Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2). Perry RhodanЧитать онлайн книгу.
bezeichnet kB die Boltzmann-Konstante (1,38 · 10-23 Joule pro Kelvin), T die Temperatur in Kelvin und ln2 den natürlichen Logarithmus von zwei (also etwa 0,69315...). Der maximale Betrag an Information (Imax) in Bits, der von jedem möglichen klassischen und Quantencomputer verarbeitet werden kann, hängt also von seiner Arbeitstemperatur T ab sowie der verfügbaren Energie E: Imax = E/kBTln2 = 1,05 · 1016 E/T. Daraus folgt: Je geringer die Temperatur ist, desto mehr Information kann verarbeitet werden.
Die niedrigste Temperatur im Weltraum ist im Allgemeinen die Kosmische Hintergrundstrahlung. Sie ist gewissermaßen das Nachleuchten des Urknalls und beträgt gegenwärtig 2,72 Kelvin oder rund minus 270 Grad Celsius. Im Labor kann man zwar noch tiefere Temperaturen herstellen (der Rekord auf der Erde liegt bei 100 Pikokelvin = 0,000.000.000.1 Kelvin in einem Rhodium-Metall), aber diese energieaufwendige Kühlung geht auf Kosten der Umgebung. Generell lässt sich Entropie lokal durchaus vermindern, doch das führt zu einer noch größeren Entropiezunahme ringsum und insgesamt – im Einklang mit dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, nicht im Widerspruch dazu.
Gegenwärtig ist die Temperatur des Weltraums also knapp drei Grad wärmer als der Absolute Nullpunkt der Temperaturskala, der bei minus 273,15 Grad Celsius liegt. Insofern besteht noch einiges an Rechenspielraum – ein gigantischer Betrag sogar.
So könnte eine Superzivilisation, der die Masse eines Superhaufens von Galaxien zur Verfügung steht – 1043 Kilogramm in einem Raumbereich von vielleicht 150 Millionen Lichtjahren –, gegenwärtig eine Rechenkapazität von 1061 Bits nutzen, in 1,4 Billionen Jahren hingegen 1075 Bits. Noch drastischer: Schon die Masse der Erde (5,9 · 1024 Kilogramm) würde in ferner Zukunft mehr nutzbare Energie liefern (gemäß Einsteins Formel E = mc²) als heute die Masse des ganzen beobachtbaren Universums (6 · 1052 Kilogramm). Das ist eine erstaunliche Einsicht, die andere Zivilisationen sicherlich auch gewinnen, wenn sie bereits vergleichsweise primitiven Erdlingen möglich ist.
Die Ästivation-Hypothese
Um den energetischen Aufwand zu minimieren, ist es also sinnvoll, den optimalen Zeitraum abzuwarten – und sich zuvor möglichst früh und umfassend die Ressourcen dafür zu sichern. Daher spekulieren Sandberg, Armstrong und Ćirković, dass fortgeschrittene Superzivilisationen im Universum diese Expansionsphase bereits hinter sich haben und zurzeit passiv sind, weil sie sich im Zustand einer Art kosmischer Sommerruhe befinden.
In Sommerruhe: Dünenschnecken (Theba pisana) und ein paar Spitzschnecken (Cochlicella acuta) an Zaunpfosten im südaustralischen Kadina. Um den Stressfaktor Hitze zu vermindern, kapseln sie sich ein und fahren ihre Stoffwechselaktivität herunter. [V. Menkov]
Sandberg und seine Kollegen haben diese Idee Ästivation-Hypothese genannt und in vielen Details ausgearbeitet. Ästivation (von lateinisch »aestes«: Hitze, Sommer) ist das biologische Fachwort für Sommerruhe. Sie bezeichnet die Strategie mancher Tiere, hohen Temperaturen und Trockenheit auszuweichen, indem sie die warmen Sommermonate weitgehend verschlafen – ähnlich wie andere es im Winter tun, um die Kälte und den Nahrungsmangel zu überstehen. Sommerruhe kommt bei einigen Insekten vor, etwa bestimmten Marienkäfern (Coccinellidae) und Stechmücken, bei Schnecken (Otala lactea, Theba pisana, Glanum), beim Afrikanischen Lungenfisch, bei manchen Kröten und Fröschen sowie bei Reptilien, etwa der Ägyptischen und Tunesischen Landschildkröte und bei den Agamen-Echsen.
Selbstverständlich könnten Superzivilisationen auch beschließen, zu Hause zu »übersommern«, ohne das Weltall großräumig zu kolonisieren. Das würde zunächst beträchtlich Energie sparen, langfristig allerdings viel weniger Ressourcen einbringen. Außerdem wäre es riskant, falls andere Superzivilisationen expandieren und womöglich alles für sich vereinnahmen.
Das Ende der kosmischen Sommerruhe
Ab wann die kosmische Sommerruhe endet und es vernünftig ist, die Energie des Universums optimal zu nutzen, lässt sich schwer sagen – aber der Zeitpunkt muss in jedem Fall weit in der Zukunft liegen. Sandberg und seine Kollegen haben verschiedene Möglichkeiten für dieses Große Erwachen diskutiert.
• So beträgt in 270 Milliarden Jahren die Temperatur des Weltraums 10-8 Kelvin: Ab dann sind Fehlerkorrekturen nicht mehr temperaturabhängig.
• In 520 Milliarden Jahren sind supermassereiche Schwarze Löcher mit einer Milliarde Sonnenmassen aufgrund ihrer quantenphysikalischen Hawking-Strahlung wärmer als die Kosmische Hintergrundstrahlung und wären als Energiequellen nutzbar, aber nicht mehr als Senken für die thermodynamische Abwärme.
• In 1,4 Billionen Jahren ist die Hintergrundstrahlung auf 3 · 10-30 Kelvin abgekühlt: Kälter wird es aufgrund von Quanteneffekten in unserem beschleunigt expandierenden Universum nicht mehr, wie Stephen Hawking und Gary Gibbons bereits 1977 berechnet haben. Ab dann beginnt es auch für Superzivilisationen problematisch zu werden, zumal allmählich die materiellen Ressourcen schwinden.
• In 1019 Jahren lösen sich Galaxien auf – infolge seltener gravitativer Interaktionen werden die Sterne mit der Zeit in den intergalaktischen Raum geschleudert oder stürzen ins supermassereiche Schwarze Loch im Galaxienzentrum.
• Und in frühestens 1033 Jahren setzt wohl ein Protonenzerfall ein, der das Ende der gewöhnlichen Materie bedeutet.
Sandberg, Armstrong und Ćirković haben einige Beispiele für die Zahl der möglichen Informationsverarbeitungsschritte – etwa Speicher- oder Löschvorgänge – abhängig von der Zeit und Energie berechnet. Eine Zivilisation, die die ganze Masse ihres Galaxien-Superhaufens bis zum Protonenzerfall in frühestens 1033 Jahren bei 7,6 · 10-6 Kelvin nützt, kann 1080 Operationen ausführen und benötigt dafür eine Leistung (Energie pro Zeit) von 5,7 · 1021 Watt – so viel wie ein leuchtschwacher Roter Zwergstern. Wartet man bis zu einer Temperatur von 10-30 Kelvin, sind sogar nur 10-75 Watt für 10115 Operationen nötig – allerdings mit einem gewaltigen Zeitraum von rund 100 Billiarden Jahren zwischen jedem einzelnen Vorgang. Realistischer mag daher eine Temperatur von 10-8 Kelvin erscheinen, bei der man mit 1010 Watt – der Leistung eines großen gegenwärtigen Kraftwerks – immerhin 1093 Operationen binnen 5,7 · 1044 Jahren bewerkstelligen könnte.
Energien für Extraterrestrische Intelligenzen: Zugängliche Ressourcen für Zivilisationen, die mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten expandieren oder sich innerhalb eines Superhaufens von Galaxien befinden. Die Entfernungen sind in Milliarden Lichtjahren angegeben (im mitbewegten Koordinatensystem), die verfügbaren Massen in Kilogramm. Gemäß Albert Einsteins Formel E = mc2 ist Masse m eine Form der Energie E (c ist die Lichtgeschwindigkeit). Ob die Dunkle Materie wirklich existiert und inwiefern sie sich nutzen lassen könnte, ist für Erdbewohner bislang ungeklärt.
Das Fermi-Paradoxon
Zwar weiß kein Mensch, ob es jetzt schon Superzivilisationen in Sommerruhe gibt oder in Zukunft geben wird, aber es spricht zumindest kein bekanntes Naturgesetz dagegen. »Wenn unsere Hypothese stimmt, können alte und mächtige Zivilisationen um uns herum existieren, die schwer zu finden sind – aber nicht, weil sie sich absichtlich verstecken, sondern weil sie inaktiv sind«, schreiben Sandberg und seine Kollegen.
Und weil sich die schlafenden Superzivilisationen für uns nicht bemerkbar machen, ist die Ästivation-Hypothese auch eine neue Lösungsmöglichkeit des Fermi-Paradoxons.
»Wo sind die Außerirdischen oder ihre Boten?«, hatte der Physik-Nobelpreisträger Enrico Fermi den Kernphysiker Edward Teller gefragt. Das war 1950 bei einer skeptischen Diskussion über UFOs beim Mittagessen in der Kantine des Los Alamos National Laboratory in New Mexico.
Diese Frage ging als Fermi-Paradoxon in die Wissenschaftsgeschichte ein. Sie hat zu einer Flut von Reaktionen geführt. So hat der polnische Schriftsteller Stanisław Lem immer wieder betont, dass das Schweigen des Alls eines der größten Rätsel sei. Wobei das 1983 von dem Physiker und Science-Fiction-Autor Glen David Brin so genannte Great-Silence-Problem (»silentium universi«, das Schweigen des Universums) mit dem Fermi-Paradoxon