem schlimmen Schicksal zu bewahren.«
»Du bist zu gut zu mir.« Matthias sah sich um. »Bist du allein unterwegs?«
»Wo denkst du hin? Klaiber, Gröding und die geschätzte Kollegin May sind auch mit von der Partie. Sie ziehen allerdings den Biergartentisch einer wackeligen Slackline vor.«
»Eine weise Entscheidung«, witzelte Matthias, als sich Sandra zu ihnen gesellte.
»Willst du mich nicht bekannt machen?«, fragte sie, ohne Reinhart aus den Augen zu lassen.
»Wie unaufmerksam von mir!« Da war es wieder, das Gefühl, das ihn in Sandras Gegenwart so oft beschlich. War er zu empfindlich, oder konnte er ihr wirklich nicht genügen? »Das ist der geschätzte Kollege Reinhart Witt aus der Radiologie. Dr. Sandra Neubeck, seit kurzem Assistenzärztin in unserer zweiten Heimat.«
Reinhart begrüßte Sandra freundlich und wechselte ein paar Worte mit ihr.
»Was haltet ihr davon, wenn wir uns zu den Kollegen gesellen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, winkte er das Paar mit sich. »Wir können zwar nur alkoholfreies Bier trinken, aber besser als nichts.«
Eigentlich hatte Matthias Weigand den Tag allein mit Sandra verbringen wollen. Ehe er aber Gelegenheit hatte, auch nur ein Wort mit ihr zu wechseln, lief sie schon hinter Reinhart her. Zähneknirschend heftete sich Matthias an ihre Fersen.
Mit großen Hallo wurden sie von dem Anästhesisten, der Kinderärztin und dem Chef der Onkologie begrüßt und an den Tisch gebeten.
Diesmal übernahm Sandra es selbst, sich vorzustellen.
»Warum trinkt ihr alle alkoholfrei?«, erkundigte sich Matthias und stellte ein richtiges Bier für sich und eine Limonade für Sandra auf den Tisch.
»Wir haben alle Dienst heute Nachmittag, wollten aber die schönen Stunden nutzen.« Der Anästhesist Arnold Klaiber hob sein Glas. »Auf die neue Kollegin. Prost!«
»Vielen Dank.« Sandra stieß mit der Limo an und lächelte in die Runde. »Dann sehen wir uns ja vielleicht heute Nachmittag.«
Überrascht sah Matthias seine neue Freundin an.
»Aber ich dachte, wir verbringen den Tag zusammen«, raunte er ihr zu. »Ich habe schon einen Tisch beim Griechen bestellt.«
Sandra lächelte herablassend.
»Und weil ich griechisches Essen nicht mag, habe ich mich heute zum Dienst eingetragen.« Sie tätschelte ihm die Wange. »Komm schon, sei nicht sauer. Du hat mir selbst lang und breit erklärt, dass deine bisherigen Freundinnen nie Verständnis für deinen Beruf und die Arbeitszeiten aufgebracht haben.«
Reinhart klopfte Matthias tröstend auf die Schulter.
»Komm schon! Nicht traurig sein. So bleibt die Liebe länger frisch.« Er zwinkerte Sandra zu. »Außerdem ist sie bei uns in guten Händen. Das weißt du doch, oder?«
»Bei Arnold und Gröding bin ich mir sicher. Aber du wandelst ja bekanntlich seit Neuestem wieder auf Freiersfüßen …«
»Ich bin doch nicht verrückt und spanne einem Kollegen die Frau aus!« Energisch schüttelte Reinhart den Kopf. »So schön sie auch sein mag.«
Sandra lachte geschmeichelt. Sie hatte andere Pläne, und ihre Beziehung mit Matthias hatte einen ganz anderen Grund als Liebe. Aber sie hütete sich davor, mit irgendjemandem darüber zu sprechen. Noch war die Zeit nicht reif dafür.
*
»Es war so schön, euch mal wieder gesehen zu haben.« Wie im Flug waren die Stunden vergangen. Es war Zeit, nach Hause zu gehen. Zum Abschied umarmte Melanie das befreundete Ehepaar.
»Das nächste Mal kommt ihr zu uns.« Fee trat zur Seite, um der Aushilfe Platz zu machen. Florentina balancierte ein schweres Tablett, das sie sicher an den dicht besetzten Tischen vorbei manövrieren musste. »Da seid ihr bestimmt schon zu dritt.«
»Vielleicht schaffen wir es vorher ja noch einmal«, tat Laurenz seine Hoffnung kund. Er half seiner Frau in die leichte Sommerjacke.
»Versprich nicht, was du nicht halten kannst«, ermahnte sie ihn. »Du weißt selbst, wie das ist. Gerade vor der Geburt nimmt man sich alles Mögliche vor, was man gar nicht schaffen kann. Man neigt dazu zu glauben, dass das Leben vorbei ist, wenn erst ein Kind da ist.«
»Das genaue Gegenteil ist der Fall.« Lächelnd hielt Daniel seiner Freundin die Tür auf.