EbenHolz und ElfenBein | Erotischer Roman. Martin KandauЧитать онлайн книгу.
mir unendlich gut. Sie waren erotisch in sehr ästhetischer Art. Die Fotos überzeugten mich, und ich beschloss, sie Moe zu zeigen.
So ging ich rüber in seinen Laden und knüpfte gleich an unser Gespräch an. »Ich will dir etwas zeigen.«
Moe sah die Bilder. Er betrachtete sie lange und sehr interessiert. Er sah seinen Schmuck von heller Haut getragen und von blondem Lockenhaar umspielt.
»Wenn du sagst, dass vor allem Europäerinnen diesen Schmuck kaufen, ist es dann so abwegig, ihn von Europäerinnen präsentieren zu lassen?«
»Vielleicht ist es das«, sagte er, den Blick nicht von den Fotos lösend, »vielleicht ist das die Idee, Martin!«
Am Abend ging das Telefon. Es war Moe, der lange mit Marion sprach. In ihrem Gesicht las ich Überraschung und Neugierde. Moe lud uns fürs Wochenende zu sich nach Hause ein. Er redete viel – sie hörte schweigend zu und stimmte dann zögerlich zu.
Nach dem Gespräch wandte sie sich langsam zu mir um. »Moe hat erzählt, dass du ihm die Bilder gezeigt hast, die du von mir und seinem Schmuck gemacht hast. Das hat ihn auf die Idee gebracht, eine Serie zu machen. Ich soll seinen Schmuck präsentieren.«
»Auf deiner Haut.«
»Auf meiner Haut«, bestätigte sie. Ihre Augen suchten in meinem Gesicht nach einer Reaktion. Eifersucht? Zustimmung? »Er hat uns eingeladen zu sich. Am Samstag besuchen wir ihn.«
»Und gefällt dir die Idee, ein Model zu werden?«
Sie lächelte. »Sie gefällt mir sehr«, gestand sie. »Ja, sie macht mich an.«
6
Ich hatte Schwierigkeit, den Samstag zu erwarten. Ich fieberte dem Tag entgegen. Marion ging am Morgen aus dem Haus, zur Arbeit in das große, renommierte Schuhgeschäft in der Innenstadt. Ich hatte den ganzen Tag bis zum Nachmittag Zeit, meiner Arbeit zu Hause nachzugehen. Meistens spielte sich das am Computer ab. Aber heute konnte ich mich nicht konzentrieren. Ständig war mir das bevorstehende Fotoshooting in Gedanken. Ich war unendlich erregt bei der Vorstellung, dass Moe nackte Haut von Marion sehen würde.
»Wie viel von mir darf er denn sehen?«, hatte sie mich gefragt. Ich hatte fast sprachlos geantwortet, dass sie ihm alles zeigen dürfe, was sie wolle.
»Wir werden sehen, was ich will«, hatte Marion daraufhin lasziv gesagt.
Der Gedanke, dass Moe ihrer ganzen Nacktheit begegnen könnte, erregte mich so sehr, wie er mich schockierte. Ich war mir nicht sicher, ob ich das wirklich wollte. Ich wusste nur, dass der Gedanke mich erschütterte und zu überrollen drohte. Nie hatte ich in meinem Leben dieses intensive Entgegenfiebern verspürt. Hier wurden tiefe, dunkle Wünsche berührt, die ich bisher sorgsam verborgen gehalten hatte. Eine verwirrende Neigung. Es erregte mich, dass ein anderer Mann meine Frau nackt sehen würde. Es gab mir etwas und raubte mir zugleich den Verstand, ich konnte diese Lust nicht erklären, wusste nicht, was sie bedeutet, und so forschte ich dieser Neigung nach. Dabei stieß ich auf eine kleine Geschichte aus antiker Zeit. Sie handelte von einem König, sein Name war Kandaules. Er war leibhaftiger Nachkomme des Herakles, und der griechische Geschichtsschreiber Herodot berichtete von ihm:
Der König hatte sich in sein eigenes Weib verliebt. Er war von ihrer Schönheit so begeistert, dass in ihm das Verlangen erwachte, diese Schönheit mit anderen zu teilen. Der König hatte einen Leibwächter, der zugleich ein enger Freund aus Jugendtagen war. Sein Name war Gyges. Als der König ihm von der Schönheit seiner Frau vorschwärmte, wandte Gyges sich schamvoll ab. Kandaules aber zwang ihn dazu, der Königin aus einem Versteck im Zimmer beim Auskleiden zuzusehen. Gyges tat es. Und erblickte die Frau von Kandaules in ihrer ganzen Nacktheit und Schönheit. Als er sich aus dem Zimmer hinausschlich, erkannte die Königin ihn jedoch, und sie zwang ihn, weil er sie nackt gesehen hatte und sie dies als Schande empfand, sich das Leben zu nehmen oder den König zu töten und sie zur Frau zu nehmen. Gyges wählte das Leben, und Kandaules starb.
Aber zuvor erlebte der König Atemberaubendes. Ich konnte spüren, wie er diesem Augenblick entgegengefiebert hatte, in dem er seinem Freund Gyges die nackte Schönheit seiner Königin offenbarte. Er konnte etwas mitteilen, was er selbst nicht fassen konnte. Er konnte ihren Reiz und ihre Schönheit teilen und es damit fassbarer für sich machen. Erst durch die fremden Augen, die voller Bewunderung und Erregung über den herrlichen Leib wanderten, konnte er ihn selbst begreifen, was seine eigene Lust nur umso mehr steigerte.
Im Unterschied zur Legende wusste die Königin in meiner Fantasie schon etwas von der Neigung. Marions Stimme sprach aus den Tiefen meiner Gedanken zu mir: »Stell dir vor, die Königin hätte Gefallen daran gefunden, beobachtet zu werden. Stell dir vor, sie hätte es genossen, betrachtet zu werden. Und der Freund hätte es ebenso genossen. Sie hätte der Begierde dieses anderen Mannes ins Auge gesehen und sich daran erregt. Sie hätte nackt dagestanden und sich selbst in seinen verbotenen Blicken genossen. Und dann hätte sie weiter im Dunkeln auch den König erkannt, der diese verbotenen Blicke mit Faszination verfolgte. Und dann hätten beide sich in die Augen gesehen. Und sich an diesem Moment berauscht!«
Meine Lust wandelte weiter auf dem verbotenen Pfad, und ich hörte Marions Stimme, die in meiner Fantasie weitersprach: »Sag mir: Gefällt dir nur der Moment? Der Moment, in dem sie ihre Nacktheit zeigt? Oder ist es mehr? Ist dieser Moment nur ein Symbol für das, was ihm folgen könnte? Sag mir: Würde es dich erregen, wenn der Freund die Königin berührt, sie streichelt und sie küsst? Stellst du dir nicht vor, dass es die Moral von der Geschicht‘ nicht gäbe und dass dieser Moment sich ganz anders entwickeln würde?«
Die Frage war: Wie weit wäre Kandaules gegangen? Was hätte er gewollt? Wann wäre seine Lust endgültig befriedigt worden? Wo lag das Ende seines Pfades der Lust? Vielleicht hatte er das nicht gewusst. Die Schönheit seiner Königin war zu viel für ihn. Sie machte ihn verrückt, und er musste versuchen, ihrer Herr zu werden. Wie weit wäre er gegangen, um den Reiz zu befriedigen, den seine schöne Königin in ihm auslöste?
Es gab ein historisches Gemälde von dem englischen Maler William Etty. Dieses Bild stellt die Szene dar: Da steht die Königin, vollkommen entkleidet, in ihrer reich geformten Nacktheit. Sie steht mit erhobenen Armen und leicht gewölbter Hinterseite da, und ihr ganz nahe, hinter Brokat verborgen im Schatten, steht ihr stiller Betrachter. Sein verbotener Blick weidet sich ungläubig an ihr. Dieser Blick entweiht das Geheimnis, er scheint die Heiligkeit des nackten Leibes zu erobern. Und gleich neben dem heimlichen Betrachter steht atemlos der König, der das sieht.
Das Bild war faszinierend. Ich starrte es lange auf dem Computerbildschirm an. Man spürte darin so einen Hauch von erschrecktem Staunen über die wundervolle Blöße, die die Königin sich gab. Einen reizvolleren Moment konnte ich mir nicht vorstellen. Und wieder hörte ich Marions Stimme, als sei sie die neue Art dieser Königin – modern und liberal, verständnisvoll und zärtlich. Ich hörte, wie sie den dunklen, unbekannten Pfad meiner Fantasie, meiner lustvollsten Sehnsucht, weiterging und dabei zu mir sagte: »Ich will es gern wissen. Bitte sag mir ehrlich, mein Schatz: Wünschst du dir manchmal, dass ein anderer Mann bei uns ist, wenn wir uns lieben? Kannst du dir vorstellen, wie es sein würde, wenn er mich berührt und wenn du es siehst. Wäre es gut für dich? Sag mir: Würde es dich glücklich machen, wenn ich Sex mit einem anderen Mann habe und du darfst dabei zusehen? Wenn ich mich nehmen lasse und dir dabei in die Augen sehe? Wenn ich dabei deinen Blick halte mit all meiner Liebe?«
Diese Worte beschworen einen undenkbaren Reiz, ein Tabu, eine dämonische und alles verzehrende Lust. War dies der Wunsch des König Kandaules? War es mein Wunsch? War es das, was ich zu restloser Befriedung brauchte? War es das, was ich wirklich wollte und was ich aushalten konnte? Ich dachte an den kommenden Samstag, das Fotoshooting, bei dem meine Frau unserem Freund nackte Haut zeigen sollte. Ich dachte daran besessen, qualvoll, ungeduldig, bereit, es aufzuhalten und es im Wahnsinn zu erzwingen. Ich sah Marion vor mir, wie sie sich in einer scheuen Pose sitzend zurückwölbte und ihre ganze busenvolle Nacktheit zeigte. Ein Vollweib, das die ganze, glatte, warme Haut wie einen Mythos zeigte, die nackten Schenkel und die breiten Hügel des vollen Gesäßes, die skulpturalen Hüften, und wie der Pass der Taille in die warme Muskulatur des Rückens und der nackten Schultern emporstieg, über die diese