Dr. Norden Extra Staffel 1 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
hatte.
Nein, Johann von Ahlen wäre solcher Lügen nicht fähig gewesen. Er hatte zu lange geschwiegen. Jetzt war es verzweifelte Selbstverteidigung gewesen, daß er einiges gestand, um nicht auch noch seinen zweiten Sohn zu verlieren. Hanno war zutiefst erschüttert, als er endlich die ganze Tragweite begriff, die letztlich auch das kühle Verhältnis des Vaters zu den Söhnen zur Folge gehabt hatte.
Bedauert worden war nur die Mutter, die er als still Duldende gesehen hatte, die ihre Kinder zu täuschen verstand, die aber vielleicht auch von Schuldgefühlen geplagt wurde.
Es war wirklich nicht einfach, dies alles zu begreifen, aber Hanno wurde es doch bewußt, welche Selbstüberwindung und Beherrschung es den Vater gekostet haben mußte, diese Haltung zu wahren, die ihm doch wahrlich keine Sympathie oder gar Zuneigung eingebracht hatte.
Hanno wollte jetzt nicht in der Vergangenheit wühlen. Deshalb sollte die Truhe auch noch verschlossen bleiben. Doch er wußte, daß er sich damit befassen mußte, da dadurch eine Brücke zu seinem Vater geschlagen werden konnte.
Von einer Minute zu anderen konnte sich seine Einstellung nicht ändern, das war ihm bewußt, denn auch zwischen den Ahlens und Cordula mußte noch viel ausgeräumt werden.
Er dachte an Nora, dieses bezaubernde Kind, das Herzen gewinnen und vielleicht auch erweichen konnte. Aber vielleicht war es die Tatsache, daß Leon ihr Vater war, die Johann so hart gemacht hatte, die Ungewißheit, die ihn wohl ein Leben lang gequält hatte, ob Leon, der in seinen Augen mißratene Sohn, wirklich sein Sohn gewesen sei.
Hanno konnte sich nur schwer vorstellen, daß seine Mutter sich so hatte verstellen und andere täuschen können. Aber hatte nicht auch Leon Cordula getäuscht? Hätte sie ihn denn geheiratet, wäre sie nicht überzeugt gewesen, daß er sie liebte?
Es blieben so viele Fragen offen, die ihn quälten und bewegten! Es fiel ihm schwer, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, die aber auch erledigt werden mußte.
Er überlegte kurz, ob er Cordula mitteilen sollte, was er bisher über Sonja Keller in Erfahrung gebracht hatte. Er entschloß sich, doch lieber zu warten, bis Hans mit seiner Tochter gesprochen hatte.
*
Cordula war innerlich nicht zur Ruhe gekommen nach dem Telefonat mit Nora und ihrem Vater. Wenn sie nicht soviel zu tun gehabt hätte, wäre sie gleich hinausgefahren, um sich mit ihrem Vater auszusprechen.
Sie befand sich in einem Zwiespalt. Sie hatte ja eigentlich nichts gegen Hanno gehabt und ihn nur von einer sympathischen Seite kennengelernt. Nach nüchterner Überlegung mußte sie sich auch eingestehen, daß sie sich nur zu dieser zornigen Äußerung hatte hinreißen lassen, weil das unverschämte Auftreten von Sonja Keller sie so in Rage gebracht hatte.
Hanno war anders als Leon, das wußte sie, denn Leon hatte es selbst – wenn auch in spöttischem Ton – gesagt. ›Die ungleichen Brüder‹ waren sie genannt worden, daran erinnerte sich Cordula genau. Aber Hanno war zu ihrer Hochzeit gekommen. Er hatte sich von seinem Vater nicht beeinflussen lassen.
Cordula erinnerte sich jetzt auch daran, daß sie die beiden Brüder gedankenvoll verglichen hatte, aber sie war ja so verliebt in Leon gewesen!
Er sei ein Streber und Pedant, hatte Leon über seinen Bruder gesagt, er würde mal genauso werden wie der Vater, und er würde dann auch die Frau heiraten, die man ihm aussuchen würde. Genauso, wie es bei den Eltern gewesen sei. Gewiß würde dann auch jeder seine eigenen Wege gehen.
Ob es bei seinen Eltern auch so gewesen wäre, hatte Cordula gefragt.
Er hatte zynisch gelacht. Ja, dieses Lachen hatte sie später auch hassen gelernt. Nun ging ihr durch den Sinn, daß Leon vielleicht gar nicht empfunden hatte, wie zynisch er oft war, wie verächtlich er von anderen gesprochen hatte, ohne je Kritik an sich selbst zu üben.
Ja, auf ihre Weise waren sie auch eigene Wege gegangen, nur hatte sie nie nach anderen Männern geschielt.
Sie hatte Henriette von Ahlen nie kennengelernt, aber sie hatte sich auch nicht vorstellen können, daß diese Frau, die doch anscheinend völlig unter der Fuchtel ihres Mannes stand, ein Eigenleben geführt hatte.
Leon hatte gesagt, seine Mutter hätte alle Affären ihres Mannes hingenommen und schweigend geduldet.
Aber anscheinend war ihnen nur eins wichtig gewesen: daß die Tradition respektiert wurde, daß nur Partner von Adel in Frage kamen. Und warum sollte Hanno anders denken? Warum war er noch immer nicht verheiratet, da er doch die Verpflichtung hatte, für einen Erben zu sorgen? –
Lieber Himmel, warum soll ich mir darüber den Kopf zerbrechen, dachte Cordula nun. Ich habe ihnen meine Meinung gesagt, und so schnell werde ich die auch nicht ändern, selbst wenn Paps mit Engelszungen redet. Jetzt scheint er auch Hanno zu mögen. Aber da war ja auch Noras Meinung, und eigentlich war die Kleine für Männer gar nicht so leicht einzunehmen, weil ihr Opi einmalig in ihren Augen war.
Cordula ärgerte sich fürchterlich, daß ihre Gedanken immer wieder zu Hanno zurückkehrten. Freilich bezog sie seinen Vater nicht in diese Gedankengänge ein, aber es irritierte sie, daß sie Hanno gegenüber Gewissensbisse fühlte.
Indessen war Hans Mohl entschlossen, nichts mehr auf die lange Bank zu schieben. Mit großen Augen sah ihn Nora an, als er sagte, daß sie nach München fahren würden.
»Willst du mich loswerden, Opi?« fragte sie kleinlaut.
»Aber nein, du kannst hierbleiben, wenn du möchtest. Ich würde dich aber bestimmt wieder mitnehmen. Ich habe nur etwas Wichtiges mit deiner Mami zu besprechen.«
»Oder fährst du zu Hanno?« fragte die Kleine.
»Aber nein, er wohnt doch ganz woanders.«
»Wo denn? Sag es mir doch bitte.«
»Im Schloßpark am Bach.«
»Aber er hat gesagt, er wohnt nicht in einem Schloß, bloß in einer Villa.«
»Es ist auch kein Schloß, aber der Park heißt so.«
»Hat er auch ein Telefon?« fragte Nora.
»Natürlich hat er ein Telefon.«
»Dann kann ich ihn doch mal anrufen.«
»Bei Gelegenheit einmal«, vertröstete er sie.
»Ich fahre dann doch mit zu Mami. Aber du nimmst mich wieder mit, ja? Ich langweile mich nämlich, wenn sie soviel zu tun hat. Hier ist auch so gute Luft.« Wie verständig das Kind sprach!
Das war allerdings ein Argument, das auch Hans überzeugte, denn er konnte sich gar nicht mehr vorstellen, in der Stadt zu leben, wenn es auch in einem Vorort und in einem Haus mit Garten wäre. Er war viel ausgeglichener, seit er ohne Zwang leben und arbeiten konnte, und diese innere Ruhe kam freilich auch dem Kind zugute. Hans meinte auch, daß Cordula, vom Erfolg nun schon verwöhnt, zu wemg Zeit für Nora hatte.
Ihn beschäftigte es, daß Nora soviel über Hanno sprach und soviel an ihm entdeckt hatte, was ihr gefiel. Auf der Fahrt nach München sprach sie dauernd von ihm.
»Ich finde, daß Hanno wie ein Ritter aussieht«, sagte sie.
»Wie kommst du denn darauf?« fragte er erstaunt.
»Im Fernsehen war mal ein Ritter, der war auch so schön wie Hanno, und er hat gegen böse Menschen gekämpft und sie besiegt.«
»Hanno ist doch nicht schön«, wandte Hans ein.
»Du verstehst nicht, Opi. Du bist auch schön. Wenn jemand gut ist, ist er schön.«
»Und du meinst, daß Hanno gut ist?«
»Seine Stimme gefällt mir sehr. Sie streichelt.«
Hans war verblüfft. »Und was findest du noch schön an ihm?« fragte er beklommen.
»Seine Augen. Er guckt genauso lieb wie du. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie Papa geguckt hat, aber bestimmt nicht so lieb wie Hanno, sonst hätte ich ihn nicht vergessen.