Butler Parker Staffel 13 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
Sie waren wie vom Erdboden verschwunden und hatten die Kastenlieferwagen auf der Straße zurückgelassen. Leider besagten die Wagenkennzeichen überhaupt nichts. Sie waren gestohlen und gefälscht und stammten aus Leeds.
»Ich habe doch noch einen Wunsch bei Ihnen gut, nicht wahr?« Lady Simpson wandte sich zu Higgins um, der aus seinen Gedanken hochschreckte wie Kathy Porter. Er nickte automatisch und ahnte sicher nicht, was da auf ihn zukam.
Kathy Porter hingegen hegte Schlimmstes. Sie schluckte bereits im vorhinein vor Aufregung und ahnte, was kommen würde.
»Und Sie halten Ihr Wort, Mister Higgins?« wollte Agatha Simpson wissen.
»Natürlich, Mylady«, erwiderte der Chiefconstable leichtsinnig. Er war der älteren Dame ehrlich dankbar. Sie hatte ihm endlich einen ersten, durchschlagenden Erfolg gegen die Lastwagenräuber beschert.
»Ich würde gern mal den Hubschrauber fliegen«, sagte die Lady, die Katze aus dem Sack lassend.
»Du lieber Himmel«, murmelte Kathy Porter bestürzt und schaute nach unten. Ihrer Schätzung nach schwebten sie etwa dreihundert Meter hoch durch die Luft.
»Mylady, ich fürchte, ein Hubschrauber ist kein Auto«, antwortete Higgins inzwischen. Er dachte an die artistischen Fahrkünste der Detektivin und spürte, wie sein Blutdruck rapide anstieg.
»Papperlapapp, Mister Higgins«, entgegnete Lady Simpson. »Fragen Sie Miß Porter! Ich gelte als technisch begabt.«
»Mylady, man sollte vielleicht...« Weiter kam Kathy erst gar nicht. Agatha Simpson schickte einen grimmigen Blick auf die Reise. Dann lächelte sie aber auch schon wieder gewinnend und musterte Higgins.
»Ich habe mir alles genau angesehen«, sagte sie zu ihm. »Für mich ist das ein Kinderspiel!«
Da der Hubschrauber Doppelsteuerung hatte, entschloß Higgins sich leichtsinnigerweise zu einer großen Geste. Wie gesagt, die ältere Dame hatte ihn in seinen Ermittlungen ein wirklich gutes Stück vorangebracht.
Er beugte sich vor und sprach über die Bordsprechanlage mit dem Polizeipiloten. Der Mann grinste und war ahnungslos. Was sollte schon passieren? Er hatte nichts dagegen, daß die Dame sich freute. Er war einverstanden.
Lady Agatha Simpson rückte sich zurecht wie eine Glucke auf dem Nest. Dann langte sie herzhaft nach dem kompliziert aussehenden Steuerknüppel und betätigte sich als Hubschrauberpilotin. Sie war fest entschlossen, sämtliche Möglichkeiten dieser Luftkutsche auszutesten.
*
Anzustrengen brauchte Parker sich wirklich nicht.
Das Durchtrennen der hinderlichen Stricke an Hand- und Fußgelenken war nur eine Frage von knapp einer Minute. Ein Mann wie er verfügte selbstverständlich über die erforderlichen Hilfsmittel.
Parker hatte seine Beine angewinkelt und mit den Fingerspitzen den linken Schuhabsatz zur Seite gedreht. Dadurch war eine messerscharfe Stahlkante freigeworden, für die die Fesseln überhaupt kein Problem waren. Josuah Parker hatte sich diese Patentabsätze in seiner Bastelstube angefertigt. Im Hohlraum der beiden Schuhabsätze befanden sich noch weitere Utensilien, die er im Augenblick jedoch nicht brauchte.
Parker rieb sich die Handgelenke, brachte den drehbaren Absatz wieder in Ordnung und löste seine Fußfessel. Er stand auf und schob den Vorhang vor einem der Kabinenfenster zur Seite.
Er hatte richtig vermutet.
Das Hausboot befand sich bereits im Labyrinth des Flüßchens, genauer gesagt, in einem schmalen Seitenarm, dessen Ufer nicht zu erkennen waren. Hier breitete sich fast so etwas wie eine Schilfwildnis aus. Einen geeigneteren Platz für einen Mord konnte man sich kaum vorstellen. Wer hier ins Schilf gesteckt wurde, den würde man nur durch einen Zufall entdecken. John Bartlett schien darauf setzen zu wollen.
Die Schiebetür der Kabine war natürlich abgeschlossen worden. Bartlett mußte das automatisch getan haben. Mißtrauisch war er gewiß nicht gewesen, sonst hätte er nämlich Parkers Taschen geleert.
Josuah Parker holte seinen Schlüsselbund aus der Tasche und entschied sich für einen der vielen Spezialschlüssel. Es dauerte genau viereinhalb Sekunden, bis das einfache Schloß willig nachgab. Parker setzte sich die schwarze Melone auf, legte sich den Bambusgriff seines Universal-Regenschirms über den linken Unterarm und begab sich über den Niedergang nach oben.
Nein, sie hatten wirklich nicht mit ihm gerechnet.
Am Ruder des Hausbootes stand John Bartlett. Er rauchte eine Zigarette und hatte eine entspannte Haltung angenommen. Er unterhielt sieh mit der Bikinischönheit, die wahrscheinlich auf dem vorderen Kabinendach lag und sich sonnte. Von dorther kamen nämlich undeutliche Antworten.
»... erst mal ’ne kleine Pause einlegen, Joane«, sagte Bartlett gerade wie auf ein Stichwort. »Nach Parkers Verschwinden wird’s ’nen ziemlichen Wirbel geben.«
Die Antwort der Frau hörte Parker nicht. Er pirschte sich vorsichtig an Bartlett heran.
»Klar machen wir später weiter«, antwortete Bartlett gerade. »Bei dem Verbindungsmann in Edinburgh wär’s doch Wahnsinn, die Sache abzublasen.«
Parker hätte gern noch mehr über diesen Verbindungsmann gehört, doch er sah sich plötzlich der Bikinischönheit gegenüber, die keinen mehr trug. Sie lag tatsächlich auf dem vorderen Kabinendach und hatte sich aufgerichtet. Nackt, wie sie war, starrte sie den Butler entgeistert an und zeigte sich unfähig, einen Warnschrei auszustoßen.
John Bartlett merkte, daß hinter seinem Rücken etwas nicht stimmte. Er federte herum und reagierte wie ein Profi. Er sah Parker und hechtete sofort auf ihn.
Butler Parker wartete höflich, bis der Mann fast waagerecht in der Luft lag. Erst dann trat er zur Seite und ließ den Segelflieger passieren. Bartlett versuchte zwar im letzten Moment noch seinen Kurs zu korrigieren, doch das erwies sich als unmöglich. Ihm fehlten das Seiten- und Querruder. Er schoß also schnurgerade weiter und landete krachend vor dem Niedergang auf den Decksplanken.
Die nackte Schönheit hatte sich inzwischen von ihrer Überraschung erholt. Sie verwandelte sich in eine wilde Raubkatze und attackierte den Butler, der sich ein wenig genierte. Gegen eine nackte Frau kämpfte er ja nicht alle Tage.
»Nicht doch, Madam«, sagte er höflich und piekte mit der Spitze seines Regenschirms gegen ihren flachen Leib. »Müssen Sie sich denn unbedingt echauffieren?«
Sie keuchte, wich zur Seite aus und griff erneut an. Es zeigte sich, daß sie etwas von Judo verstand. Sie wollte einen ihrer Griffe anwenden, aber da war der verflixte Regenschirm, der wie ein Degen wirkte und sie auf Distanz hielt.
»Sie benehmen sich meiner bescheidenen Ansicht nach undamenhaft«, fand Parker würdevoll. »Sehen Sie doch bitte ein, daß Sie dieses Spiel verloren haben.«
Sie dachte nicht im Traum daran.
Aus der wilden Raubkatze wurde eine wahre Furie. Sie schlug den Regenschirm zur Seite und unterlief ihn gleichzeitig. Sekundenbruchteile später war sie dicht vor Parker und wollte einen raffinierten Griff anbringen.
Josuah Parker hätte sie wirklich leicht außer Gefecht setzen können, doch es widerstrebte ihm, einer Frau weh zu tun. Er brachte es einfach nicht fertig, obwohl er es doch mit einem weiblichen Wesen zu tun hatte, das ihm eine Eierhandgranate hatte an den Kopf werfen wollen.
Parker kitzelte seine Gegnerin.
Er spannte seine Hände um ihre schmale Taille und fand auf Anhieb genau die Zonen, die bei ihr einen unwiderstehlichen Lachreiz auslösten. Die nackte Schönheit kicherte, wand sich, vergaß ihren Griff, lachte, schnaufte und wurde dann von einem Lachkrampf erfaßt. Sie ließ ihre Hände sinken, krümmte sich und war völlig wehrlos. Noch nie zuvor hatte Parker seinen Gegner derart leicht aus dem Konzept bringen können ...
Leider fiel in diesem Moment ein Schuß.
Die nackte Schöne schrie auf, faßte an ihre linke Schulter und taumelte zurück. Parker drehte sich um und entdeckte Bartlett, der inzwischen wieder zu sich gekommen war. Er hielt