Die 12 Häuser der Magie - Schicksalsretter. Andreas SuchanekЧитать онлайн книгу.
weg«, sagte Pablo hektisch. »Falls die Schwärze die Magie hier aufhebt, könnte sie auch den Spiegel ausschalten.«
Ultinova blickte zur Tür, wo noch immer Schicksalswächter ankamen. In ihren Blicken lag das absolute Grauen. Sie hetzten zum Spiegel und verschwanden.
In diesem Augenblick wirkte die urgewaltige Ultinova wie eine zerbrechliche Glasskulptur. Gegen diese Macht kam auch sie nicht an.
Die Schwärze kam.
Klebrig, zersetzend, tödlich. Als habe jemand Blut mit Säure gemischt und ausgeschüttet. Innerhalb von Sekunden war der halbe Raum eingenommen.
»Los!«, befahl Jane.
Sam glitt durch den Spiegel, Pablo folgte. Gemeinsam mit Ultinova blieb Matt an Ort und Stelle, starrte gebannt auf die Dunkelheit.
»Hier seht ihr das Schicksal der Welt«, flüsterte die Schicksalswächterin.
»Das werden wir sehen!« Jane packte die Frau und zog sie mit zum Spiegel.
Ein Schwappen.
Matt war der Letzte. Er wartete nicht länger, warf sich durch die Spiegelfläche. Auf der anderen Seite berührte Pablo bereits den Spiegel. Magie loderte durch den Anima in seinem Brillengestell, die Glasfläche verfestigte sich. Eine Erschütterung ließ den Boden erzittern. Verästelnde Risse überzogen das Glas.
Als habe jemand einen Hammer darauf geschmettert, zerbarst die Oberfläche in tausend Scherben. Matt wandte sich ab, um nicht getroffen zu werden.
Stille senkte sich herab.
Sie waren allein. Die anderen Schicksalswächter hatten das Gebäude bereits verlassen, vermutlich über den zweiten Spiegel. Matt wusste, dass das gesamte Haus eine Ablenkung war. Die beiden übrigen Portale in diesem Raum waren erloschen.
»Das dreizehnte Haus existiert nicht mehr«, sagte Ultinova leise. »Und unser Talent ist ebenfalls fort.«
»Wir haben später Zeit, zu trauern.« Jane eilte bereits auf die Tür zu. »Die anderen Schicksalswächter haben uns gesehen. Matt, Sam und ich werden vom Rat gesucht. Falls jemand die Wächter alarmiert, sind die in Kürze hier.«
Ultinova wedelte mit der Hand. »Verschwinden wir. Ich nehme an, es gibt einen Rückzugsort?«
Matt dachte sofort an Angelo, der mit Gabriel im sicheren Haus in Italien die Stellung hielt. »Wir können da etwas arrangieren.«
Natürlich konnten sie die beiden nicht einfach mitnehmen. Mit ein wenig Magie ließ sich das Risiko jedoch minimieren. Ultinova stellte sich an die Spitze und führte sie durch das Gemäuer. Überall hingen Spinnweben mitsamt ihren Bewohnern. Das Holz der Dielenbretter knirschte bei jedem Schritt, die Gemälde an der Wand waren verblichen und verstaubt.
Wie hatte Nic sich wohl gefühlt, als er von Jeremiah hierhergebracht worden war? Der Gedanke, dass es sich bei dieser Ruine um das 13. Haus handelte, musste ihn schockiert haben. Wer wollte schon hier wohnen?
Matt dachte an die wunderschönen Holzhäuser der Pflanzenmagier. Er hatte sein eigenes aus einem Baum wachsen lassen, das Geäst war zu den Wänden geworden. Jeden Morgen war er vom Gezwitscher der Vögel und dem frischen Duft von Laub geweckt worden. Er lächelte wehmütig.
Ultinova führte sie ins Erdgeschoss.
Anstelle der Tür wartete der zweite Spiegel. Die Fläche waberte sanft, die Passage war noch immer geöffnet. Sie griff nach dem Rahmen, schloss die Augen und justierte ein neues Ziel. »Irgendeinen Wunsch?«
Sie konnten auf keinen Fall direkt nach Italien spiegeln.
»Starten wir mit London«, sagte Jane. »Von dort geht es weiter.«
»Dann also die geheime Station neben der Haltestelle der Piccadilly Line.«
Nacheinander traten sie hindurch.
Der Ankunftsraum war wie üblich mit gemütlichen Sitznischen eingerichtet, es gab eine Bar, an der man Tee und Kaffee ordern konnte, falls der Spiegel noch anderweitig geschaltet war. Glücklicherweise war kaum jemand anwesend.
»Wie geht es weiter?«, fragte Ultinova.
Bevor Matt antworten konnte, erwachten die Schatten zum Leben. Wächter kam daraus hervor, an ihrer Seite Schattenläufer. Innerhalb von Sekunden kam ihre Flucht zu einem Ende.
Kapitel 4
Umzingelt
Jane
Elois Standoff stand mit verkniffener Miene zwischen den Wächtern. Das Ratsmitglied hatte die Attacke in Österreich überlebt. Sie war verantwortlich für die Festnahme von Nicholas’ Vater.
Ihre Lippen zitterten, die dürren Finger wirkten wie verkrampfte Spinnenbeine. »Ihr habt es tatsächlich gewagt.« Ihr Blick huschte über Ultinova und Pablo. »Alles ist zerstört, das dreizehnte Haus entmachtet.«
»Wir haben alle gerettet«, ereiferte sich Jane.
»Der Dämon …«, setzte Pablo an.
»Ich habe kein Interesse an euren Lügen!«, blaffte Elois Standoff. »Natürlich war uns klar, dass Jeremiah mit seinem Sohn das dreizehnte Haus infiltriert, um den Dämon zurückzubringen. Das diese Kabale bereits so weit fortgeschritten ist, erschüttert uns alle. Ihr habt eure Seele seiner Macht verschrieben.«
»Wir wollten ihn aufhalten!«, rief Matt. »Dafür ist es leider zu spät. Er ist zurück.«
Grabesstille legte sich über den Ankunftsraum unter der Piccadilly Line.
»Ich verstehe.« Standoff schürzte die Lippen, dachte nach und sprach schließlich weiter. »Ihr verbreitet die Lügen weiterhin, um den Rat zu destabilisieren.«
»Inés Dubois paktiert mit dem Dämon«, sagte Jane kalt. »Wenn ihr das nicht begreift, macht ihr euch am Untergang mitschuldig.«
Innerlich brüllte sie vor Wut. Wie blind konnten die Wächter nur sein? Inés hatte ganze Arbeit geleistet, ihr Gift monatelang versprüht.
»Sprich nicht so über eine verdiente Schicksalswächterin, die uns die Augen vor eurem Verrat öffnen konnte.« Standoff erwiderte Janes Blick angeekelt. »Ihr habt gemordet, euch dem Dämon verschrieben und das dreizehnte Haus geschlagen. Wir konnten alle Flüchtenden gefangen nehmen und werden sie intensiv befragen. Die Wächter haben noch jeden zum Reden gebracht.«
Matt wirkte verzweifelt. »Wir sagen die Wahrheit.«
Jane wollte ihn in die Arme schließen, sah die Erschütterung in seinen Augen. Die Ereignisse hatten ihre Spuren auf seiner Seele hinterlassen. »Letztlich wird jede Befragung dasselbe zutage fördern.«
»Wir werden nicht befragt«, sagte Ultinova leise. »Ist es nicht so, Ratsmitglied?«
Standoff wirkte ertappt, fing sich allerdings sofort wieder. »Die Schlafseher haben uns davor gewarnt, dass das zweite Regnum herannaht und die Häuser fallen. Wir können kein Risiko eingehen. Aus diesem Grund hat der Rat die Befugnisse der Wächter erweitert. Sie dürfen nun ebenfalls gnadenlos gegen Fluchunterstützer vorgehen.«
»Das ergibt Sinn. Wir Schicksalswächter durften töten, um den Fluch aufzuhalten. Die Wächter also nun auch. Doch wer entscheidet darüber, wen sie beseitigen?«, fragte Ultinova.
»Die eine Schicksalswächterin, die über jeden Zweifel erhaben ist, natürlich«, sagte Standoff. »Gemeinsam mit dem Rat.«
»Dann wird der Rat bald ausgelöscht sein.« Ultinova sprach mehr zu sich selbst als zur Rätin.
»Ist das eine Drohung?«
»Ihr seid Narren. Ihr gebt eurer größten Feindin die absolute Macht