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Elfenzeit 8: Lyonesse. Uschi ZietschЧитать онлайн книгу.

Elfenzeit 8: Lyonesse - Uschi Zietsch


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konnte er nicht so darüber reden wie mit Robert und Anne, da sie der Grund für Toms Trauma war. Robert und Anne waren neutrale Verbündete, mit denen man über so etwas Entsetzliches reden konnte. Seit Monaten quälte es ihn, da musste er ja verzweifeln.

      Jeder wusste, was der Getreue einem antun konnte. Robert war erstaunt, wie fröhlich Tom dabei immer noch sein konnte. Er selbst hätte sich wahrscheinlich bewusstlos gesoffen.

      Hatte er getan, nach dem Tod seiner Frau und Tochter.

      Anne tat etwas Ungewöhnliches. Sie legte eine Hand auf Toms Arm. »Das ist vorbei«, sagte sie mit sanfter Stimme. »Er hat seine Schuld beglichen.«

      »Und ich muss damit leben?«

      »Du kannst damit leben.« Anne sprach eindringlich. »Der Getreue hat erkannt, dass du noch eine wichtige Rolle zu spielen hast in dieser Geschichte, deswegen ließ er dich leben. Und gab dir etwas, wie bei einem Handel, für das, was er dir nahm. Es war schrecklich, was er dir angetan hat, aber es ist nichts, woran du scheitern müsstest, Tom. Das Gleichgewicht ist erhalten geblieben. Es ist vorbei.«

      »Und die Narbe?«, sagte er leise.

      »Unser Leben taucht die Feder in die Tinte und schreibt seine Geschichte auf. Das sind die Narben, Tom. Nichts anderes als Schriftzeichen. Markierungen für deine Erinnerungen. Die Historie deines Lebens. Was sollte daran schlimm oder erschreckend sein? Sei froh darum. Du wirst nicht als unbeschriebenes Blatt sterben, sondern eine Geschichte hinterlassen. Du hast deinen Abdruck in die Annalen des Lebens gesetzt.«

      »Kurz gesagt: Lebe weiter?«, fragte Tom mit leicht zitternder Stimme.

      »Ja«, antwortete Robert anstelle von Anne. »Es ist ein Teil deiner Entwicklung. Es hat dich nicht zerstört, und warum auch. Du bist immer noch du selbst.«

      »Er raubte mir …«

      »… deine Würde? Nein. Die kann dir nur geraubt werden, wenn du es zulässt. Bei allen Selbstmordgedanken: Hast du dich denn tatsächlich selbst aufgegeben?«

      Tom starrte Robert an, und allmählich beruhigte sich das Flackern in seinen Augen. »Nein …« Dann, mit fester Stimme: »Nein. Nein, verdammt!«

      Robert nickte. Dann zog er die Lippen zurück und zeigte seine Fangzähne. Er genoss es zu spüren, wie sie ausfuhren, und die Kontrolle darüber zu haben. »Ich auch nicht«, sagte er. »Ich habe bewusst mein Leben aufgegeben, um ein neues zu gewinnen. Aber ich bin immer noch ich selbst. Und ebenso ist es bei dir.«

      Tom schluckte. »Und wofür hat er mich dann ausersehen?«

      »Wer kennt sich schon bei dem Getreuen aus«, versetzte Anne. Sie konnte leicht reden, sie war ihm nie begegnet. Zumindest nicht, solange Robert sie kannte. Island zählte nicht. Er warf ihr einen misstrauischen Blick zu. Er hatte bisher kaum an der Oberfläche ihres Seins gekratzt.

      »Der Getreue ist der Joker«, hörte er sich selbst sagen. »Das Zentrum der ganzen Geschichte. Und von Anfang an liegt sein Augenmerk auf den Zwillingen und Nadja. Er steuert und lenkt uns alle an einen bestimmten Punkt. Um vor allem David, Rian und Nadja dorthin zu kriegen, wo er sie haben will, und wozu er uns offenbar braucht. Was auch immer er damit bezweckt.«

      »In erster Linie ist er zunächst mal tot oder zumindest verschwunden«, wandte Tom ein. »Oder habt ihr irgendwelche Nachrichten seit Island erhalten?«

      »Nein. Aber ich stimme Robert zu, dass der Getreue nicht auf Dauer aufgehalten werden kann«, sagte Anne. »Er wird zurückkehren.«

      »Weil er ein Prinzip ist«, erklärte Robert und wunderte sich, woher er diese plötzliche Erkenntnis nahm. Doch er war von der Richtigkeit überzeugt.

      Tom sah ihn mit großen Augen an. »So was in der Art habe ich in deinem Buch gelesen. Das verstehe ich jetzt erst.«

      »Da siehst du, dass du nicht der Einzige bist, der missbraucht wird«, meinte Robert und klopfte ihm auf die Schulter. »Wenngleich uns das nicht weiterhilft zu wissen, was er nun tatsächlich ist. Also, lass uns gehen.«

      Anne, die wohl nur darauf gewartet hatte, ging voran.

      »Nette Beißerchen, übrigens«, bemerkte Tom, während er und Robert der Muse folgten.

      »Nicht wahr? Ich finde sie auch klasse. Nie mehr Zahnarzt. Wenn man bedenkt, dass ich da vorher nur Kronen hatte …«

      Sie fuhren erschrocken zusammen, als ein etwa siebzig Zentimeter kleines, dickes Männlein mit dichtem Fell aus der heraufkommenden Rolltreppe sprang und schrie: »Seid ihr bald fertig mit eurem Gequatsche? Da unten ist gerade die Hölle los, verdammt noch mal!«

      8.

       Der Weg zurück 2

      Sand wirbelte auf, während Kurus durch die Wüste galoppierte. Riesige Dünenberge erwarteten sie, mit nur schmalen Passagen dazwischen, und manchmal war eine mühsame Überquerung unausweichlich.

      Auf einer mehr als hundert Schritt hohen Düne ließ der Getreue anhalten.

      »Das Große Sandmeer«, sagte er. »So bezeichnet man die Wüste bis zu den Kufrah-Oasen, aber hier entfaltet sie erst ihre ganze Schönheit. Von hier aus reisen wir auf einer östlichen Route nach Al Jaghbub, und dann erst geht es nach Nordwesten weiter.«

      »Aber warum gehen wir nicht direkt?«, wollte Kurus wissen.

      »Die Oase ist eine wichtige Station«, antwortete der Getreue. »Und ich weiß nicht, wie weit ich von da aus noch weiterreisen muss, um ans Ziel zu gelangen. Mein Weg führt bis fast zum Ozean, aber nicht in dieser Welt. Ich muss diese Stationen auf dem Weg in die Vergangenheit durchlaufen, um meinen Anker zu finden. Deshalb muss ich der Ley-Linie folgen, die so führt.«

      »Wo wir dann hingehen, ist das meine Heimat?«

      »Oh ja. Dein Ursprung, junger Mantikor. Wir haben die Kyrenaika erreicht, was bedeutet, der Sandboden hier ist nicht mehr tief.«

      Kurus hatte schon viel gelernt. Er erkannte sofort, dass sein Lehrmeister damit auf etwas Bedeutendes hinwies. »Und was liegt darunter?«

      Der Getreue atmete tief durch. »Meeresboden, Kurus. Jenes Meer, das einst Atlantis umgab, bevor die Insel versank. Einst vereinte es sich mit der Süßwassersee im Süden, bevor auch diese verschüttet wurde. Jahrtausende ruhte alles. Dann kamen die Griechen und bauten über den Ruinen auf. Du findest heute noch am Ozean die Relikte von Kyrene und anderen Städten. Später fielen die Osmanen ein …«

      »Das geht mir zu schnell! Muss ich das überhaupt alles wissen?«

      »Nein. Ich erinnere mich nur. Stück um Stück kehre ich zu mir zurück. Atlantis jedenfalls ist sehr viel älter, als Platon behauptete. Es existierte vor zwölftausend Jahren bereits nicht mehr, nur die Erste Stadt am Ätna hielt sich noch länger. Doch die Landbrücke zu Sizilien war schon lange vom Meer überspült worden, sodass keine Verbindung mehr bestand. Das Reich wurde getrennt, das Meer verlagerte sich, dieses Gebiet hier fing an zu verlanden. Das war der Anfang vom Ende für Atlantis.«

      »Warum blieb nichts davon übrig?«

      »Es zerstörte sich selbst, als die Naturgewalten nicht mehr aufzuhalten waren. Dekadenz und Missgunst hatten Einzug gehalten und Kriege um die Ressourcen brachen aus. Die wunderbare Welt wurde zur Hölle. Der erzürnte Poseidon nahm, was er gegeben hatte. Was noch verblieb, hält der Sand gut verborgen.« Er winkte ab. »Weiter, Kurus. Ich darf mich nicht zu sehr verlieren in dem, was war. Ich spüre, dass meine fortdauernde Abwesenheit jemandem den Tod bringt. Das darf nicht geschehen.«

      »Ich eile, Meister. Allerdings habe ich Hunger.«

      »Wir werden bald essen.«

      Der Mantikor lief eifrig weiter, die Aussicht auf Nahrung beflügelte ihn. Die Ley-Linie versorgte zwar beide mit Energie, aber das genügte dem Raubtier in Kurus eben nicht mehr. Doch auch der Getreue könnte etwas Zusätzliches vertragen.

      Schließlich erreichten sie eine unbewohnte Oase, an der ein Durchgangslager aufgeschlagen war. Am


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