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Unterm Birnbaum. Theodor FontaneЧитать онлайн книгу.

Unterm Birnbaum - Theodor Fontane


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derselben folgend.

      „Sechs!“ schrie der, Kegeljunge, verbesserte sich aber sofort, als nach einigem Wackeln und Besinnen noch ein siebenter Kegel umfiel.

      „Sieben also!“ triumphierte Hradscheck, der sich bei dem Wurf augenscheinlich was gedacht hatte.

      „Sieben geht“, fuhr er fort. „Sieben ist gut. Kunicke, schiebe für mich und schreib’ an. Will nur das Porto zahlen.“

      Und damit nahm er den Briefträger unterm Arm und ging mit ihm von der Gartenseite her ins Haus.

      Das Kegeln setzte sich mittlerweile fort, wer aber Spiel und Gäste vergessen zu haben schien, war Hradscheck. Kunicke hatte schon zum dritten Male statt seiner geschoben, und so wurde man endlich ungeduldig und riß heftig an einem Klingeldraht, der nach dem Laden hineinführte.

      Der Junge kam auch.

      „Hradscheck soll wieder antreten, Ede. Wir warten ja. Mach’ flink!“

      Und sieh, gleich darnach erschien auch der Gerufene, hochrot und aufgeregt, aber, allem Anscheine nach, mehr in heiterer als in verdrießlicher Erregung. Er entschuldigte sich kurz, daß er habe warten lassen, und nahm dann ohne weiteres eine Kugel, um zu schieben.

      „Aber du bist ja gar nicht dran!“ schrie Kunicke. „Himmelwetter, was ist denn los? Und wie der Kerl aussieht! Entweder ist ihm eine Schwiegermutter gestorben oder er hat das Große Los gewonnen.“

      Hradscheck lachte.

      „Nu, so rede doch. Oder sollst du nach Berlin kommen und ein paar neue Rapspressen einrichten? Hast ja neulich unserm Quaas erst vorgerechnet, daß er nichts von der Ölpresse verstünde.“

      „Hab’ ich, und ist auch so. Nichts für ungut, ihr Herren, aber der Bauer klebt immer am alten.“

      „Und die Gastwirte sind immer fürs Neue. Bloß, daß nicht viel dabei herauskommt.“

      „Wer weiß!“

      „Wer weiß? Höre, Hradscheck, ich fange wirklich an zu glauben . . . Oder is es ’ne Erbschaft?“

      „Is so was. Aber nicht der Rede wert.“

      „Und von woher denn?“

      „Von meiner Frau Schwester.“

      „Bist doch ein Glückskind. Ewig sind ihm die gebrat’nen Tauben ins Maul geflogen. Und aus dem Hildesheimschen, sagst du?“

      „Ja, da so ’rum.“

      „Na, da wird Reetzke drüben froh sein. Er war schon ungeduldig.“

      „Weiß; er wollte klagen. Die Neu-Lewiner sind immer ängstlich und Pfennigfuchser und können nicht warten. Aber er wird’s nu wohl lernen und sich anders besinnen. Mehr sag’ ich nicht und paßt sich auch nicht. Man soll den Mund nicht vollnehmen. Und was ist am Ende solch bißchen Geld?“ „Geld ist nie ein bißchen. Wieviel Nullen hat’s denn?“

      „Ach, Kinder, redet doch nicht von Nullen. Das beste ist, daß es nicht viel Wirtschaft macht und daß meine Frau nicht erst nach Hildesheim braucht. Solche weite Reise, da geht ja gleich die Hälfte drauf. Oder vielleicht auch das Ganze.“

      „War es denn schon in dem Brief?“

      „I bewahre. Bloß die Anzeige von meinem Schwager, und daß das Geld in Berlin erhoben werden kann. Ich schicke morgen meine Frau. Sie versauert hier ohnehin.“

      „Versteht sich“, sagte Mietzel, der sich immer ärgerte, wenn von dem „Versauern“ der Frau Hradscheck die Rede war. „Versteht sich, laß sie nur reisen; Berlin, das ist so was für die Frau Baronin. Und vielleicht bringt sie dir gleich wieder ein Atlassofa mit. Oder ’nen Trumeau. So heißt es ja wohl? Bei so was Feinem muß unsereins immer erst fragen. Der Bauer ist ja zu dumm.“

      *

      Frau Hradscheck reiste wirklich ab, um die geerbte Summe von Berlin zu holen, was schon im voraus das Gerede der ebenso neidischen wie reichen Bauernfrauen weckte, vor allem der Frau Quaas, die sich, ihrer gekrausten blonden Haare halber, ganz einfach für eine Schönheit hielt und aus dem Umstande, daß sie 20 Jahre jünger war als ihr Mann, ihr Recht zu fast ebenso vielen Liebschaften herleitete. Was gut aussah, war ihr ein Dorn im Auge, zumeist aber die Hradscheck, die nicht nur stattlicher und klüger war als sie selbst, sondern zum Überfluß auch noch in Verdacht stand (wenn auch freilich mit Unrecht), den ältesten Kantorssohn — einen wegen Demagogie relegierten Tunichtgut, der nun bei dem Vater auf der Bärenhaut lag — zu Spottversen auf die Tschechiner und ganz besonders auf die gute Frau Quaas angestiftet zu haben. Es war eine lange Reimerei, drin jeder was wegkriegte. Der erste Vers aber lautete:

      Woytasch hat den Schulzen-Stock,

      Kunicke ’nen langen Rock,

      Mietzel ist ein Hobelspan,

      Quaas hat keinem was getan,

      Nicht mal seiner eignen Frau,

      Kätzchen weiß es ganz genau.

      Miau, miau.

      Dergleichen konnte nicht verziehen werden, am wenigsten solcher Bettelperson wie dieser hergelaufenen Frau Hradscheck, die nun mal für die Schuldige galt. Das stand bei Kätzchen fest.

      „Ich wette“, sagte sie zur Mietzel, als diese denselben Abend noch, an dem die Hradscheck abgereist war, auf der Ölmühle vorsprach, „ich wette, daß sie mit einem Samthut und einer Straußenfeder wiederkommt. Sie kann sich nie genug tun, diese zierige Person, trotz ihrer vierzig. Und alles bloß, weil sie ,Swein‘ sagt und nicht ,switzen‘ kann, auchwenn sie drei Kannen Fliedertee getrunken. Sie sagt aber nicht Fliedertee, sie sagt Holunder. Und das soll denn was sein. Ach, liebe Mietzel, es ist zum Lachen.“

      „Ja, ja!“ stimmte die Mietzel ein, schien aber geneigt, die größere Schuld auf Hradscheck zu schieben, der sich einbilde, wunder was Feines geheiratet zu haben. Und sei doch bloß ’ne Katholsche gewesen und vielleicht auch ’ne Springerin; wenigstens habe sie so was munkeln hören. „Und überhaupt, der gute Hradscheck“, fuhr sie fort, „er soll doch nur still sein. In Neu-Lewin reden sie nicht viel Gutes von ihm. Die Rese hat er sitzenlassen. Und mit eins war sie weg, und keiner weiß wie und warum. Und war auch von Ausgraben die Rede, bis unser alter Woytasch ’rüber fuhr und alles wieder stillmachte. Natürlich, er will keinen Lärm machen und is ’ne Suse. Zu Hause darf er ohnehin nicht reden. Oder ob er der Hradschecken nach den Augen sieht? Sie hat so was. Und ich sage bloß, wenn wir alles hergelaufene Volk ins Dorf kriegen, so haben wir nächstens auch die Zigeuner hier, und Frau Woytasch kann sich dann nach ’nem Schwiegersohn umsehn. Zeit wird es mit der Rike; dreißig ist sie ja schon.“

      So ging gleich am ersten Tage das Geklatsch. Als aber eine halbe Woche später die Hradscheck gerade so wiederkam, wie sie gegangen war, das heißt ohne Samthut und Straußenfeder, und noch ebenso grüßte, ja womöglich noch artiger als vorher, da trat ein Umschlag ein, und man fing an, sie gelten zu lassen und sich einzureden, daß die Erbschaft sie verändert habe.

      „Man sieht doch gleich“, sagte die Quaas, „daß sie jetzt was haben. Sonst sollte das immer was sein, und sie logen einen grausam an, und es war eigentlich nicht zum Aushalten. Aber gestern war sie anders und sagte bescheiden, daß es nur wenig sei.“ „Wieviel mag es denn wohl sein?“ unterbrach hier Mietzel. „Ich denke mir so tausend Taler.“

      „Oh, mehr, viel mehr. Wenn es nicht mehr wäre, wäre sie nicht so; da zierte sie sich ruhig weiter. Nein, liebe Mietzel, da hat man denn doch so seine Zeichen, und denken Sie sich, als ich gestern anfrug, ,ob es ihr nicht ängstlich gewesen wäre, so ganz allein mit dem vielen Gelde‘, da sagte sie, ,nein, es wäre ihr nicht ängstlich gewesen, denn sie habe nur wenig mitgebracht, eigentlich nicht der Rede wert. Das meiste habe sie bei dem Kaufmann in Berlin gleich stehenlassen.‘ Ich weiß ganz bestimmt, sie sagte: das meiste. So wenig kann es also nicht sein.“

      *

      Unterredungen wie diese wurden ein paar Wochen lang in jedem Tschechiner Hause geführt, ohne daß man mit Hilfe derselben im geringsten weitergekommen


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