G.F. Barner Staffel 6 – Western. G.F. BarnerЧитать онлайн книгу.
Thayer fauchend. »Streck sie hoch, Mann, sonst frißt du…«
Er zieht schon, der Dexter Lane. Er reißt den Revolver im Wegrollen heraus und feuert.
Kilburn, denkt Ray Thayer, Kilburn hat Dad…
Sein Gewehr brüllt auf, als Lanes Kugel sich durch die Weste bohrt und ein Loch im Leder hinterläßt. Da geht in Ray eine Wandlung vor, die ihn rücksichtslos feuern läßt. Zwei, dreimal klickt der Unterbügel. Peitschend der Knall des Revolvers noch einmal unter ihm. Der Mann dort kollert auf die hellen Steine am Grund des ausgetrockneten Bacharmes. Dort bleibt er liegen und rührt sich nicht mehr.
»Nein!« stößt Lemmy gellend hervor, als Ray losgeht. »Nicht schießen, nicht schießen. Ich habe keine Waffe, ich bin am Ende. Nicht schießen, Mann!«
Der Mann ist groß und breit. Er geht zu Dexter und hebt ihn mit dem Gewehrlauf an. Dexter fällt langsam auf den Rücken. Seine Augen sind starr in den Nachthimmel gerichtet.
»Dexter!« wimmert Lemmy. »Dexter, was – was ist, was ist mit ihm?«
Der Mann kommt auf ihn zu, das Gewehr sitzt ihm auf der Brust.
»Nicht schießen!« keucht Lane schrill und wagt sich nicht zu rühren. »Ich habe nichts getan, ich – ich…«
»Weißt du, wer ich bin?«
»Nein, aber schieß nicht, ich bin doch wehrlos! Meine Rippen, mein Arm… Oaah, nicht schießen!«
»Ich bin Ray Thayer«, sagt der Mann über ihm und packt ihn blitzschnell. »So, du Schurke, und jetzt mach den Mund auf! Ich schwöre dir, ich hänge dich auf, wenn du nicht redest. Noch sind wir auf meinem Land, und Diebe hängt man. Was war mit Kilburn und meinem Vater?«
»Ich sage alles, aber schieß nicht, nicht aufhängen!« fleht Lane. »Vance hat uns angeworben, uns und ein paar Freunde. Es fing im Herbst an. Wir mußten Vance-Rinder von der Weide holen. Es sollte aussehen, als wären es Viehdiebe. Drück nicht ab, schieß nicht, Thayer, ich sage alles!«
Ich bringe dich um, denkt Ray zornerfüllt. Mord, glatter Mord. Sie haben Dad erschossen.
»Ihr habt also auch Rinder von den Dawes und uns geholt?«
»Ja, Vance wollte es so«, stößt Lane heraus und ist bleich wie ein Leichentuch geworden. »Schließlich glaubten sie alle, daß Viehdiebe hier waren. Vance stellte uns dann ein. Zwei unserer Freunde holten ab und zu immer wieder ein paar Rinder. Vance wußte das alles, er brauchte einen Grund, um auf euch loszugehen. Er wollte euch mit den Viehdiebstählen in Verbindung bringen. In der Nacht, als dein Vater starb, war er mit Kilburn und unseren beiden Freunden unterwegs. Bei dem Regenwetter wollten sie von den Dawes Rinder holen. Es war die richtige Nacht. Dann kam ihnen dein Vater in den Weg. Kilburn schoß sofort.«
Ray Thayer starrt auf ihn hinab, hat die Hand um den Schaft des Gewehres und den Finger am Abzug.
»Kilburn«, sagt er unheimlich ruhig. »Kilburn, und Howard Vance. Und Jim Vance, weiß er davon?«
»Nein, er ahnt nichts, Thayer. Er – er wollte uns nicht einstellen, er wollte zuerst keinen Krieg. Dann gab es angeblich Viehdiebe hier, und er ließ Howard einige harte Burschen anwerben. Er wußte nicht, daß wir schon lange für den arbeiten. Das ist die Wahrheit, Thayer. Ich schwöre es dir, aber – laß mich leben. Wir waren nicht dabei, als Kilburn deinen Vater erschoß, damit hatten wir nichts zu tun.«
»Ihr hättet ihn genauso erschossen, wenn er eure Gesichter gesehen und den verdammten Trick erkannt hätte«, entgegnet Ray Thayer eisig. »Hoch mit dir, auf die Böschung. Du kommst mit, Mister. Ich kenne jemanden, dem du deine Geschichte noch mal erzählen kannst. Vorwärts!«
Er reißt ihn hoch und treibt ihn vor sich her. In drei Minuten sitzt Lemmy Lane wimmernd vor ihm auf dem Pferd. Es geht nach Norden.
Lane zittert vor Furcht, als er den Weg vor sich sieht.
Sie reiten genau auf die Vance- Ranch zu.
*
Der alte Dawes sieht seinen Sohn Joe starr an, als der staubbedeckt in die Küche tritt. »Bill ist zurück«, sagt Joe Dawes keuchend. »Dad, Bill hat Ray mitgebracht.«
Die Tür zum Flur steht offen, als Joe Dawes redet. Seine Stimme schallt durch den Flur, dringt bis in das hintere Zimmer. Oben klappt eine Tür, Schritte auf der Treppe, Mona Dawes kommt herunter.
»Wo ist er denn hin? Warum kommt er nicht her?« fragt sie in der Küche verstört. »Joe, wo ist Ray jetzt?«
»Das weiß Bill nicht. Ray hat ihn auf die Ranch geschickt. Er sagt, Ray sei unnatürlich ruhig geblieben und hätte sich nach jedem der fünf Burschen erkundigt. Danach wäre Ray in die Stadt geritten. Was ist denn mit Cliff?«
»Er schläft.«
Er schläft nicht. Er zieht sich gerade hoch und steht leicht schwankend, aber er steht. Einen Moment dreht sich alles um ihn.
Nicht umfallen, denkt Cliff Thayer verbissen, nicht umfallen, Junge. Es wird besser, gleich hast du es geschafft. Stehenbleiben, Cliff, nimm dich zusammen.
Er hält sich krampfhaft am Bett fest und macht dann die Augen weit auf.
Ah, denkt er, Ray ist da. Und er ist allein. Ich weiß, wie er denkt, er denkt wie unser Vater. Ray braucht auch niemanden, doch es sind fünf Mann, und es wird Big Jims ganze Mannschaft sein, die er gegen sich hat. Warte, Ray, allein sein ist eine verdammte Sache. Ich kann gehen, wollen wir wetten? Ich bin ganz gesund. Da sind meine Hosen…
Die Zähne zusammengebissen, hebt er den linken Fuß an und geht los. Er atmet stoßweise, aber er steigt in die Hosen, zieht sich die Weste über, greift nach der Jacke. Dann zieht er die Stiefel an und lehnt sich einen Augenblick gegen die Wand.
Ray ist da und wird kämpfen. Und er soll im Bett bleiben – er, der kleine Bruder?
Als die Tür aufgeht und er durch den Gang humpelt, sehen sie ihn an wie einen Geist.
»Cliff, um Gottes willen«, sagt Mona Dawes entsetzt. »Cliff, was willst du tun? Du bist krank, Cliff, du hast Fieber gehabt von dem kalten Wasser und deiner Rißwunde im Rücken. Cliff, was hast du vor?«
»Gebt mir ein Pferd, einen Revolver und ein Gewehr!« sagt er »Ich muß reiten.«
»Nein. Großer Gott, Cliff, du holst dir den Tod.«
Er sieht sie an, zuletzt das Mädchen, dem die helle Angst im Gesicht geschrieben steht.
»Und wenn ihn sich mein Bruder holt?« fragt er leise. »Ich könnte nie mehr in einen Spiegel sehen. Versteht ihr das nicht? So schwach bin ich nicht mehr, daß ich nicht reiten kann, Joe, hol mir ein gutes Pferd!«
»Joe, tu’s nicht, er ist doch krank!« sagt sie mit zitternden Lippen. »Joe…«
»Geh, Joe!« sagt der alte Dawes gepreßt. »Geh und hole alles! Tochter, nach oben! Er muß reiten, halte ihn nicht auf. Würde er es nicht, wäre er in seinen Augen kein Mann mehr. Tochter, hörst du?«
»Oh, mein Gott, warum müssen Männer so sein? Cliff, sieh dich vor, kehre um, wenn es zuviel für dich wird.«
Er lächelt seltsam, nickt nur. Dann hebt er die Hand und legt sie auf ihre Schulter.
»Danke, für alles.«
Cliff Thayer hinkt langsam auf den Vorbau, sieht, wie Joe ihm das Pferd holt, seinen Waffengurt abschnallt und ihm reicht. Als er sich in den Sattel ziehen will, schrecken sie alle zusammen.
Dumpf nachhallend und die Luft erschütternd, stehen drei, vier schwere Detonationen im Nordosten in der Nacht. Dünn und sehr weit weg, aber mit dem Wind zu ihnen getragen, wehen Schüsse durch die Stille danach.
»Unsere Südweide«, stößt Cliff hervor. »Das war auf unserer Südweide, Joe.« Er zieht sich hoch, sitzt im Sattel und treibt das Pferd mit lauten Rufen an.
Ray, denkt er, als er aus dem Hof reitet, kein anderer. Er hat es angefangen, ganz allein. Großer