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Lucifer. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte. Auerbach BertholdЧитать онлайн книгу.

Lucifer. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte - Auerbach Berthold


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oben angab; man hat damit den Einklang mit dem Gesetze tiefinnerlichst untergraben.

      Luzian hatte noch einen besonderen Grund, warum er, wie man sagt, gerne dem Gemeinderath eine hölzerne Wurst aufs Kraut legte. Wir werden das schon noch sattsam erfahren.

      „Es macht doch gottsträflich heiss,“ bemerkte jetzt der Schmied. Urban.

      „Thut Nichts,“ entgegnete Luzian, „ich weiss nicht, ich kann die Hitz’ viel eher vertragen als die Kält’, und ich schwitz’ auch schon gern ein bisle, wenn’s nur ein gut Weinjahr gibt; es ist denen Wingerter zu gunnen. Soll das Gewächs auskochen, so muss der Mensch auch sein Theil Hitz mitnehmen.“

      „Der Luzian schwitzt gern für die Welt, er ist ja auch so ein Stück Erlöser,“ sagte der Brunnenbasche, ein wohlhäbiger, bejahrter Mann, der die Rolle des Schalksnarren im Dorfe spielte.

      Luzian gab ihm keine Antwort und ging voraus.

      Man ging nach dem Wirthshause. Luzian las die Zeitung, deren verschiedene Blätter in einem kleinen Kreis vertheilt waren, Andere „kartelten,“ da der Pfarrer das Kegeln am Sonntag verboten hatte. Bald aber legten die Spieler die Karten weg, die Zeitungsleser rieben sich die Augen und die Buchstaben flimmerten vor ihnen, es war plötzlich stockdunkel.

      „Heiliger Gott, was ist das?“ rief der Erste, der zum Fenster hinaussah.

      „Was giebt’s?“

      „Da gucket einmal den Himmel an.“

      Es gab nicht genug. Fenster für die Drängenden, man rannte hinaus ins Freie. Schreckensbleich wurde jedes Antlitz, das aufschaute. Schwere, schuppenartig gestaltete Wolken schoben sich im ganzen Gesichtskreise träg in einander; mit jedem Augenblicke wurde es düsterer und nächtiger. Die die Wirthsstube verlassen hatten, kehrten nicht mehr dahin zurück, sondern eilten heimwärts, immer wieder aufschauend und die Hände von sich abstreckend, als müssten sie den Einfall des Himmels von sich abwehren. Die in der Wirthsstube verblieben waren und ihre noch in der Hand gehaltenen Karten an sich drückten, um den Nachbar nicht einschauen zu lassen, warfen das Spiel mit allen Trümpfen weg und nahmen sich nicht einmal Zeit, den Rest ihres Trunkes zu leeren; auch sie eilten „heimezu.“

      Jedes wollte zu den Seinen stehen, als wäre das Unglück abzuwenden, wenn man sich ihm mit vereinter Kraft entgegenstemmte; jedenfalls war es leichter zu tragen.

      Der Wirth war bald allein, und indem er die Reste zusammenschüttete, sagte er vor sich hin: „Und jetzt haben wir heut’ erst den Zehnten abgelöst.“ Der Vorder- so wie der Nachsatz dieses Gedankens kam nicht zu Worte, denn er wagte es nicht, vor sich selbst die Furcht auszusprechen, die ihn erzittern machte.

      Luzian ging still das Dorf hinab, manchmal zwinkerte er mit den Augen, wenn er aufschaute, und presste die scharfgeschnittenen Lippen zusammen. Am Schulhause begegnete er dem Lehrer, der die Kirchenschlüssel trug und als Küster eben zum Wetterläuten gehen wollte.

      „Ihr solltet das sein lassen, Herr Lehrer,“ sagte Luzian, „wenn’s da droben aufspielt, da nützt das Bimbam nichts. Ich hab’ erst vorlängst noch gelesen, dass das Wetterläuten ein alter nichtsnutziger und gefährlicher Brauch ist. Wer nicht von ihm selber betet, der thut’s auch nicht auf das Gebimbel hin. Es ist ja auch auch abkommen gewesen.“

      „Ja, aber unser neuer Pfarrer hält streng auf die alten Bräuche, ich bekomme beim Unterlassen einen strengen Verweis.“

      „So? Auch auf das hält er? Hätt’s eigentlich wissen können. Nun, behüt’ uns Gott!“

      Im Weitergehen schnalzte Luzian mit beiden Händen und spie oft aus. Fast vergass er über seinem Aerger was am Himmel vorging, er musste sich jetzt zusammennehmen, dass ihm der Hut nicht vom Kopfe gerissen wurde; der Sturmwind wirbelte graue Staubwolken vor ihm her zusammen, schon fielen jetzt einzelne breite Tropfen, und als er die Klinke seiner Hausthür erfassen wollte, zuckte ein gelber Blitz, so dass Luzian geblendet nach dem Griffe tastete.

      „Gott sei Lob, dass du da bist!“ begrüsste ihn seine Frau, „was sagst du zu dem Wetter? Es wird doch, will’s Gott, mit Gutem vorübergehen! So, jetzt bist doch da. Mir ist viel leichter, wenn dein Rock am Nagel hängt. Komm, gieb her.“

      „Lass mir ihn noch an, man weiss nicht, wie man ’naus muss. Ist das Kind da?“

      „Ja. Siehst ihn denn nicht? Da sitzt er und liest. Das giebt auch so einen Büchergucker, wie du. Victor, gieb dem Nehni (Grossvater) die Hand, du hast jetzt genug gelesen, und es ist ja stichedunkel.“

      „Wo ist das Bäbi?“ fragte Luzian.

      „Draussen in der Küch’, der Paule ist auch da.“

      „Gang und mach’ das Feuer aus und sie sollen ’rein kommen. Halt, das ist ein Schlag, der hat kracht und jetzt läutet der Schulmeister auch noch.“

      Während die Frau hinausging, trat Luzian in die Nebenstube, er fand dort eine Schlafende, die wol durch das drückende Wetter jetzt schon eingeschlafen war. Es ist dieselbe Frau, bei der wir heute beim Bittgang verblieben sind, als wir, gleich ihr die Andern weiter ziehen liessen. Auf leisen Sohlen kehrte Luzian wieder in die Stube zurück, er lehnte die Thür nur an, ohne sie ins Schloss fallen zu lassen.

      Die Bäbi und der Paule traten, mit glühenden Wangen in die Stube. Die Mutter hatte draussen wol ein grosses Feuer zu löschen gehabt. Bäbi stellte sich sogleich zu Victor an das Fenster, es gelang ihr dadurch, ihr flammendes. Antlitz zu verbergen, das sie dem Vater nicht zeigen wollte.

      „Guten Tag i Schwäher,“ sagte Paule und steckte aus Ehrerbietung die in der Hand gehaltene Pfeife in die Brusttasche.

      „Guten Tag. Bist allein hier?“

      „Ja.“

      „Guter Gott!“ begann Bäbi, „wenn das Wetter nur keinen Schaden thut, das könnt alle Lustbarkeit auf unserer Hochzeit —“

      „Du denkst jetzt nur an dich,“ unterbrach sie Luzian; „Paule wie ist’s?’ Hat dein Vater sich in die Hagelversicherung einschreiben lassen?“

      „Mein Vater? Nein. Gucket Schwäher, Euch kann ich’s ja sagen; mein Vater der ist gar wunderlich, der träppelt so ’rum und drückst und will halt nicht an die Sach, und geht man ihm scharf auf den Leib, so sagt er, dass er nur nichts zu thun braucht: man muss Gott machen lassen, wenn er Einen strafen will. Und gegen mich ist er jetzt gar, es will ihm nicht recht in den Sinn, dass ich nimmer Vorross sein soll, dass ich jetzt halt auch an die Deichsel komm’. Desswegen bin ich halt hehlings in die Stadt und hab’ mich einschreiben lassen, es ist ja bald mein eigen Sach. Mein Vater darf aber nichts davon erfahren, der ist —“

      „Schäm’ dich ins blutige Herz hinein,“ unterbrach die Frau den Redenden, „das ist nichts, so über deinen Vater oder über einen Menschen zu reden, wer er sei, und noch dazu, wenn so ein Wetter am Himmel ist; man versündigt sich ja.“

      „Drum hab’ ich’s immer gesagt,“ begann Luzian, „der Landstand muss eine allgemeine Hagelversicherung für’s ganze Land einführen, da kann Keiner mehr neben ’naus und da ist’s auch wohlfeiler; freilich ist’s traurig, dass man die Leut’ zu, ihrem eigenen Nutzen zwingen soll; aber man zwingt’s ja zu anderen Sachen, die gar nicht so nöthig sind. Drum ist der Landstand. —“

      „Luzian, was hast denn?“ rief die Frau in Angst und Pein, „zuerst wird über die nächsten Anverwandten losgezogen und jetzt über den landstand, und bei so einem Wetter.“

      „Wenn man’s ehrlich meint, darf man reden, mag’s gewittern oder die Sonn’ scheinen. Meinst du, unser Herrgott ist jetzt näher bei der Hand als an einem hellen Tag?“

      „Mich gehen deine Bücher nichts an, und jetzt muss man einmal beten. Ich will jetzt auch nichts mehr reden, es darf keinen Zank geben, das ist ärger als Feuer auf dem Herd.“

      Luzian schwieg, die Frau breitete ein Tischtuch auf dem Tische aus, legte das Gesangbuch und die Bibel aufgeschlagen an der Stelle: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ mitten auf den Tisch und streute Salz auf dessen vier Ecken.


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