Fürstenkrone Box 15 – Adelsroman. Maria Czigler BiancaЧитать онлайн книгу.
»Du wirst also mit uns nach Wertach kommen, Michael?« fragte Cäcilie von Seebach, die aus alledem nur das herausgehört hatte, was ihr im Augenblick am meisten am Herzen lag.
»Worauf du dich verlassen kannst, Mama!« entgegnete Michael grimmig und schoß einen scharfen Blick auf den Vater ab.
Aber dieser lächelte nur hintergründig und schwieg.
*
Schloß Wertach war aus seiner beschaulichen Ruhe aufgeschreckt.
Seit Jahren kam der König nur, um sich in der Stille zu erholen, und so mancher hatte das bedauert, war das Jagdschloß doch durchaus ein prunkvoller Bau von gewaltigen Ausmaßen, so recht geschaffen für fröhliche Feste und Geselligkeiten.
Die riesigen Säle des Jagdschlosses waren in ein Meer von Licht getaucht. Räume, die sonst unbenutzt gestanden hatten, waren geöffnet worden.
Ein Heer von livrierten Bediensteten stand bereit, um die Gäste zu empfangen, die in rascher Folge vorfuhren.
Und bald wogte eine festlich gekleidete und erwartungsvolle Menge im Hauptsaal, in dem der König zuerst erscheinen würde. Orden blitzten an Frackbrüsten. Brillanten funkelten bei den Damen, Seide rauschte und der Duft schwerer kostbarer Parfüms hing in der Luft.
Christina de Roussillon traf mit Angelika verhältnismäßig spät ein, und so wandten sich ihr viele Blicke zu, als der Haushofmeister sie ankündigte.
Und plötzlich lag Stille über dem riesigen Saal. Niemand hatte Christina und Angelika bisher gesehen, nur gehört hatte man von Christinas Rückkehr. Und jetzt standen die beiden Damen da, beide gleichermaßen geeignet, die Könige des heutigen Abends zu werden.
Angelika in ihrem leuchtendroten, duftigen Kleid, ein kostbares Diamanthalsband aus dem Familienschmuck der de Roussillons um den schlanken Hals, bestach durch ihre strahlende Jugendfrische und ihre natürliche Anmut.
Neben ihr stand Christina hoch aufgerichtet, ein Bild vollkommener Schönheit und vollendeter Eleganz. Christina hatte ein schlichtes schwarzes Samtkleid gewählt, das über der rechten Schulter von einem einzigen, über und über mit Brillanten besetzten Träger gehalten wurde. An den Ohren trug sie schwarzen Smaragdschmuck, von Brillanten umkränzt. Ihr dichtes goldblondes Haar war hochgesteckt und erweckte den Eindruck eines goldenen Helms. Über dem rechten Arm trug sie eine Stola aus schneeweißem Nerz.
Sehr ruhig und sehr gelassen stand Christina da und ließ ihre Augen kühl und stolz über die Anwesenden gleiten.
Niemand konnte ihr in diesem Augenblick ansehen, wie sehr sie litt in Erwartung des Kommenden, wie sehr ihr Herz sich vor Angst und Mitleid mit Angelika, die vollkommen ahnungslos war, zusammenkrampfte.
Angelika indessen war unbefangen und erregt. Suchend ließ sie ihre Augen umherschweifen in Erwartung, das einzig geliebte Antlitz unter den vielen Gästen zu erblicken. Als sie es nicht fand, legte sich leichte Enttäuschung über ihre Züge.
Michael von Seebach, der mit seinen Eltern ein wenig im Hintergrund stand, sah es mit Bitterkeit.
»Willst du Christina und Angelika nicht ebenfalls begrüßen?« zischte Cäcilie ihrem Sohn ein wenig ärgerlich zu. Wirklich, sie verstand Michael nicht mehr.
»Dazu ist immer noch Zeit«, murmelte Michael mit düsterem Blick. Wie schmerzlich war es für ihn, das geliebte Wesen so nah vor sich zu sehen und ihm innerlich doch so fern zu sein, denn ihr Herz schlug ja nicht im Gleichklang mit dem seinen.
»Du bist ein Narr!« murmelte Cäcilie. »Willst du warten, bis ihr ein anderer besser gefällt als du? Das Glück ist doch zum Greifen nahe. Weshalb packst du es nicht?«
»Papa scheint anderer Meinung zu sein als du, Mama«, entgegnete Michael sarkastisch.
Christina und Angelika waren inzwischen bis zur Mitte des Saals gelangt, als der Oberhofmeister das Eintreffen des Königs meldete.
Sofort bildete sich eine breite Gasse. Herren beugten ihren Rücken, und die Damen machten einen Hofknicks.
Auch Angelika war brav im tiefen Knicks zusammengesunken, das Köpfchen hielt sie geneigt.
Dann aber fuhr sie so plötzlich empor, daß sie ins Wanken geriet. Die Stimme kannte sie doch, die da freundliche Begrüßungsworte zu irgendwelchen ihr fremden Gästen sprach. Das war die Stimme Rudolf von Wertachs, des Mannes, den sie liebte.
Sie hob den Blick und sah direkt in des Königs helle Augen, die mit einem Ausdruck von Kälte und zärtlichem Mitleid zugleich auf ihr ruhten.
»Angelika Prinzessin de Roussillon«, stellte der Begleiter des Königs sie dem Monarchen vor.
Angelika glaubte einen entsetzlichen Alptraum zu erleben. Die Gesichter der Menschen um sie herum verschwammen vor ihren Augen. Sie sah nur sein Gesicht, sein so über alles geliebtes Gesicht. Fast willenlos legte sie ihre kleine Hand in seine Rechte.
Sie spürte nicht die Neugier der Anwesenden, hörte nicht das Flüstern um sich herum. Sie blickte nur in zwei helle Augen. Glimmte dort hinter der zur Schau getragenen Kälte nicht noch etwas anderes im Hintergrund?
»Rudolf«, sagte sie aus ihrer grenzenlosen Hilflosigkeit heraus, »Rudolf, nein, das kann nicht wahr sein. Das ist doch nur ein Traum, nicht wahr? Ein fürchterlicher Traum? Gleich werde ich erwachen, und wir werden gemeinsam über all dies lachen.«
So befangen war sie, so verwirrt, daß ihr das helle Entsetzen im Gesicht des Mannes entging, der einen halben Schritt hinter dem König stand und diesem die einzelnen Gäste vorstellte.
Der Mund des Mannes zuckte nervös. Ein Skandal, um Gottes willen, das war ja ein Skandal! Dieses junge Ding redete den König mit Vornamen an, sprach vertraulich mit ihm.
Ein schneller Seitenblick überzeugte den Hofbeamten davon, daß die Umstehenden jedes Wort vernommen hatten.
Angelika wartete noch immer auf eine Antwort.
Rudolf starrte sie noch einen Moment an, Wärme und Herzlichkeit und tiefes Mitleid in den Augen, dann wandte er sich ab, als habe er nichts gehört, und begrüßte mit unveränderter freundlicher Gelassenheit seine weiteren Gäste.
Angelika starrte ihm nach. Hilflos streckte sie beide Hände nach ihm aus, als könne sie ihn so zurückhalten und Antwort bekommen auf so viele Fragen, die sie bestürmten.
Da fühlte sie ihre Hände sanft niedergedrückt, und wie erwachend starrte sie in das Gesicht Christinas, das gleich dem ihren leichenblaß war.
»Du hast das gewußt, Mama«, schluchzte Angelika verhalten auf, »du hast das gewußt.«
»Nimm dich zusammen, Angelika!« sagte Christina streng. »Vergiß nicht, wer du bist! Willst du all diesen neugierigen Menschen, die nur darauf warten, sich an deinem Schmerz zu weiden, ein Schauspiel bieten? Sieh dich doch nur um, wie sie dich anstarren.«
»Laß uns fortgehen, Mama!« bat Angelika schwach, sie konnte sich kaum noch auf den Füßen halten.
»In einer Minute, Kind.«
Gleich darauf führte Christina so unauffällig wie möglich Angelika in einen der kleinen Salons, die an die Gesellschaftsräume grenzten.
Und hier sank Angelika schluchzend in einen der zierlichen Sesselchen, beide Hände vor das Gesicht gepreßt.
»Oh, wie gemein!« stieß sie hervor. »Warum hast du mir nichts davon gesagt? Ich wußte ja nicht, daß er der König ist. Es ist so gemein.«
»Kind«, erwiderte Christina hilflos, »ich hätte es dir so gern erspart, aber du wolltest nicht auf mich hören, als ich dich bat, diese Liebe zu vergessen.«
»Ich konnte nicht auf dich hören, Mama«, entgegnete Angelika heftig, »ich kann es nicht einmal jetzt. Ich liebe ihn, ob er ein König ist oder nicht…«
»Komm zu dir, Angelika! Ich weiß, dein Schmerz ist entsetzlich, aber glaube mir, mit der Zeit wird er abklingen. Du wirst es überwinden.«
»Niemals«,