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Chefarzt Dr. Norden Staffel 6 – Arztroman. Helen PerkinsЧитать онлайн книгу.

Chefarzt Dr. Norden Staffel 6 – Arztroman - Helen Perkins


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seltsames Schnarren erklang, das sich verdächtig nach einem misslungenen Lachen anhörte. »Ich war noch nicht fertig, Chef …« Berger machte eine Pause, und Daniel konnte hören, wie er mühsam nach Luft rang. Die rasselnden Geräusche, die dabei zu hören waren, beunruhigten Daniel. »Ich glaube … ich bin sicher, ich habe mir mehrere Rippen gebrochen … Meine Lunge hat’s dabei erwischt. Ich kann kaum atmen … wahrscheinlich Spannungspneu … wird immer schlimmer … denke nicht, dass ich das schaffe, Chef … tut mir leid …«

      Daniel schloss die Augen, um sich zu sammeln. Dann sprach er beschwörend auf Erik ein: »Sie müssen durchhalten. Etwas anderes kommt nicht infrage! Wehe, Sie geben einfach so auf. Sie werden das hinbekommen! Haben Sie mich verstanden?«

      »Klar, Chef … aber …« Erik schnappte wieder nach Luft. »Aber es sieht echt beschissen aus …«

      »Ich weiß. Meine Frau informiert bereits die Rettungskräfte, damit sie wissen, wo sie nach Ihnen zu suchen haben. Es wird nicht mehr lange dauern, bis Sie da raus sind.«

      Daniel konnte nicht wissen, wie sehr er sich irrte.

      Mit dem Telefon in der Hand lief er in die Notaufnahme. Fee folgte ihm, als sie ihr Telefonat mit der Einsatzleitung der Feuerwehr beendet hatte. Indessen redete Daniel weiter auf Erik Berger ein und versuchte, ihm Mut zu machen. Doch Berger ging es schlechter. Die Pausen, die er inzwischen einlegen musste, kamen immer häufiger und dauerten ständig länger. Daniel wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sein Notarzt das Bewusstsein verlieren würde. Noch nie hatte er sich so ohnmächtig gefühlt. Das Telefon in seiner Hand war die einzige Verbindung zu einem Mann, der dringend ärztliche Hilfe brauchte und für den er trotzdem nichts tun konnte. Irgendetwas musste er doch machen! Er konnte unmöglich tatenlos einem Mann beim Sterben zuhören!

      Als Daniel das Dienstzimmer der Notaufnahme erreicht hatte, antwortete Erik nicht mehr. Trotzdem redete Daniel immer weiter auf ihn ein. Vielleicht drang er ja noch zu ihm durch! Vielleicht war Erik nur zu schwach zum Antworten. Und vielleicht war Daniels Stimme das Einzige, das ihn noch am Leben hielt und ihm Hoffnung gab …

      *

      »Wann treffen die nächsten Verschütteten ein?«, fragte Daniel und sah in die Runde. Er hatte alle Schwestern, Pfleger und Ärzte, die nicht unbedingt bei den Patienten gebraucht wurden, zu einem kurzen Meeting gebeten.

      »Das THW legt den Haupteingang frei, um die restlichen Verschütteten zu bergen«, erklärte Dr. Schwebke. Daniel fiel auf, wie müde sein dienstältester Oberarzt aussah. Er musste unbedingt dafür sorgen, dass Schwebke abgelöst wurde und nach Hause fuhr.

      »Sobald sie raus sind, werden sie in die Kliniken gebracht«, fuhr Schwebke fort. »Zuerst in die, die in der Nähe des Unglücksortes liegen. Es wird also noch eine Weile dauern, bis sie bei uns eintreffen. Ich habe der Leitstelle erst mal vier freie Betten gemeldet. Bei dringendem Bedarf könnten wir noch vier Notbetten bereitstellen. Dann ist endgültig Schluss.«

      »Gut«, sagte Daniel und räusperte sich umständlich. Seine nächsten Worte würden sicher für einige Aufregung sorgen. »Ich möchte, dass ein Bett freigehalten wird. Wir werden es für Dr. Berger brauchen.«

      »Dr. Berger?«, fragte Josef Schwebke verwundert nach. »Ich verstehe nicht …«

      »Herr Berger gehört zu den Clubbesuchern, die verschüttet worden sind.« Daniel überlegte, ob er die volle, schreckliche Wahrheit offenbaren sollte. »Seine Verletzungen scheinen sehr schwerwiegend zu sein. Wahrscheinlich hat er mehrere Frakturen und einen Spannungspneumothorax. Seine Lunge kollabiert, und er kann kaum atmen. Leider weiß noch niemand genau, wo er sich befindet. Sie suchen nach ihm. Beten wir, dass die Rettung nicht zu spät kommt.«

      Daniel konnte das sprachlose Entsetzen im Raum spüren.

      Die Betroffenheit in den Gesichtern seiner Mitarbeiter war echt. Auch wenn jeder von ihnen schon mit Erik Berger aneinandergeraten war, wünschten sich alle, dass er unbeschadet aus der Sache herauskommen würde.

      »Viele von Ihnen sind seit Stunden ununterbrochen im Dienst. Ich möchte jeden, der entbehrlich ist, bitten, nach Hause zu fahren und ein wenig zu schlafen. Ich denke dabei vor allem an Herrn Schwebke oder Schwester Anna. Machen Sie erst mal Feierabend.«

      Josef Schwebke verzog missbilligend den Mund. Nur weil er ein paar Jahre älter war als die anderen, hieß das nicht, dass er nichts mehr leisten konnte und Schonung nötig hätte. Außerdem gab es ja noch Erik Berger. Wie konnte der Chef nur annehmen, dass er jetzt ruhig schlafen könne?

      »Das ist nicht nötig, Dr. Norden«, protestierte er deshalb. »Ich fühle mich fit und brauche noch keine Pause. Und wenn Dr. Berger eingeliefert wird, möchte ich da sein. Vielleicht werde ich gerade dann am nötigsten gebraucht. Ich kann mich nicht in ein weiches Bett legen, während er irgendwo unter Steinen, in der Dunkelheit um sein Leben ringt. Glauben Sie mir, Herr Norden, um mich brauchen Sie sich wirklich keine Sorge zu machen.«

      »Dr. Berger ist mein Chef.« Die sonst so freundliche und sanftmütige Anna sah den Klinikchef fast finster an. »Ich werde ihn nicht im Stich lassen und nach Hause gehen. Das mache ich erst, wenn ich weiß, dass es ihm gutgeht.«

      »Ich werde auch bleiben«, sagte Christina Rohde. »Ich komme mit sehr wenig Schlaf aus, wenn’s sein muss.«

      »Ja, ich auch! … Ich halte noch ein paar Stunden durch! … Mir macht’s auch nichts aus hierzubleiben! …«, ertönte es vielstimmig von allen Seiten.

      Daniel sah sich gerührt um. Auf seine Mitarbeiter war immer Verlass. Sie standen einander bei, wenn jemand in Not war. Selten war ihm das so bewusst geworden wie an diesem schicksalsträchtigen Tag. Sie waren ein eingeschworenes Team, das in Krisenzeiten fest zusammenhielt. Die Zuversicht, dass sie gemeinsam alles schaffen könnten, durfte er ihnen nicht nehmen, indem er sie auseinanderriss.

      »Gut!«, sagte er rau. »Ich vertraue darauf, dass Sie selbst am besten einschätzen können, ob Sie noch in der Lage sind weiterzuarbeiten. Herr Schwebke, die Leitung bleibt dann also weiter in Ihren Händen. Ich werde zum Club fahren. Wenn Herr Berger geborgen wird, möchte ich dabei sein. Es tut ihm vielleicht gut, ein vertrautes Gesicht zu sehen.«

      »Bitte bringen Sie ihn uns wieder zurück«, schniefte Schwester Inga auf einmal leise. »Wir haben ihm nie gesagt, wie sehr wir ihn schätzen. Ich … bitte richten Sie ihm einfach unsere Grüße aus, ja? Wir denken an ihn und hoffen, dass er bald wieder unter uns ist.«

      »Das mache ich«, versprach Daniel und betete, dass er dazu noch die Gelegenheit bekommen würde.

      Fee begleitete ihn zu seinem Wagen. »Fahr zu ihm, Dan«, sagte sie weich. »Vielleicht kannst du ihn noch mal erreichen und ihm Mut zusprechen. Ich weiß, wie sehr du ihn schätzt, obwohl er dich immer wieder auf die Palme bringt. Du magst ihn, nicht wahr?«

      »Ja, Feelein, genau wie du. Und so wie es aussieht, auch alle anderen. Du hast sie da drin gesehen. Niemand hat auch nur einen Gedanken an die vielen kleinen Zankereien und Wortgefechte der Vergangenheit verschwendet. Obwohl er oft bärbeißig und zynisch ist, achten sie ihn und wollen ihm beistehen.« Daniel richtete seinen Blick in die Ferne, als er sagte: »Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie schlimm es für ihn sein muss. Eingesperrt mit der Gewissheit, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt. Er ist da ganz allein und muss sich schrecklich fühlen.«

      Daniel küsste Fee, stieg in sein Auto und fuhr los.

      Noch lange blieb Fee Norden auf dem Parkplatz stehen, um dem davonfahrenden Wagen nachzusehen. Eine unerklärliche Angst breitete sich plötzlich in ihr aus. Ihr war, als wäre dies ein Abschied für immer gewesen. Gerade so, als hätte sie ihren Liebsten das letzte Mal gesehen. Schnell schüttelte Fee diese finsteren Gedanken ab. Wo waren sie nur hergekommen? Daniel ging es gut, ihm drohte keine Gefahr! Trotzdem fühlte es sich so an …

      Die Schmerzen und die beißende Kälte spürte Erik schon lange nicht mehr. Obwohl er froh war, dass diese Pein ein Ende hatte, wusste er, dass das kein gutes Zeichen war. Sein Körper gab auf.

      Das Telefon war ihm aus der Hand geglitten und lag nun unauffindbar zwischen den Gesteinsbrocken.


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