Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
für meinen Teil habe einen Großteil meiner Kindergartenzeit in der Sandkiste verbracht.«
»Tja, sehen Sie, deshalb sind Sie heute auch noch kein Professor.«
Auf diesen Kommentar fiel Matthias nichts mehr ein. Um seine Verlegenheit zu überspielen, wandte er sich wieder seiner Patientin zu.
Auch Bettina Lücke wirkte alles andere als glücklich.
»Müssen diese Untersuchungen wirklich sein, Herr Doktor?«, fragte sie bangen Herzens. »Wissen Sie, meine Schwester ist an einem Darmtumor gestorben. Ich habe solche Angst, dass auch ich …«
Dr. Weigand verstand, auch ohne dass sie den Satz beendete.
»Je früher ein Karzinom entdeckt wird, umso besser sind die Erfolgschancen.«
Bettina lächelte bitter.
»Das haben die Ärzte meiner Schwester auch gesagt. Und wissen Sie, was trotz Früherkennung passiert ist? Sie ist vor zwei Jahren gestorben.«
»Und deswegen wollen Sie sich nicht untersuchen lassen?«, mischte sich Sophie Petzold in das Gespräch ein. »Das ist doch Wahnsinn.«
Bettina Lücke drehte den Kopf zu ihrer Seite.
»Meine Schwester hat auch gedacht, dass alles gut wird. Und dann …« Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen.
»Aber Sie sind hier in den allerbesten Händen«, versicherte Sophie mit einer Leidenschaft, die Matthias Weigand überraschte.
Noch mehr Tränen drängten in Bettinas Augen.
»Sie wissen doch gar nicht, wie das ist, wenn man Hoffnung hat und dann enttäuscht wird«, schluchzte sie auf. »Deshalb will ich lieber erst gar nicht wissen, wie es um mich steht.«
Diese Behauptung konnte Sophie unmöglich so stehen lassen.
»Und was ist, wenn ich Ihnen sage, dass mein Vater auch Krebs hatte und heute gesund ist? Weil er früh genug zur Vorsorge gegangen ist?« Ihre Augen funkelten herausfordernd. Es war Bettina Lücke anzusehen, dass sie keine Kraft für eine nervenaufreibende Diskussion hatte.
»Schon gut.« Sie schloss die Augen und winkte ab. »Tun Sie, was Sie nicht lassen können.«
»Na bitte«, wandte sich Sophie an ihren Kollegen Weigand, als eine Schwester die Patientin zum Ultraschall abgeholt hatte. »Geht doch!«
»Sie können Ihrem Vater dankbar sein. Wenn er nicht …«
Mit einer Geste schnitt Sophie ihm das Wort ab.
»Ich kenne meinen Vater gar nicht.« Sie ging zur Tür. »Er hat die Familie verlassen, als ich noch ein kleines Kind war.«
»Wo wollen Sie hin?«, rief Dr. Weigand ihr verdutzt nach.
»Zu unserer Patientin. Oder haben Sie jetzt Pause?«
Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, zuckte Matthias zusammen.
»Herrje. Das kann ja noch heiter werden«, seufzte er, ehe er Anstalten machte, Sophie Petzold zu folgen.
*
Felicitas Norden saß in ihrem Büro und bereitete sich auf die Elternsprechstunde vor, als es klopfte.
»Johannes, herein mit dir!« Lächelnd bot sie dem Medizinstudenten den Stuhl vor ihrem Schreibtisch an.
Er setzte sich auf die äußerste Kante und legte einen Stapel Unterlagen auf den Schoß. Seine Finger trommelten auf dem Deckel der obersten Akte.
»Tut mir leid, wenn ich störe.«
Fee klappte die Mappe zu.
»Kein Problem, ich bin schon fertig. Also, raus mit der Sprache. Wer macht dich nervös?« Als er den Mund öffnete, um zu antworten, hob sie die Hände. »Nein, lass mich raten.« Sie beugte sich über den Tisch und winkte ihn zu sich. »Ist es die Lernschwester? Julia? Die ist wirklich süß. Aber auch auf die Gefahr hin, dich zu enttäuschen: Ich glaube, sie hat einen Freund.«
Johannes rang sich ein Lächeln ab.
»Macht nichts. Ich bin ja auch nicht solo.«
»Oh.« Felicitas lehnte sich zurück. »Wo liegt dann der Hase im Pfeffer?«
»Ich will mich ja nicht beschweren.« Endlich fasste sich Johannes ein Herz. »Aber vorhin hat mir Dr. Lammers diesen Packen Patientenakten in die Hand gedrückt und mir den Auftrag gegeben, den Schreibkram zu erledigen. Mal abgesehen davon, dass ich seine Schrift gar nicht lesen kann, bin ich damit die ganze Woche weg vom Fenster. Dabei wollte ich doch bei der OP von Dr. May dabei sein. Und noch viele andere Sache lernen.«
Felicitas sah den Medizinstudenten ungläubig an.
»Das kann doch wohl nicht wahr sein!« Ohne lange nachzudenken sprang sie auf, nahm ihm die Unterlagen ab und eilte zur Tür. Dort blieb sie stehen und sah ihn auffordernd an. »Du gehst jetzt wieder zur Kollegin May. Um die Akten musst du dir keine Sorgen machen. Ich kümmere mich darum. Und um Lammers«, fügte sie drohend hinzu und machte sich auf den Weg.
Felicitas musste nicht lange suchen. Ihr Stellvertreter stand vor dem Aufzug und wartete. Als sie ihn erblickte, straffte sie die Schultern. Ihre Miene war entschlossen.
»Gut, dass ich Sie treffe, Kollege Lammers«, erklärte sie scheinheilig und hielt ihm die Akten unter die Nase. »Wissen Sie, was das ist?«
Lammers nahm ihr die Unterlagen aus der Hand und blätterte kurz darin.
»Was haben Sie mit meinen Patienten zu tun?«
»Wie kommen Sie dazu, unseren Medizinstudenten als Sekretärin zu missbrauchen?«, stellte sie eine Gegenfrage. »Er ist hier, um etwas zu lernen.«
»Immer dieser weibliche Hang zur Übertreibung!« Kopfschüttelnd schnalzte Lammers mit der Zunge. »Von Missbrauch kann ja wohl keine Rede sein. Ganz im Gegenteil lernt der Junge enorm viel dabei. Zum Beispiel, wie wichtig es ist, die medizinische Arbeit genau zu dokumentieren.«
»Ich bin dafür verantwortlich, dass der junge Mann hier praktische, klinische Arbeit lernt und nicht dafür, Sekretärinnen auszubilden«, entgegnete sie scharf.
Lammers’ Augen wurden schmal.
»Was ist Ihnen lieber? Dass ich operiere? Oder dass ich diese wunderbaren Instrumente mit Tinte beschmiere?« Selbstverliebt betrachtete er seine Hände.
Am liebsten wäre Fee an Ort und Stelle über ihn hergefallen. Zwei Schwestern, die tuschelnd an ihnen vorbei eilten, hielten sie davon ab.
»Verhalten Sie sich einfach vernünftig und kollegial. Das genügt schon.«
Ein belustigtes Kichern wehte zu ihnen herüber.
»Vielleicht können wir dieses Gespräch in Ihrem Büro fortsetzen«, zischte Lammers. Er hasste es, sich zum Gespött zu machen.
Felicitas wusste, dass sie gewonnen hatte. Zumindest dieses Mal.
»In dieser Angelegenheit gibt es nichts mehr zu besprechen.« Die Aufzugtüren öffneten sich. »Übrigens ist der Fahrstuhl da.« Sie nickte ihm zu und ließ ihn stehen. Es gab wahrlich Wichtigeres zu tun, als diesen ermüdenden Kleinkrieg zu führen.
Dr. Matthias Weigand saß am Computer und betrachtete die Lungenaufnahmen von Frau Lücke, als sich Daniel Norden nach getaner Arbeit im OP zu ihm gesellte. Suchend sah er sich um.
»Hast du unsere engagierte Nachwuchsärztin in die Kühlkammer gesteckt?«, scherzte er. Die Versorgung der Brandopfer war erfolgreich verlaufen, und er hatte allen Grund, gut gelaunt zu sein.
Ehe Matthias Weigand antworten konnte, kam eine Schwester herein und reichte ihm einen Umschlag.
»Die Ergebnisse aus dem Labor.«
»Danke.« Er öffnete das Kuvert und zog ein paar Blätter heraus, die er eingehend studierte.
Daniel schenkte sich Kaffee ein und gesellte sich zu seinem Freund.