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Kooperatives Lernen im Englischunterricht. Andreas BonnetЧитать онлайн книгу.

Kooperatives Lernen im Englischunterricht - Andreas Bonnet


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zwischen den beiden herauszuarbeiten.

      Alle bisher benannten Theorien gehen davon aus, dass Menschen einen inneren Antrieb zur Kooperation haben. Sie möchten z. B. Widersprüche in ihrer Weltsicht auflösen und begeben sich daher in den Austausch mit anderen. Johnson und Johnson benennen aber noch eine zweite Sichtweise. Mit Bezug auf unterschiedliche Lern- und Motivationstheorien, verbunden mit Namen wie Skinner, Bandura oder Slavin, verweisen sie darauf, dass Menschen eben nicht nur aus sich heraus handeln. Anstrengungen würden nur dann in Kauf genommen, wenn das Ziel lohne, und externe Anreize könnten die Anstrengungsbereitschaft durchaus fördern. Obwohl die Konflikte zwischen diesen unterschiedlichen Theorierahmen noch lange nicht ausgeräumt seien, hätten die verschiedenen Ansätze eine Vielzahl von Untersuchungen hervorgebracht, die Erkenntnisse zum KL beigesteuert hätten.

      2.3.2 Theoriekritik aus Fremdsprachenforschung und Schulpädagogik

      Nicht nur aus der Fremdsprachenforschung wird dieser theoretische Rahmen durchaus kritisch betrachtet. Die bereits referierten (vgl. Kap. 2.2.2) Überlegungen von Oxford (1997) lenken den Blick darauf, dass der theoretische Rahmen des KL, so wie Johnson/Johnson ihn konstruieren, keinesfalls unproblematisch ist. Sie argumentiert sehr überzeugend, dass der für KL häufig herangezogene Sozialkonstruktivismus höchstens teilweise zu den rigiden Strukturvorgaben des KL passt. Diese Vorgaben kann man sicherlich als scaffolding betrachten. Allerdings verträgt sich die Vorstrukturierung des KL wenig mit der dem Sozialkonstruktivisums zu Grunde liegenden Idee der kulturellen und sozialen Situierung von Lernprozessen in Lerngemeinschaften, für die umfassende Aushandlungsprozesse grundlegend sind. Man kann Oxfords abweichende Klassifizierung somit auch als Anfrage lesen, ob KL in der Variante hoher methodischer Vorstrukturierung blind für institutionelle und organisationale Effekte sei. Dies wird in der Folge (s. u.) nochmals aus schulpädagogischer Perspektive zum Thema werden.

      Neben dieser etwas vorschnellen Vereinnahmung des Sozialkonstruktivismus wird an anderer Stelle (Würffel 2007) darauf hingewiesen, dass auch die Verwendung des Konzepts der positiven Interdependenz bei verschiedenen Autor*innen nicht unproblematisch ist. Unter Bezugnahme auf Huber (1999) führt Würffel aus, dass insbesondere bei Johnson/Johnson die Tendenz herrsche, „mit bestimmten Begriffen immer freier umzugehen und ihre Herkunft nicht konsequent über Quellenangaben zu verdeutlichen“ (Würffel 2007, 9). Das von ihr als umfassende Alternative vorgeschlagene Modell kooperativer Aufgabenbearbeitung, das der Komplexität des Gegenstands Rechnung tragen soll (Würffel 2007, 12ff.), ist eine sehr interessante Alternative, bedarf aber in seiner enormen Breite noch begrifflicher Präzisierung und empirischer Fundierung.

      Zwei darin vorgeschlagene begriffliche Klärungen können allerdings unmittelbar aufgenommen werden. Zum einen diskutiert sie unterschiedliche Positionen zu KL und schlägt vor, nicht unterschiedliche Termini (z. B. Kooperation vs. Kollaboration) zu verwenden, sondern den Grad der Kooperativität einer jeweiligen Aufgabe oder Gruppenarbeit zu bestimmen. Dazu empfehle sich einerseits eine Bestimmung des „Strukturierungsgrades des Arbeitsprozesses durch die Aufgabe“ (Würffel 2007, 5) und andererseits „die Art und Weise der Wissenskonstruktion“ (ebd.), wobei schwache Kooperativität vorliege, wenn die Strukturierung hoch sei und die Wissenskonstruktion individuell erfolge. Starke Kooperativität sei hingegen gegeben, wenn die Strukturierung niedrig sei und die Wissenskonstruktion interaktiv-kollektiv erfolge. Diese Konzeptualisierung ist sehr sinnvoll, denn sie trägt der oben genannten Tatsache Rechnung, dass bestimmte Aufgabenformate oder Methoden zwar Strukturierung und Wissenskonstruktion beeinflussen, dass sich deren tatsächliche Ausprägung aber erst in der konkreten Interaktion selbst ergibt.

      Die zweite sehr sinnvolle Anregung besteht darin, die verwirrenden Detaillierungen der Diskussion um unterschiedliche Arten der Interdependenz auf die grundlegende Unterscheidung von positiver und negativer Interdependenz zurück zu führen:

      Fassen wir zusammen: Soziale Interdependenz muss gegeben sein, damit von einer Gruppe gesprochen werden kann. Je nach Charakter der Verflechtung der Ziele der Gruppenmitglieder kann es eine positive oder eine negative soziale Interdependenz geben. Die Wahl eines kooperativen oder eines kompetitiven Verhaltens des Einzelnen in der Gruppe oder zwischen Gruppen geschieht in Abhängigkeit von der Interdependenzstruktur und d.h. letztlich in Abhängigkeit vom Charakter des gemeinsamen Ziels (bzw. der Verflechtung der individuellen Ziele) (Würffel 2007, 11).

      Damit richtet sich das Augenmerk auch weniger darauf, theoretisch über unterschiedliche Kombinationsmöglichkeiten oder bestimmten Methoden innewohnende Qualitäten zu spekulieren. Vielmehr ermöglicht es, mit der einfachen Unterscheidung zwischen positiver und negativer Interdependenz und damit zwischen kooperativen, kompetitiven und individualisierenden Situationen in die empirische Untersuchung zu gehen und dort zu ermitteln, welche Differenzierungen unterschiedlicher Facetten von Interdependenz auftreten.

      Dass derartige Präzisierungen bedeutungsvoll sind, wird sowohl theoretisch als auch empirisch nahegelegt. Zum einen dürfte es relevant sein, um welche Art von Zielen es sich in konkreten Aufgabensituationen handelt. In ihrem Forschungsüberblick und den von ihnen referierten eigenen Untersuchungen kommen Buchs/Butera (2015) zu dem Ergebnis, dass die Kooperativität von Gruppenarbeiten und damit die Lernzuwächse dann größer seien, wenn die Schüler*innen Könnensziele (mastery goals) und nicht Leistungsziele (performance goals) verfolgen. Könnensziele seien vorhanden, wenn den Schüler*innen deutlich ist, in welcher Weise sich ihr Können und das ihrer Mitlernenden durch die Gruppenarbeit erweitern soll und wird. Dadurch werde Kooperativität erhöht. Leistungsziele seien hingegen vorhanden, wenn es darum gehe, ein bestimmtes Produkt, das an einem Standard gemessen wird, zu produzieren. Dadurch werde die Kooperativität der Gruppe vermindert und das Konkurrenzprinzip käme zum Tragen:

      Moreover, it seems to us that it is particularly important to frame the team goal in terms of mutual responsibility for individual learning of each member and not merely in terms of a group product. The common goal of the team must be to ensure that every member understands, masters, and integrates the materials on which the team is working (Buchs/Butera 2015, 202).

      Zum anderen scheint nicht nur die Art des Ziels, sondern auch dessen Urheberschaft relevant zu sein. Die Motivationsforschung verweist darauf, dass die Motivation, ein Ziel zu erreichen, unmittelbar damit verbunden sei, wie stark man das Ziel als von sich selbst gesetzt wahrnimmt und es sich damit zu eigen mache. (Johnson/Johnson 2003, 138–139) Die Autoren sprechen in diesem Zusammenhang von ownership und formulieren den Zusammenhang wie folgt: „Involvement leads to ownership which leads to motivation and commitment“ (ebd.). In diesem Sinne setzt Kooperativität nicht nur das Vorhandensein gemeinsamer Ziele voraus. Diese Ziele müssen auch gemeinsam verhandelt und sich von den Akteuren zu eigen gemacht werden. Dies wiederum korrespondiert mit Deweys Unterscheidung zwischen cooperativeness und community.

      The parts of a machine work with a maximum of cooperativeness for a common result, but they do not form a community. If, however, they were all cognizant of the common end and all interested in it so that they regulated their specific activity in view of it, then they would form a community. Each would have to know what the other was about and would have to have some way of keeping the other informed as to his own purpose and progress. Consensus demands communication (Dewey 2008 [1916], 10).

      Während Johnson/Johnson aus individualpsychologischer Perspektive argumentieren, dass nur verhandelte Ziele Motivation erzeugen, sieht Dewey genau in dieser Kommunikation über gemeinsame Ziele den entscheidenden Prozess der Aufrechterhaltung einer Gesellschaftsform und der Weitergabe kultureller Wissensbestände. Somit treffen sich psychologische und soziologische Perspektive. Und damit kann ein weiteres soziales Phänomen in den Blick genommen werden, das in psychologischer Perspektive verborgen bleibt.

      Aktuelle Arbeiten aus der Schulpädagogik (u.a. Rabenstein 2007) machen darauf aufmerksam, dass die neuen Unterrichtsformen, insbesondere KL und Individualisierung keinesfalls ideologisch unschuldig sind, sondern dass sich hier die Problematik von Macht und Kontrolle in neuer Weise stellt. Ausgehend von dem durch Bellmann und Waldow (2006) formulierten Befund, dass das für die neuen Unterrichtsformen zentrale „Leitbild des selbständigen Schülers“ sowohl mit der reformpädagogischen Idee von Lernen als selbständiger und auf Emanzipation zielender Tätigkeit, als auch mit der neoliberalen


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