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Die Rabenringe - Fäulnis (Band 2). Siri PettersenЧитать онлайн книгу.

Die Rabenringe - Fäulnis (Band 2) - Siri Pettersen


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entdeckte eine Holzkiste unter einem Arbeitstisch. Sie drückte Kuro mit der einen Hand an ihre Brust, während sie mit der anderen die Kiste hervorzog und umkippte. Gartenwerkzeug, das darin gelegen hatte, fiel scheppernd auf den Steinboden. Es war ihr egal, ob es jemand hörte. Sollten sie doch kommen, wenn sie wollten.

      »So, die ist größer. Hier kannst du liegen. Bis du gesund bist.« Sie breitete das Handtuch auf dem Boden aus und legte Kuro vorsichtig darauf. Er sah aus wie ein Haufen Federn. Schwarze Federn auf einem weißen Handtuch. Sein Kopf fiel zur Seite.

      »Nein, Kuro! Das darfst du nicht!« Sie fiel auf die Knie, hob ihn wieder heraus. Schüttelte ihn. Sein Kopf sah viel zu schlaff aus, als habe er sich das Genick gebrochen. Irgendetwas musste sie doch tun können! Sie musste ihm helfen. Ihre Aufgabe war es, Kranken zu helfen. Leute gesund zu machen, Dinge zu richten. Sie starrte dem Raben in die Augen und erinnerte sich an alle, die sie hatte sterben sehen. An alle, denen sie nie hatte helfen können. An alle, die die Hütte verlassen hatten, ohne dass Vater oder sie etwas anderes getan hatten, als das Unausweichliche aufzuschieben. Das war nicht gerecht! So sollte es nicht sein!

      Vom Weinen lief ihr die Nase und sie wischte sie sich mit dem Pulloverärmel ab. »Das werde ich dir nie verzeihen! Hörst du das?« Kuros ganzer Vogelkörper durchlief ein Zucken und er fiel ihr aus der Hand, sodass er wieder in die Kiste plumpste. Er stieß einen langen Schmerzensschrei aus und flatterte ein bisschen mit den Flügeln, als versuche er sich aufzurappeln. Die Klauen spreizten sich und sein Schnabel öffnete sich zu einem erstarrten roten Schlund. Sein Brustkorb schwoll an, blähte sich wie ein Wasserbeutel. Das hier ging schief! Das hier ging ganz schrecklich schief!

      »Kuro …« Sie streckte die Hand nach ihm aus, konnte aber den Arm nicht hochhalten. Alle Kraft im Körper war weg.

      Da platzte die Vogelbrust.

      Hirka schrie und wich zurück. Sie sah Blut, Knochen.

      Kuro zischte. Etwas glänzend Weißes zwängte sich aus seiner Brust. Der Vogelkörper wurde bis zur Unkenntlichkeit gedehnt. Noppige Haut war zwischen den Federn zu sehen, aufgesprungen, kaputt. Hirka schlug sich die Hand vor den Mund, konnte aber ihre hemmungslosen Schluchzer nicht unterdrücken.

      So hatte der Tod noch nie ausgesehen. Das hier war ein Parasit. Ein hässlicher Wurm, der in Ymsland nicht vorkam, sondern nur hier. In dieser verhassten Welt. Die hatte ihr den einzigen Freund genommen. Alles, was sie hatte.

      Von Kuro blieb in der Kiste nur noch Aas, während sich das Wesen aus ihm wälzte.

      Hirka kroch rückwärts, ohne den Blick von dem abwenden zu können, was da passierte. Sie zog sich zwischen die Tische mit den Sprösslingen zurück, drückte sich an die Glaswand. Die war kalt und feucht am Rücken.

      Die Kiste flog mit einem Knall auseinander. Holzsplitter wirbelten durch die Luft. Irgendetwas klatschte gleich neben ihrer Wange ans Fenster. Es hatte entfernte Ähnlichkeit mit einem Darm. Es rutschte allmählich abwärts und hinterließ eine Blutspur. Sie hielt sich den Arm vors Gesicht. Sie wollte nicht hinsehen. Sie dachte an Vetle, wie er damals auf der Tanne über der Alldjup-Schlucht gesessen hatte, sein Gesicht hinter dem Arm versteckt. Als würde ihm das mehr Sicherheit bringen. Jetzt machte sie es auch so. Sie hatte den Verstand verloren.

       Das träume ich nur! Das passiert nicht wirklich!

      Doch das Donnern ihres Pulses im Hals war echt. Sie hörte ein Geräusch wie von jemandem, der erstickt. War sie das? War das Kuro?

      Sie lugte hinter dem Arm hervor. Etwas lag auf dem Steinboden, dort, wo die Kiste gestanden hatte. Ein blasses Untier. Es hatte Füße, Arme. Es war ein Mann. Ein nackter Mann auf dem Boden. Eingesaut mit Blut und Federn. Sein Gesicht war unter glänzend schwarzem Haar verborgen. Er atmete.

      Da lag ein Mann auf dem Boden. Kein Rabe. Ein Mann.

      Hirka konnte sich nicht rühren. Allein schon der Gedanke daran, sich zu bewegen, war unmöglich. Sie war schwer wie ein Stein. Festgefroren. Der Mann versuchte, sich mit einem Arm aufzustützen, doch er rutschte im Rabenblut aus und fiel wieder hin. Krümmte sich vor Schmerzen. Er streckte den einen Arm aus, zog sich etwas vorwärts. Gab aber auf. Blieb mit angezogenen Knien auf dem Boden liegen.

      Nie hatte sie gesehen … oder gehört, dass …

       Ich muss weg von hier!

      Das unfassbare Etwas, das da vor ihr lag, konnte alles Mögliche sein. Etwas so Schreckliches, dass die Menschen nicht gewagt hatten, ihr davon zu erzählen. Ein Untier, das Raben tötete und Menschen fraß.

      Der Mann hatte sie nicht gesehen. Wenn sie doch nur an ihm vorbeirobben könnte und raus …

      Hirka zwang ihre Gliedmaßen, ihr zu gehorchen. Sie beugte sich vor und kroch auf allen vieren unter den Tisch. Ihr Regenponcho knisterte bei jeder Bewegung. Sie versuchte, so leise wie möglich zu sein, indem sie nur kleine Schritte machte und sich Stück für Stück vorarbeitete. Ihre Arme zitterten. Die Ellenbogen drohten nachzugeben. Sie wagte es nicht zu blinzeln. Still. Sie musste still sein. Sie hörte ihn atmen. Zischend. Er war viel zu nah, aber bis zur Tür war es jetzt nicht mehr weit. Sie musste es schaffen. Würde es schaffen. Sie konnte hier nicht sterben.

      Sie hob die Hand, um sie noch ein Stückchen vorwärtszubewegen. Doch plötzlich packte er ihr Handgelenk. Der Schrei blieb ihr im Hals stecken. Sie wollte sich losreißen, aber alles hatte sie im Stich gelassen. Die Instinkte. Der Körper. Die Gedanken.

      Seine Hand war groß und stark. Blass, fast weiß auf ihrer Haut. Und die Finger … Die kannte sie nur allzu gut. Klauen, von denen sie gehofft hatte, sie würde sie nie wieder sehen.

      Er war ein Blinder. Nábyrn. Ein Totgeborener.

      Hier. In der Welt der Menschen.

      Sie ließ das Kämpfen, stellte das Denken ein. Wenn sie sich bewegte, würde die Wirklichkeit zerspringen wie Glas. Die Angst steckte ihr wie ein kalter Pfahl im Körper. Ohne den sie zusammenbrechen würde.

      Er stemmte sich hoch, schaffte es mit Mühe und Not, den Oberkörper vom Boden zu hieven. Er stützte sich mit dem Arm ab. Starrte sie aus weißen, blinden Augen an.

      »Kroyo ozá désel?« Das klang wie ein Geräusch aus Draumheim. Eine heisere Stimme, die es nicht geben durfte.

      »Kroyo ozá désel?«, wiederholte er und es gab keinen Zweifel, dass er sie direkt ansah, egal, ob er blind war oder nicht. Hirka hob die Hand und legte sich zwei zitternde Finger an den Hals, ohne den geringsten Schimmer zu haben, woher dieser Instinkt kam.

      Er knurrte wie ein Tier und brach wieder auf dem Boden zusammen.

      Gnade

       Was tust du hier? Lauf! Mach, dass du von hier wegkommst!

      Hirka war nicht in der Lage, ihre eigenen Ratschläge zu befolgen. Sie starrte den Totgeborenen an. Sein Körper bestand aus Muskeln und kaum etwas anderem. Sie waren wie aus der blassen Haut gemeißelt. Er sah stark und zugleich ausgehungert aus. Jeder Atemzug bereitete ihm offenbar Schmerzen. Der Körper zuckte wie in Krämpfen. Die Muskeln wölbten sich über der Brust, die sich bis zum Bauch fortsetzten und weiter bis hinunter zu … Hirka bekam heiße Wangen. Er war bis da unten haarlos. Und gut ausgestattet.

      Das Wesen hatte die Augen geschlossen. Sie vermutete, dass er versuchte, Kräfte zu sammeln. Er war sehr geschwächt. Vielleicht todkrank. Sie guckte zur Tür. Er würde sie nicht aufhalten, wenn sie losrannte. Sie war frei. Sie konnte abhauen. Wenn er sich erst einmal erholte, wäre es zu spät. Er war ein Blinder. Sie hatte gesehen, wozu die imstande waren. Sie erinnerte sich an den Mann, der bei Ravnhov getötet worden war. An seine leeren Augen … Dieses Wesen war der Tod. Ein wildes Tier. Gefährlich. Fremd.

      Plötzlich wurde ihr klar, dass man dasselbe auch über sie gesagt hatte. Oft. Die Erinnerungen, die zu vergessen sie sich abgemüht


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