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Sturm über der Eifel. Katja KleiberЧитать онлайн книгу.

Sturm über der Eifel - Katja Kleiber


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und ich höre bestimmt nicht auf, nur weil Uwe jetzt weg ist.«

      »Uwe?« Ella durchzuckte es. Etwa der Uwe aus Dorsel, von dem die Frauen beim Bäcker geredet hatten? Aber halt, bloß keine vorschnellen Schlüsse ziehen, schließlich gab es jede Menge Uwes in der Eifel.

      »Ja, Uwe Röder, der Traummann. Mein Ritter.« Marnie biss sich auf die Lippen. Ihre Mundwinkel fielen nach unten. Sie schniefte kurz, aber dann strich sie sich mit den Händen übers Gesicht und drückte ihren Rücken durch. »Jedenfalls habe ich alles im Griff. So, und damit reicht es für heute.«

      Beim Absitzen blieb Ella mit dem Fuß im Steigbügel hängen. Heißer Schreck durchflutete sie, und sie drohte zu stürzen. Sie strampelte mit dem Bein. Es gelang ihr gerade noch rechtzeitig, den Fuß zu befreien.

      Schwer atmend führte Ella Joe zurück in den Stall. Als Marnie ihr die Trense abnahm, warf Ella ihr einen mitfühlenden Blick zu. »Ich könnte dir eine Teemischung zusammenstellen, die dir hilft.«

      »Wie soll mir denn Tee helfen?«

      »Pflanzen besitzen starke Kräfte. Es gibt Tee gegen Erschöpfung, andere Mischungen helfen bei Stress oder Depressionen.«

      »Gibt’s auch was, was Tote lebendig macht?« Marnie lachte kurz auf, verstummte aber schnell. »Sorry, ich bin total neben der Spur.«

      »Was meinst du?«

      »Hast du nicht gehört, dass Leo tot ist? Irgendein Mistkerl hat ihn erstochen.«

      »Du kanntest ihn?«

      Jetzt fing Marnie an zu schluchzen.

      Ella trat zu ihr und nahm sie in den Arm. »Scht, scht. Ganz ruhig.« Immer wieder streichelte sie der jüngeren Frau sachte über den Rücken, bis sie sich einigermaßen beruhigt hatte.

      »Ohne ihn gäbe es diesen Hof so nicht.« Marnie erzählte, dass sie Leo oft im Wald begegnet war. Der Schamane war auf der Suche nach Kräutern, Marnie unterwegs mit den Pferden. »Er kannte die schönsten Ecken.« Sie schniefte wieder. »Hat mir Tipps für die Routen meiner geführten Touren gegeben, gesagt, wo ich mit Pferden übernachten kann. Er kannte unheimlich viele Leute.«

      Ella spürte einen Stich. Anscheinend war sie eine der wenigen in der Gegend, die den Schamanen nicht gut gekannt hatten. Aber sie war ja auch erst vor Kurzem hergezogen. Vielleicht hätte er ein Seelenfreund werden können, aber jetzt war es zu spät.

      »Ohne ihn wäre das Unternehmen Reiterhof nicht so schnell gewachsen. Erst durch seine Führung habe ich meinen Lebensweg erkannt. In der Schwitzhütte ist mir das ganz deutlich geworden.«

      »In der Schwitzhütte?«

      »Das ist eine Zeremonie, die Leo angeboten hat. Dabei sitzt man in einer Hütte und schwitzt. Er hat …« Sie schluckte. »Hatte eigens dafür im Garten so ein Weidengerüst gebaut. Um eine Schwitzhütte daraus zu machen, legt man Decken drüber, holt heiße Steine rein und begießt sie mit Wasser. Wie in einer Sauna, allerdings gibt es dabei Rituale.«

      »Was denn für welche?« Ellas Neugier war geweckt.

      Marnie fuhr sich mit dem Finger über den Mund. »Ich hab schon viel zu viel gesagt. Das Ritual der Schwitzhütte unterliegt dem heiligen Schweigen.«

      »Aha, aber gut, dass es dir geholfen hat.«

      Wieder schluchzte Marnie auf. »Und jetzt ist Leo tot. Einfach weg. Für immer.«

      Erneut strich Ella ihr beruhigend über den Rücken.

      »Er war so ein feiner Mensch«, schniefte Marnie ein weiteres Mal.

      In dem Moment kam Corinna in den Stall und nahm Ella Joes Zügel aus der Hand. »Er war echt ein toller Typ«, sagte sie traurig. Anscheinend hatte sie die letzten Worte gehört.

      Auf einmal hatte Ella das Gefühl, nur eine unter vielen zu sein, die etwas für Leo empfunden hatten. Aber Leo und ein Teenager?

      »Er war ein Guter«, plapperte Corinna weiter. »Und das blaue Auge hatte der Uwe echt verdient.« Sie kicherte.

      »Halt die Klappe«, fuhr Marnie sie an.

      »Blaues Auge?«, echote Ella. »Was war denn los?«

      »Ach, die beiden hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit. Nichts Wichtiges.«

      »Für eine kleine Meinungsverschiedenheit sah Uwe aber ziemlich übel aus«, platzte Corinna heraus.

      »Reib jetzt bitte Joe trocken«, wandte sich Marnie mit warnender Stimme an sie. »Und dann räumst du den Sattel weg.«

      »Das hört sich aber schon übel an«, beharrte Ella. »Worum ging es bei dem Streit?«

      »Der Uwe hat aber auch bekloppt reagiert.« Corinna stand immer noch neben den Frauen.

      »Mach, was ich dir gesagt habe!«, fuhr Marnie sie scharf an. Dann wandte sie sich wieder Ella zu: »Nichts. Es war nichts Besonderes. Männer eben.« Sie zuckte die Achseln und machte dann einige Vorschläge für die nächste Reitstunde.

      Ella starrte auf den Terminkalender in ihrem Handy, war aber in Gedanken noch immer bei dem, was sie gerade erfahren hatte. Marnies Ex und Leo hatten sich geprügelt.

      Als sie schließlich einen neuen Termin gemacht hatten, verabschiedete sich Ella von Marnie. Sie ging zu ihrem Auto, als Corinna ihr mit einer Schubkarre voller Pferdemist entgegenkam, gefolgt von Marnies Hund.

      »Du kannst wirklich gut mit Pferden umgehen.«

      Fast hätte Corinna die schwere Karre umfallen lassen. Im letzten Moment gelang es ihr, sie abzusetzen. »Echt jetzt?«

      »Ja, sicher.«

      Das Mädchen strahlte sie an. »So verdiene ich mir ein kleines Taschengeld. Mein Traum wäre, später was mit Pferden zu machen. Aber mein Vater ist dagegen.«

      »Schade.« Doch nur allzu verständlich. Der Vater hatte bestimmt ehrgeizigere Pläne für seine Tochter. Das mit dem Pferdefimmel würde sich noch geben, davon war Ella überzeugt. Jedes Mädchen in Corinnas Alter schwärmte für Pferde. Obwohl, sie selbst hatte ja erst jetzt, mit Mitte dreißig, ihre Leidenschaft für sie entdeckt. Oder warum deckte sie mühevoll das Dach ab, um aus dem Anbau einen Stall zu machen, und suchte nach einer passenden Weide? Egal, sie musste auf das Thema zurückkommen, das sie eigentlich interessierte.

      »Der Leo, der hat dir viel bedeutet, oder?«

      Das Mädchen wurde knallrot. Oha, »bedeutet« war wohl noch untertrieben, anscheinend war sie total verknallt in ihn gewesen. Und wieder spürte Ella einen Stich.

      »Leo war echt total super. Und ein voll cooles Tattoo hatte er auch. Einen Leoparden. Leopard wie Leo, wissen Sie?«

      Ella erinnerte sich an keine Tätowierung. Gut, bei der Kräuterwanderung war es recht kalt gewesen, und sie hatten lange Jacken getragen. Wo das Tattoo wohl gewesen war? An einer intimen Stelle? Bei welcher Gelegenheit hatte Corinna es gesehen? Leo hatte doch hoffentlich nichts mit einer Schülerin angefangen?

      »Er hatte immer Verständnis.« Corinna war gar nicht mehr zu bremsen. »Man konnte ihm einfach alles erzählen, er hat einem immer zugehört. Und eingesetzt hat er sich auch, für die Umwelt und überhaupt.«

      Marnies riesiger Hütehund presste sich gegen Ellas Beine. Während sie ihn tätschelte, drifteten ihre Gedanken ab. Was tat sie hier eigentlich? Ein Kind ausfragen? Was ging es sie überhaupt an, was mit Leo passiert war? Aber sie wollte wissen, wieso er gestorben war, dachte sie trotzig.

      Als Corinnas Redestrom verebbt war, hakte Ella nach. »Bei dem Streit zwischen Leo und Uwe, worum ging es da?«

      »Puh.« Corinna blies sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Ich würde mal sagen, die standen beide auf Marnie.«

      »Und deshalb haben die sich geprügelt?«

      »Glaub schon.« Damit griff Corinna nach den Holmen der Schubkarre, hob sie an und balancierte die schwere Karre vorsichtig weiter zum Komposthaufen im Hof.


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