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Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln. Hannes LindemannЧитать онлайн книгу.

Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln - Hannes Lindemann


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Hundeleben, das man führt.

      Elga kommt nun mit dem Schlauchboot vom Bootssteg des Real Club Nautico angerudert. Ich helfe ihr, die Einkäufe an Bord zu bringen, nachdem sie das Boot längsseits gebracht hat.

      Wir essen kalt zu Mittag. Kochen würde die Temperatur in der Kajüte unerträglich machen. Die warme Mahlzeit bleibt dem Abend vorbehalten.

      Anschließend erzählt Elga von ihrem Gang in die Stadt.

      »Lebensmittel sind billig. Wir werden alles kaufen können, was für die Atlantiküberquerung notwendig ist. Nur die Werften – sie sind irrsinnig teuer, und sie lassen nicht mit sich handeln.«

      Wir sitzen einen Augenblick schweigsam und denken an die zahllosen Arbeiten, die am Schiff getan werden müssen, um es für die 2700 Seemeilen über den Atlantik klar zu machen. Es muß geslipt werden, damit wir den Bewuchs am Unterwasserschiff entfernen können. Je wärmer das Wasser, desto schneller und üppiger wachsen Gras und Muscheln am Kiel.

      »Was wollen wir machen?« fragt Elga. »Uns trockenfallen lassen während der Ebbe?« Sie zeigt zum Strand neben dem Clubgebäude.

      »Nein«, sage ich, »zu viele Steine. Außerdem kommen wir danr. nicht an die Unterseiten von Kiel und Ruder. Das Ruder muß geprüft werden, gründlich. Da war ein Geräusch, das ich weder erklären noch orten konnte, als wir hierhersegelten. Außerdem, wenn hier eine Dünung aus Süd einsetzt, haben wir auf dem Strand Ärger.«

      Elga sieht mich an. »Die wollen 3000 Pesetas haben, das ist eine Menge Geld.«

      »Gewiß. Aber ›Kairos‹ ist unsere einzige Lebensmöglichkeit auf See. Er muß absolut zuverlässig sein.«

      Elga nickt ein wenig verzweifelt. »Ob wir den Preis noch ’runterhandeln können? Ich glaub’ es nicht!«

      In der Frage nach einer Slipmöglichkeit kamen uns die Bootsleute des Clubs zu Hilfe. Elga unterhielt sich oft mit ihnen, und sie waren bereit, so glaube ich, sich für die Señora aus dem Norden vierteilen zu lassen. Die armen Kerle wurden nicht sehr freundlich von den speedboatfahrenden Söhnen reicher Clubmitglieder behandelt. Sie verdienten etwa DM 5,- am Tag. Damit kann selbst auf den Kanarischen Inseln niemand ein sorgenfreies Leben führen.

      Elga brachte eines Tages den Vorschlag der Bootsleute. »Sie haben einen Slipwagen, der ihnen geeignet erscheint. Sie haben den Besitzer dieses Wagens um Erlaubnis gefragt und sie erhalten, da er sich einen neuen bauen läßt. Der Wagen wurde bisher für ein Motorboot von 3 Tonnen benutzt. Sie wollen 500 Pesetas für die Arbeit haben.«

      Wir sahen uns am nächsten Tage den Wagen, den Slip und alle Einzelheiten an. Der Wagen schien ein wenig schwach – »Kairos« wiegt 5 Tonnen. Alle anderen Dinge waren in Ordnung.

      Immer wieder vermaß ich den Wagen. Die vier Bootsleute erklärten mit leuchtenden Augen – ich weiß nicht was, sicherlich, daß die »Queen Mary« hier aufgedockt werden könnte.

      »Männer«, sagte ich schließlich und sie verstummten, »Männer der See – eh, mariñeros! Trägt dieser Wagen 5 Tonnen?«

      Sie starrten mich fassungslos an.

      Ich versuchte es auf spanisch: »Cinco, eh – also, cinco toneladas? Dieser Wagen, eh, also – este para cinco toneladas?«

      »Si, si, si, señor!« sagten sie beschwörend und erklärten alles ganz genau. Ich verstand nicht einmal die Hälfte. Elga stand stumm, wohl in Bewunderung meiner so plötzlich zutage tretenden Sprachkenntnisse.

      Ich zweifelte nicht an den Fähigkeiten der Bootsleute. Die Frage lag in der Beurteilung des Wagens, und in dieser Hinsicht mißtraute ich den Spaniern. Wir gingen alle noch ein paar Mal um den Wagen herum. Aber dadurch wurde er auch nicht größer und stabiler.

      »Oha, oha!« sagte ich zu Elga. »Was sagst du?«

      Sie schwieg.

      »Morgen bei Hochwasser.«

      »Mañana con la marea alta«, wiederholte Elga meine Entscheidung.

      Die Bootsleute jubelten.

      Mir war zumute, als hätte ich einen Exekutionsbefehl gegeben.

      Ächzend, schwankend, auf quietschenden Rädern brachte der Wagen »Kairos« aus dem Wasser. Mit den Drahtseilen der handbetriebenen Winsch zogen wir ihn bis zur Hochwasserlinie. Dann fand keiner mehr den Mut, diese Maus unter einem Elefanten weiterzubewegen. Das Schiff wurde mit bereitgelegten Pallhölzern von den Bootsleuten abgestützt, während ich sofort begann, das stark bewachsene Unterwasserschiff zu reinigen. Damit fing es an.

      Und Tag für Tag ging es mit den Arbeiten weiter. Farbekratzen, Spülen mit Süßwasser eimerweise, da der Schlauch nicht lang genug war, Schleifen mit Sandpapier, Spachteln, Vorstreichen mit Grundfarbe, Streichen mit Unterwasserfarbe. Wiederholung dieser Arbeiten in ähnlicher Weise an den Bordwänden, Streichen mit Lackfarbe.

      Der Schweiß rann in Strömen bei 28° im Schatten. Blasen platzten auf. Bei Hochwasser arbeitete ich bis zu den Knien im Wasser, bei Niedrigwasser lag ich auf dem Rücken und malte am Kiel. Abends nach schweigsamer Mahlzeit an einem schiefen Tisch – die Schiffslänge lag parallel zur schiefen Ebene des Slips – fiel ich in eine schiefe Koje, aus der ich mich morgens mit immer noch schmerzendem Rücken erhob.

      Elga erging es nicht besser. Sie machte kleine Malarbeiten. Hauptsächlich jedoch fertigte sie endlose Meter von Schamfielings an: auf Band gezogene Kardeelenden, die um Wanten und stehendes Gut gewickelt werden, wo Segel scheuern und sich dadurch beschädigen können. Die Arbeit mit dem widerspenstigen Tauwerk verursachte auch bei ihr schmerzendes Aufplatzen von Blasen. Ihrem Rücken erging es nicht besser als meinem.

      Bald fühlten wir uns erschöpft und deprimiert. Wozu das alles? Für 2700 Seemeilen leeres Meer, für Einsamkeit und Kräfteverschleiß, für Müdigkeit und Ungewißheit.

      Bei Hochwasser donnerte für Tage die Brandung eines fernen Sturmes auf den Slip und ließ das Schiff zittern. Sie störte Arbeit und Schlaf in gleicher Weise. Wozu auch das noch? Um nach Wochen großer Mühsal mit brennenden Augen eine Insel jenseits des Atlantik auftauchen zu sehen.

      Motoröl wechseln, Bilge reinigen, Luken lackieren, Achterpiek malen, Wantspanner fetten. Frag nicht, halt durch.

      Es ist vorüber! »Kairos« strahlt wie ein Neubau im Glanz seiner frischen Farben. Ein Schaden an der Ruderhalterung wurde entdeckt. Seine Beseitigung gab uns unsere alte Freude und Zuversicht wieder: säßen wir nicht, schief und müde, auf diesem Wagen an der Wassergrenze des Ozeans, wir hätten ihn nicht entdecken und beseitigen können. Und morgen geht’s zurück ins Wasser!

      Beim Abslippen neigten sich die Querstreben des Wagens so stark, daß sie die Räder blockierten. Wie festgeschweißt stand der Wagen. Es begann zu ebben. Fieberhaft takelten wir mit den Bootsleuten eine vierfache Talje, mit deren Kraftübertragung es gelang, den bockenden Wagen slipabwärts zu zwingen. Eisen schrie auf Zement. Der Wagen wankte und ebenso »Kairos«. Im rostbraunen Eisen der hinteren Querstrebe sprang ein hellgrauer Riß auf. So endet eine Reise, dachte ich – so schnell? Frag nicht, halt durch.

      Nach zwei Stunden schwerster Arbeit konnten wir unter Maschine zu unserem Ankerplatz laufen. Die Bootsleute winkten glücklich, als sie das, was einmal ein Slipwagen gewesen war, aus dem Wasser holten. Und wir winkten ebenso glücklich zurück, während wir unser Schiff von den Gefahren des Landes fortsteuerten.

      Auf der Reede vor dem Jachtclub waren inzwischen einige neue Jachten angekommen, andere ausgelaufen. Den Gesprächen mit anderen Jachtsleuten zufolge hatten etwa 15 Jachten die Absicht, in diesem Jahr über den Atlantik zu den Westindischen Inseln zu segeln. Da waren Amerikaner, Franzosen, Holländer, Schweden, Engländer, Australier. Es herrschte ein reger Bootsverkehr zwischen den Jachten. Manche Bekanntschaft wurde gemacht, die sich zu Freundschaft vertiefte.

      »Gestern ist die ›Takebora‹ ausgelaufen«, sagte Bryan, als er in seinem Dinghi vorüberruderte. Mit seiner Sloop »Askadil« wollte er ebenfalls zu den Antillen, begleitet von seiner Frau und seinem zweijährigen Töchterchen. Und er fügte hinzu: »Mal sehen, wie’s der


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