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Die phantastische Welt der Literatur: 90+ Romane, Märchen & Zauberhafte Geschichten. Gustav WeilЧитать онлайн книгу.

Die phantastische Welt der Literatur: 90+ Romane, Märchen & Zauberhafte Geschichten - Gustav  Weil


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wir ihn endlich gefunden!« Merlin stellte sich zwischen die andern Knaben und lachte als er sah, wie die Boten den weinenden Knaben ausfragten, er solle ihnen den zeigen, der ihn geschlagen. »Hier ist der, den Ihr sucht«, sagte er, »dessen Blut Ihr geschworen habt dem König Vortigern zu überbringen.« – »Wer hat Dir das gesagt?« riefen die Boten voll Erstaunen aus. »Ich will Euch auch sagen«, fing Merlin wieder an, »warum Ihr mich erschlagen sollt, und warum der Turm nicht stehen bleiben will; wollt Ihr mir schwören, mir nichts zuleide zu tun, so gehe ich mit Euch.« Merlin sagte dies bloß, um sie immer mehr in Erstaunen zu setzen, er wußte es sehr wohl vorher, daß sie ihm nichts zuleide tun noch ihn umbringen würden. »Dieses Kind spricht Wunderdinge«, sagten die Boten; »wahrlich, es wäre sündlich es zu töten. Wir schwören Dir«, sagten sie zu Merlin, »Dich nicht zu töten noch Dich töten zu lassen, geh aber mit uns.« – »Ich will wohl«, antwortete Merlin; »vorher aber kommt mit mir zu meiner Mutter, damit ich sie um Urlaub zur Reise bitte und sie mich vorher segne; auch muß ich den frommen Mann, der bei ihr wohnt, noch sprechen.« Er führte also die Boten in das Kloster, wo seine Mutter lebte, ließ sie gut bewirten, auch für ihre Pferde Sorge tragen, dann führte er sie hinein zu Meister Blasius.

      »Meister«, redete er ihn an, »hier sind die, von denen ich Euch sagte, daß sie kommen würden, mich zu erschlagen. Höre jetzt, was ich ihnen sage, und schreibe es auf.« Darauf wandte er sich zu den Boten: »Ihr seid einem König untenan, dessen Name ist Vortigern. Dieser König Vortigern will einen Turm erbauen lassen ...« und so sagte er den Boten alles aufs Haar, wie es dabei herging, was der König gesagt, und was die weisen Räte und Sterndeuter; auch wie sie vier nebst noch acht andern geschickt worden seien, ihn aufzusuchen und sein Blut dem König Vortigern zu bringen. »Ich selbst«, fuhr er fort, »wollte mich von Euch finden lassen, darum schlug ich den Knaben gegen die Beine, daß er schreien und schimpfend mich Euch verraten mußte.« Hierauf entfernte Merlin sich, und Meister Blasius fragte die Boten: »Verhält alles sich so, wie der Knabe hier sagte?« – »In Wahrheit«, antworteten sie, »es ist alles genau so wie er sagt, oder unsere Seele komme nie zu Gott.« Meister Blasius bekreuzigte sich und sprach: »Es wird ein sehr weiser Mann aus ihm, wenn er leben bleibt, und sehr sündlich wäre es, und gar Schade, wenn Ihr ihn umbringen wolltet.« – »Lieber«, erwiderten die Boten, »wollten wir in Ewigkeit unser eigenes Leben missen und dem König alle unser Hab und Gut überlassen. Er, der Knabe, der so vieles weiß, wird auch, daß dies Wahrheit ist, sicher wissen.« – »Ihr habt Recht«, antwortete Meister Blasius, »ich werde ihn in Eurer Gegenwart darum fragen.« Als nun Merlin wieder zu ihnen kam, sagte ihm Meister Blasius: »Du hast in allem wahr gesagt, jetzt aber antworte mir auf eine andre Frage: Haben diese Boten die Macht und sind sie Willens Dich zu töten?« – »Sie haben wohl die Macht dazu«, antwortete Merlin lachend, »und waren es freilich Willens; jetzt aber haben sie, Gott sei Dank, die Lust dazu verloren, und ich darf wohl mit ihnen ziehen. Schwört mir aber vorher, daß Ihr mich nicht erschlagen und mich wohlbehalten vor den König bringen wollt; hat dieser mich erst reden hören, so bin ich gewiß, daß er mein Blut nicht weiter verlangen wird.«

      Die Boten legten den Eid ab, den Merlin von ihnen gefordert. Darauf sagte Meister Blasius: »Ich sehe nun wohl, Merlin, daß Du mich verlassen mußt; sage mir aber vorher, was aus dem angefangenen Buch werden soll?« – »So bald ich von hier weg bin«, antwortete ihm Merlin, »so mache Dich auf und gehe nach der Gegend und in das Land, welches Northumberland genannt wird. Dieses Land ist voller großer Wälder, so daß die Einwohner selbst es nicht genau kennen, denn es gibt da Wälder, wo niemals ein Mensch hingekommen. Dort halte Dich auf, ich werde Dich schon zu finden wissen und Dir alles bringen, was zur Vollendung unseres Werks notwendig ist. Wisse, dieses Werk wird Dir viel Mühe und Arbeit verursachen; sei aber guten Mutes und arbeite mit Geduld, Du wirst am Ende hohen Lohn davon tragen. Es wird dieses Werk von Jahrhundert zu Jahrhundert fortleben, und der Lohn wird dem gleich sein, den Joseph von Arimathia erhielt, als er den heiligen Leib des Herrn vom Kreuz abnahm. Wisse auch, daß ich in dem Königreich, wohin ich jetzt gehe, es dahin bringen werde, daß Männer und Frauen für einen Menschen von gottgeliebter Abkunft tätig sind. Aber erst bei dem vierten König wird dies so sein. König Artus wird er heißen. Geh Du nur dahin, wo ich Dir sagte, ich werde oft zu dir kommen und Dir sagen, was Du schreiben sollst. Alle Lebensbeschreibungen vom König Artus, und aller, die gleichzeitig mit ihm leben, werde ich Dich schreiben lassen, so wie alles, was zu seiner Zeit geschieht; es wird ein wundervolles Werk werden. Du aber wirst alsdann dieselbe Gnade erlangen, welcher alle jene aus der Gesellschaft des heiligen Gral teilhaft werden. Nach unserm Tode wird dieses Buch gefunden werden, und es wird ein ewiges Denkmal sein.«

      Meister Blasius sagte: »Ich tue mit Freuden alles, was Du mir befiehlst.« Darauf ging Merlin, in Begleitung der Boten, zu seiner Mutter und beurlaubte sich von ihr. »Ich muß mich von Euch mit diesen fremden Boten entfernen«, sagte er; »es geschieht im Dienste des Herrn, daß ich mit ihnen gehe; auch Meister Blasius muß zu diesem Ende in ein anderes Land ziehen.« – »Sei Gott empfohlen, mein Sohn«, sagte die Mutter, »ich kann Dir nicht den Urlaub vorenthalten, denn alles, was Du beginnst, ist weise und nach dem Willen Gottes. Könnte aber Meister Blasius bei mir bleiben, würde das in meinem abgeschiedenen, der Betrachtung geweihten Leben mir von großem Nutzen sein.« – »Es kann diesmal nicht sein, Mutter«, erwiderte Merlin, nahm Abschied von ihr, und machte sich in Begleitung der Boten auf den Weg. Meister Blasius aber ging, so wie ihm befohlen worden, nach Northumberland.

      XI. Wie Merlin weitere Proben seiner Hellsicht und Prophetengabe ablegte

       Inhaltsverzeichnis

      Merlin kam mit seinen Begleitern durch eine Stadt, wo Markt gehalten wurde; als sie jenseits der Stadt waren, trafen sie einen jungen Mann, der sich auf dem Markt ein Paar neue Schuh und ein großes Stück Leder gekauft, weil er eine lange Wallfahrt zu tun gelobt hatte. Merlin lachte laut, als er an diesem Mann vorbei war; die Boten fragten um die Ursache seines lauten Lachens. »Fragt den Mann«, sagte Merlin, »was er mit dem Leder zu machen gesonnen sei. Er wird Euch sagen, daß er seine neuen Schuhe damit flicken wolle, wenn sie zerrissen sind, denn er hat eine große Reise vor; ehe er aber seine Schuhe nach Hause getragen, wird er tot sein.« – »Wir wollen sehen«, sagten die Boten, »ob Du die Wahrheit gesprochen; zwei von uns werden Dich begleiten, zwei sollen den Mann anreden und mit ihm gehen.« Sie taten dies, bestimmten aber vorher einen Ort, wo sie sich wieder treffen würden.

      Als die zwei an den jungen Mann herangingen, fragten sie ihn, was er mit dem Stück Leder machen wolle, und der Mann sagte ihnen dieselben Worte, die Merlin ihnen vorher gesagt, worüber sie sehr erstaunten; als sie aber noch ein Stück Weges mit ihm gegangen waren, fiel der Mann vor ihnen hin und war tot. Die beiden waren verwundert und erschrocken über diese Begebenheit und machten sich sogleich auf den Weg, Merlin und die andern Gefährten aufzusuchen. Indem sie ritten, unterhielten sie sich von dem wundervollen Kind und seiner Weisheit. »In Wahrheit«, sagten sie, »diejenigen, die seinen Tod verlangten, sind sehr töricht; wir selber möchten viel lieber sterben, als ihm ein Leid zufügen lassen.« Hierauf trafen sie den Merlin wieder an, der, so bald er ihrer ansichtig ward, sich bei ihnen bedankte, daß sie so Gutes von ihm geredet: »Ich weiß jedes Wort, was Ihr von mir gesprochen.« – »Sag es uns, wenn Du es weißt.« Hierauf wiederholte Merlin ihnen alle Worte, die sie von ihm geredet, worüber sie nur immer mehr erstaunten.

      Als sie ungefähr eine Tagreise weit im Lande des Königs Vortigern gekommen waren, begegneten sie in einer Stadt einem Leichenzug. Ein Kind wurde zur Erde bestattet, und Männer und Frauen folgten der Leiche in großer Betrübnis und in Trauerkleider gehüllt, wie auch der Prior nebst vielen Geistlichen, die mit Gesänge dem Zuge folgten. Merlin stand stille, und als der Zug vorbei war, fing er wieder an zu lachen. Die Boten fragten ihn erneut, worüber er lache. »Über diese wunderlichen Dinge lache ich«, sagte Merlin; »seht doch, wie dieser gute Mann klagt und trauert, und wie der Prior so brav singt! Umgekehrt sollte es sein, der Prior sollte trauern und der gute Mann könnte singen; denn das Kind, das der Mann beweint, ist nicht sein Kind, wie er wähnt, sondern der Prior ist sein Vater.« – »Wie«, sagten die Boten, »sollte dies wahr sein?« – »Geht hin«, erwiderte Merlin, »zu der Frau des Mannes und fragt sie, warum der Mann solch Leid trüge? Sie wird antworten,


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