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Sturm über der Eifel. Katja KleiberЧитать онлайн книгу.

Sturm über der Eifel - Katja Kleiber


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folgte er mit dem rechten Zeigefinger dem Keltenrundwanderweg, der von Bassenheim kommend über den Karmelenberg in einem Bogen um den Goloring verlief. An ihm lag der Aussichtspunkt, von dem aus man das Ringheiligtum überblicken konnte. Dort hatten die Wanderer aus Mayen am Montagmorgen gestanden und die Leiche entdeckt. Gleich unterhalb des Aussichtspunkts war die Öffnung im Zaun gewesen, durch die sich Schmidt gewunden hatte. Die Spurensicherung hatte an dem aufgeschnittenen Maschendraht Fasern gefunden, die eindeutig zu dem Fell gehörten, das der Mann getragen hatte.

      Es gab nur einen Hof, der nahe dem Goloring lag. Der Keltenrundwanderweg führte direkt an ihm vorbei. Peters Nase näherte sich der Karte, um die kleine Schrift lesen zu können. »Achterspannerhof.«

      Sofort tauchte vor seinem inneren Auge eine schmucke Kutsche mit acht Pferden auf. Peter lächelte. Zum Glück hatte sein Motorrad mehr als acht PS. Hoffentlich könnte er noch eine Ausfahrt machen, bevor das Wetter allzu eklig wurde. Sobald es begann, feucht zu werden, verwandelten herabfallende Blätter die Straßen in Rutschbahnen.

      Aber egal, jetzt würde er sich erst mal den Achterspannerhof vornehmen. Mal sehen, ob dort ein aufmerksamer Nachbar wohnte. Wobei, eigentlich könnte er ja mit dem Bike hinfahren. Den unerwartet schönen Novembertag nutzen.

      Er ließ es ruhig angehen und genoss jede Kurve. Es war nahezu windstill, der Fahrtwind angenehm, nur sein Hals war etwas kalt, trotz Tuch. Ein sicheres Zeichen dafür, dass die Saison zu Ende ging.

      Hinter einer lang gezogenen Kurve stand ein Motorrad am Straßenrand, über das sich eine schwarz gekleidete Gestalt beugte. Ein Unfall? Aber wo war der Unfallgegner? Peter drosselte das Tempo, zog rechts rüber und kam neben dem Typ zum Stehen.

      Der Motorradfahrer richtete sich auf. Es war kein Typ, sondern eine Frau. Und was für eine. Etwas kleiner als er, ihre kurvige Figur ließ sich sogar in der schwarzen Lederkleidung erahnen. Als sie das Visier am Helm hochklappte, kam ihm das Gesicht bekannt vor.

      »Hallo.«

      Ihre tiefe, rauchige Stimme brachte sein Gedächtnis in Schwung. »Hallo, Gertrud, was ist passiert?«

      »Kennen wir uns?«

      »Aus deinem Café Fahrtwind.« Es war schon eine Weile her, dass er in Hönningen eingekehrt war, wo Gertrud den Bikertreff mit strenger Hand führte. Wer Ärger machte, flog raus. Wer zu viel soff, wurde ins Hinterzimmer auf ein Sofa verfrachtet und konnte den Schlüssel für seine Maschine am nächsten Morgen an der Theke abholen.

      »Ach ja.« Sie ließ sich nicht anmerken, ob sie ihn erkannt hatte.

      »Was hat die Maschine denn?«

      Gertrud zuckte die Schultern. »Hab kurz mal angehalten, um zu … äh … pinkeln. Jetzt springt sie nicht mehr an.« Sie drehte den Schlüssel. Nichts tat sich. »Wahrscheinlich ist die Zündsteuerung defekt.«

      Peter musterte das Bike. Eine Suzuki GSX-S mit 750er Hubraum. Modernes Modell und eine schlaue Wahl: Auch kleinere Frauen wie Gertrud kamen gut damit zurecht. Aber je mehr Elektronik verbaut wurde, umso empfindlicher war die Maschine. Seine Triumph hatte noch eine gute alte mechanische Steuerung, die er regelmäßig exakt einstellte. Heutzutage warben die Hersteller mit »wartungsfrei«, was gut klang, aber wenn die elektronische Zündsteuerung hin war, musste sie ersetzt werden. Nichts, was man mal eben am Straßenrand erledigen konnte. Er sah seine Chance: »Willst du bei mir aufsitzen? Ich bring dich nach Hause. Um deine Maschine kümmern wir uns später.«

      »Nicht nötig, ich werde schon abgeholt.«

      Krampfhaft überlegte er, welches Thema er noch anschneiden könnte. Er wollte noch nicht weiterfahren. »Übrigens gibt es extrakleine und leichte Warndreiecke für Motorräder, wäre gut, wenn du dir so eins vorsorglich besorgst.« Er wies auf die Landstraße. »Nicht jede Kurve ist so weit wie die hier.«

      In diesem Moment näherte sich ein Pick-up. Der Fahrer bremste und kam hinter den beiden Bikes am Straßenrand zum Stehen. Ein riesiger Typ in Lederjacke stieg aus.

      Peter beäugte den Typ kritisch, dann nickte er ihm zu.

      Der Mann verengte seine Augen zu Schlitzen, musterte ihn und nickte zurück, bevor er sich an Gertrud wandte: »Komm, lass uns dein Bike auf den Anhänger verfrachten.« Er hievte eine Blechrampe von der Ladefläche.

      Peter begutachtete den Wagen. Ein VW Amarok, mächtiges Gefährt. Von seinem Beamtengehalt könnte er sich so was nicht leisten.

      Der Mann bemerkte seinen Blick. »Hundertsechzig PS, Allradantrieb, drei Liter Hubraum. Sonst noch Fragen?«

      Peter winkte ab. Der Typ war ihm auf Anhieb unsympathisch.

      Als er sah, dass Gertrud Anstalten machte, ihre Maschine die Rampe hochzuschieben, trat er hinzu und packte mit an.

      Der Riese stellte sich neben ihn, um zu schieben, und gemeinsam wuchteten sie das Teil auf die Ladefläche. Peter war schweißüberströmt, als es geschafft war. Kein Wunder, immerhin wog selbst so ein kleineres Bike über zweihundert Kilo.

      »Das war’s, Schwesterherz.« Der Riese nickte Gertrud zu. »Setz dich in den Wagen.«

      Sofort wurde es Peter leichter ums Herz. Schwesterherz? Und er hatte den riesigen Typen für Gertruds Freund gehalten. Er betrachtete die Frau mit der weiblichen Figur noch interessierter. »Dann bist du ja jetzt in guten Händen.« Er beugte sich vor und blickte ihr tief in die Augen. Sie waren blaugrau mit goldenen Sprenkeln.

      Als er sich schließlich von beiden verabschiedet hatte, achtete er darauf, möglichst elegant auf seine Triumph zu steigen und beim Starten extraviel Gas zu geben.

      In Zukunft würde er öfter im Café Fahrtwind einkehren, so viel war sicher. Dann fiel ihm siedend heiß ein, dass der Bikertreff ja ab Dezember geschlossen war. Nun gut, dann würde er eben schon sehr bald dort vorbeischauen.

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