Kaiserkrieger 13: Flammen über Persien. Dirk van den BoomЧитать онлайн книгу.
sicher, Sie sind hochgeachtet. Aber Sie sind nicht die ausschlaggebende Autorität.«
Er blickte auf, beinahe furchtsam für den Moment, als erwarte er ein wütendes Aufbrausen oder sogar Schläge. Aber Metellus hatte mit keiner anderen Antwort gerechnet und bereits beim ersten Gespräch hatte er den Eindruck gewonnen, dass dieser Jin ein Mann von einiger Intelligenz war. Möglicherweise ein Hinweis darauf, dass Jawed richtiglag. Möglicherweise ein Hinweis darauf, dass es vor allem ein intelligenter Mann wagen würde, dem Zugriff der eigenen Leute zu entfliehen und sich zuzutrauen, in einer fremden Umgebung zu überleben.
»Nein«, sagte Metellus. »Das bin ich nicht. Wer hat Ihnen so genau erklärt, wer im Persischen Reich von Autorität ist oder nicht?«
»Ich bin Offizier. Wir erhalten Berichte, grundsätzliche Einweisungen, vor allem, wenn wir an der Front dienen. Wir sind weder unwissend noch ungebildet.«
Metellus hörte den Trotz in der Stimme Jins und er nickte gemessen. Das, was der Mann sagte, widersprach dem Bild, das er bis jetzt von den Zuständen in Baekye gewonnen hatte. Informationskontrolle und Propaganda waren nach allem, was man hörte, zentrale Bestandteile der Innenpolitik und das galt nicht nur für die normale Bevölkerung, sondern auch und gerade für das Militär. Es war natürlich nicht auszuschließen, dass Offiziere, je nach Rang, über weiter gehende Informationen verfügten, einem nicht ganz so harten Regime unterlagen. Gerade in einer fluiden Kriegssituation war es auch gar nicht zu vermeiden, dass intelligente Menschen in Kontakt mit Erkenntnissen kamen, die man ihnen sonst lieber vorenthalten würde.
»Offizier, ja?«
»Ich sage nichts mehr.«
»Ich bin auch Offizier. Wir können ehrlich miteinander reden. Ich mache Ihnen ein Angebot: Sie stellen mir zwei Fragen, die ich aufrichtig beantworte, und dafür darf ich eine aufrichtige Antwort von Ihnen erwarten. Ein Handel, zu Ihren Gunsten.«
Jin lächelte und schüttelte den Kopf. »Zu meinen Ungunsten. Denn das Wissen, das Sie mir anbieten, ist für mich bedeutungslos. Ich bin weit weg von zu Hause, habe die Bande dorthin durchschnitten. Alles, was ich Ihnen mitteile, ist hingegen voller Bedeutung. Das ist nichts, was wir abzählen können, Römer. Information wird nicht allein durch seine Menge relevant, sondern vor allem durch seine Qualität und in wessen Händen sie liegt.«
Das waren kluge Worte, wie Metellus fand, und erneut wurde er an Jaweds Misstrauen erinnert. Sprach so ein normaler, fahnenflüchtiger Offizier, der auf eine neue Heimat hoffte? Andererseits, würde sich ein Spion so eine Blöße geben und differenziert über ein Thema sprechen, das sein Schicksal beeinflussen würde? Oder war das wiederum gerade eine bewusste Strategie? Metellus fasste sich unwillkürlich an den Kopf. Wenn dies wiederum eine Vorgehensweise war, um ihn zu verwirren, so hatte Jin damit Erfolg. Metellus war für diese Art von Scharaden nicht qualifiziert, er dachte nicht wie ein Spion. Er war darauf aus, die Schädel seiner Feinde einzuschlagen, und bedurfte eigentlich nur einer klaren Anweisung, in welche Richtung er dafür rennen musste.
Das änderte natürlich nichts daran, dass er furchtbar neugierig war.
»Sie können gut Persisch.«
»Ich spreche auch jene Sprache, die man Englisch nennt.«
Den Satz hatte er bereits in dieser gesprochen. Metellus, der ebenfalls des Englischen mächtig war, wie alle Offiziere es auf der Akademie zu lernen hatten, war nicht richtig überrascht.
»Ich bin beeindruckt«, sagte er.
»Es gehörte zu meiner Ausbildung.«
»Können alle Offiziere aus Baekye so gut Englisch?«
»Nein. Können alle Offizier aus Rom diese Sprache?«
»Nein, obwohl wir sie auf der Akademie lernen müssen. Aber was man nicht benutzt, das rostet ein.«
»Sie sind eine Ausnahme.«
»Ich hatte immer eine Schwäche für Sprachen.«
Das war nicht gelogen, Metellus konnte Sprachen schnell und leicht lernen, es gehörte neben brutaler Raserei auf dem Schlachtfeld zu seinen hervorstechenden Fähigkeiten. Darüber hinaus aber gab es überall verteilt im Imperium – dem römischen wie dem persischen – Offiziere, deren Sprachausbildung besonders intensiv gewesen war. Denn alle rechneten damit, dass die scheinbar endlose Abfolge an aus der Zukunft eintreffenden Zeitenwanderern nicht plötzlich abbrechen werde. Entweder man entdeckte neue, die man bisher nicht identifiziert hatte, oder sie tauchten noch auf. Es war sinnvoll, überall jene zu positionieren, die möglicherweise mit diesen Leuten würden kommunizieren können, jedenfalls potenziell besser als der normale Legionär.
Möglicherweise dachten die Herren von Baekye genauso. Möglicherweise war Jin aber auch ein gut ausgebildeter Spion. Metellus bekam wirklich Kopfschmerzen.
Jin lächelte den Römer an.
»Sie machen sich zu viele Gedanken. Ich bin ein Überläufer. Ja, ich habe wichtige Informationen, und ja, ich will etwas zum Tausch. Asyl. Ein Haus. Diener. Geld. Ich will ein gutes Leben. Ich bin kein Verräter, weil ich den Geliebten Marschall aus ganzem Herzen hasse. Ich gehörte zu den Offizieren seiner Armee, und war man loyal, ging es einem im Vergleich zu allen anderen recht gut. Aber ich will mehr, ich will nicht darauf warten, und wenn ich einer Sache müde wurde, dann dieses Krieges. Immer nur töten, töten, töten. Ich kann das Blut an meinen Händen sehen und riechen, egal wie oft ich sie wasche. Davon habe ich genug. Also habe ich einen Entschluss gefasst. Ist meine Motivation für Sie sehr verwerflich, Römer?«
»Ich bin in keiner Position, Ihre Motivation zu beurteilen, vor allem, weil ich nicht weiß, ob Sie mich belügen.«
»Gut, das stimmt. Ich kann Ihnen ja alles Mögliche erzählen. Ich respektiere Ihre Einstellung. Aber nehmen wir an, ich würde die Wahrheit sprechen. Wäre das schlecht?«
Metellus überlegte einen Moment, ob und wie er auf diese Frage antworten sollte. Jin langweilte sich vielleicht und genoss das Gespräch oder er versuchte, in seinen Kopf zu kommen, in ihm den Gedanken zu säen, dass dieser Mann aus Baekye ehrlich sei und dass man ihm zuhören solle. Es gab nur eine Methode, um aus dem Dilemma zu entkommen. Nein, korrigierte er sich: Es gab eigentlich zwei. Da eine der beiden darin bestand, Jin in diesem Moment die Kehle zu durchschneiden, musste er sie aus übergeordneter Verantwortung heraus leider verwerfen. Blieb die zweite.
Er drehte sich um und ging. Ohne ein weiteres Wort, ohne einen Blick zurück. Vielleicht war das ein Sieg für Jin, vielleicht auch nicht. Es war im Grunde egal. Metellus’ Neugierde war nicht befriedigt worden, vielleicht war diese Absicht auch zu naiv gewesen.
Draußen angekommen, atmete er tief ein. Er war für diese Art von Arbeit nicht geschaffen, dieses Fechten mit Worten, mit offensichtlichen und implizierten Aussagen, mit Andeutungen, tieferem Sinn, Täuschungen, dem Vagen, dem Verschleierten, dem Unausgesprochenen. Er mochte es, wenn die Menschen sagten, was sie meinten, und meinten, was sie sagten. Damit konnte er umgehen. Er konnte für etwas sein, gegen etwas oder es war ihm egal. Aber dieses Schweben in einem ständigen Zustand der Ungewissheit darüber, was nun war und was nicht, das ging ihm gehörig gegen den Strich. Er war Soldat. Er war ein intelligenter Mann, bei aller Bescheidenheit. Er wusste, wie wichtig gute Informationen waren, wie entscheidend für jeden Kriegsverlauf. Aber er war offenbar nicht die geeignete Person, solche Informationen zu erlangen, ohne dabei dem Gesprächspartner die Nägel aus den Fingern zu reißen.
Das war gut. Es half, die eigenen Begrenzungen zu verstehen.
Es half ihm auch einzusehen, dass er niemals Wunschdenken und Realität miteinander verwechseln durfte. Er wollte, dass Jin ein genuiner Überläufer war, jemand, der ihnen richtig half und dem Gegner dadurch mächtig eins reinwürgte. Er wollte es mit jeder Faser seines Körpers.
Aber es konnte durchaus sein, dass die Wahrheit sich nicht an seinem Wollen orientierte.
»Zenturio. Wir haben den Wagen für den Gefangenen vorbereitet.« Metellus war dankbar für die Abwechslung und er war verwundert. Dafür war es doch noch viel zu früh!
Er folgte dem Soldaten, der ihn zu den Stallungen