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Aufbruch in die Dunkelheit. Mark StichlerЧитать онлайн книгу.

Aufbruch in die Dunkelheit - Mark Stichler


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natürlich noch zu früh, um das mit Sicherheit sagen zu können.“

      Der Alte blickte ihn spöttisch an, verzog ansonsten aber keine Miene.

      „Wann könnt ihr das denn mit Sicherheit sagen?“, fragte er. „Das Gleiche erzählt mir dein Chef auch immer wieder.“

      Eduard seufzte.

      „Der Bau einer Brücke ist eine komplexe Sache“, erwiderte er mit einer gewissen Ungehaltenheit in der Stimme. „Man kann bei einer geplanten Bauzeit von vier Jahren nicht nach einem Jahr auf den Tag genau sagen, wann die Brücke fertig sein wird. Dafür hast du hoffentlich Verständnis.“

      „Natürlich“, sagte sein Vater nach einer kleinen Pause. „Natürlich. Du kannst mir heute Abend etwas darüber erzählen.“

      „Heute Abend?“ Eduard schüttelte den Kopf. „Da wollte ich eigentlich in den Club. Alle reden davon und ich war noch nie dort.“

      Hans hatte die ganze Zeit schon mit einer gewissen Angespanntheit dagesessen und dem Gespräch gelauscht. Jetzt zuckte er zusammen.

      „Du willst in den Nationalen Club? Ist das dein Ernst?“, rief er erstaunt.

      Eduard presste kurz die Lippen zusammen.

      „Was ist schon dagegen einzuwenden?“, fragte er ungehalten. „Es ist ein Club, nichts weiter.“

      „Ich finde es eine sehr gute Idee, sich das einmal anzusehen“, unterbrach der alte Escher. „Das heißt doch noch lange nicht, dass man mit Leuten wie diesem … Wie heißt der Journalist gleich noch, der dich so in Rage bringt?“ Er blickte Hans fragend an.

      „Maarsen“, sagte Hans leise und kniff die Augen zusammen. „Michael Maarsen.“

      „Genau.“ Sein Vater nickte. „Das heißt noch nicht, mit Leuten wie Maarsen auf einer Stufe zu verkehren.“

      „Aber er hat diesen Nationalen Club ins Leben gerufen!“, rief Hans aufgebracht.

      „Maarsen ist lediglich ein Bekannter meines Chefs“, erwiderte Eduard. „Es verkehren dort ganz normale Leute.“

      „Mehr als das“, ergänzte sein Vater. „Viele der Männer, die sich dort treffen, gehören zur guten Gesellschaft der Stadt. Was man von Ava und Simon Mandelbaum nicht unbedingt behaupten kann.“

      „Weil sie Juden sind?“, ereiferte sich Hans. „Seit die Brücke gebaut wird, treiben sich hier eine Menge zwielichtiger Gestalten herum. Aber es sind sicher nicht die Mandelbaums.“

      „Das sind Arbeiter“, erwiderte Eduard ruhig. „Und seid nicht Simon und du eifrige Verfechter der neuen Arbeiterbewegung? Von uns bekommen sie Arbeit. Es sind manchmal eben etwas derbere Gesellen. Aber eigentlich aufrechte und ehrliche Männer.“

      „Die meine ich nicht“, rief Hans und wurde rot. „Ich meine Typen wie Maarsen, die im Gefolge deines Chefs hier aufgetaucht sind und jetzt über ihre Pamphlete und diesen Club ihr obskures Gedankengut streuen.“

      „Es reicht jetzt, Hans“, sagte sein Vater streng. „Das geht zu weit. Nimm dich zusammen. Ich selbst habe mit Dr. Köhning wegen des Brückenbaus verhandelt, wie du weißt. Und er ist ein sehr kompetenter und ehrenwerter Mann. Und er ist außerdem ein guter Bauingenieur mit viel Erfahrung und hervorragenden Referenzen. Es gibt keinen Grund, ihn wegen der Mandelbaums zu beleidigen.“ Er atmete tief ein. „Ich bin mit dem alten Mandelbaum schon lange befreundet. Aber wie er sich zurzeit verhält, zeigt einmal mehr, dass man sich nicht immer auf ihn verlassen kann.“ Er fixierte Hans scharf. „Du kannst mir sagen, was du willst. Das trifft auf die meisten seines Schlags zu. Und trotzdem habe ich mich um sie gekümmert und immer versucht, Gerechtigkeit walten zu lassen. Aber sie sind nicht wie wir. Und der Club hat damit rein gar nichts zu tun.“

      „Aber Maarsen verbreitet unsägliche Pamphlete, in denen es genau darum geht …“, rief Hans.

      „Genug“, sagte sein Vater und warf seine Serviette auf den Tisch. „Ich will nichts mehr davon hören. Ich bin sicher, der Club wird eine Bereicherung für das gesellschaftliche Leben Waldbrüggs sein.“ Er erhob sich abrupt. „Ich glaube, es ist besser, wenn auch wir jetzt an unsere Arbeit gehen.“

      Hans verkniff sich den Kommentar, den er auf den Lippen gehabt hatte und starrte mit rotem Kopf auf den Tisch. Einen Moment herrschte Stille im Raum.

      „Komm schon“, meinte Eduard irgendwann versöhnlich. „Ich will mir den Club nur einmal ansehen. Dr. Köhning hat mich eingeladen. Ich habe nicht vor, regelmäßig dort zu verkehren oder gar Mitglied zu werden. Und selbst wenn dort niemand unsere Ansichten teilt, lohnt es sich doch, ein Bild davon zu bekommen. Meinst du nicht?“

      Hans überlegte einen Moment.

      „Du hast sicher recht“, sagte er dann ruhig und erhob sich ebenfalls. „Entschuldigt bitte.“

      Der alte Escher zog leicht eine Augenbraue hoch.

      „Nun, komm schon“, sagte er kühl.

      Der alte Escher trat ans Fenster seines Büros und dachte über Geisteskrankheit nach. Nicht dass ihn das Thema wirklich interessierte. Im Gegenteil. Es war ihm zuwider und er ärgerte sich darüber, dass sein Kopf sich mit solch abwegigen Dingen beschäftigte. Viel wichtiger wäre es, sich auf das bevorstehende Gespräch mit Mandelbaum vorzubereiten. Er musste jeden Augenblick hier sein und Escher hatte sich noch keine endgültige Vorgehensweise zurechtgelegt. Es war eine delikate Angelegenheit und er wollte die Kontrolle über das Gespräch behalten. Er würde sie behalten … Doch stattdessen schweiften seine Gedanken immer wieder ab und darüber ärgerte er sich noch mehr. Solche Zerstreutheit kannte er gar nicht an sich.

      Schuld war ein Artikel, den Hans vor Kurzem erwähnt hatte. Er handelte von neuen Beurteilungen und Behandlungsmethoden verschiedener Geisteskrankheiten. Hans interessierte sich sehr dafür und ließ sich von solchen Dingen immer sehr leicht beeindrucken. Begeistert hatte er beim Abendessen vor ein paar Tagen davon berichtet. Verschiedene Wissenschaftler, Doktoren und Professoren – Escher formulierte die Wörter in Gedanken mit einem verächtlichen Unterton – hatten neue Theorien über die Ursachen von Krankheiten wie Schizophrenie, Wahnvorstellungen und Melancholie aufgestellt und darauf basierend auch neue Möglichkeiten der Therapie entwickelt.

      Für einen kurzen Augenblick empfand Escher deutlich, wie sehr er es für einen Fehler hielt, körperliche und geistige Gebrechen zu trennen. Beide sollten seiner Meinung nach von den gleichen Ärzten behandelt und gar nicht in unterschiedliche Kategorien eingeteilt werden. Würde das ansonsten nicht für immer die geistigen Krankheiten in Misskredit bringen? Nicht dass er gegen eine genaue Analyse wäre … Aber er fühlte instinktiv, dass die Therapie und die Aussicht auf Heilung von der Umwelt des Patienten als vage und wenig verlässlich aufgenommen werden würden. Es war keine klare Sache wie die Behandlung eines Schnupfens, der danach definitiv endete, oder das Entfernen eines Geschwürs. Immer würde nach der Genesung von einer geistigen Schwäche eine kleine Unsicherheit zurückbleiben, ob die Heilung wirklich erfolgreich und endgültig war. Es wäre einfacher, daran zu glauben, wenn dieselben Ärzte sie herbeiführen würden, die eben auch einen Schnupfen behandelten. Ganz zu schweigen davon, dass er selbst der Meinung war, solche Störungen würden auf den Charakter schlagen.

      Der eigentliche Grund dafür, dass sich der alte Escher diese Gedanken machte, war allerdings nicht der Artikel. Er hatte ihm nur eine leise Ahnung, eine Befürchtung wieder in Erinnerung gerufen, die er früher einmal gehabt hatte: dass möglicherweise einer seiner Söhne unterschwellig an einer Art dieser als ‚geistig‘ klassifizierten Krankheiten litt und deshalb unter Umständen dieser Stigmatisierung des Unheilbaren, des Labilen und Unzuverlässigen ausgesetzt sein könnte, würde sie jemals ausbrechen. Nur um seinetwillen wollte Escher Gleichberechtigung. Anderenfalls hätte ihn das Thema völlig kaltgelassen.

      Der Marktplatz unter ihm lag jetzt fast vollständig in der Sonne. Inzwischen war dort einiges los, Dienstmädchen machten Besorgungen und stoppten auf eine kurze Unterhaltung am Brunnen. Der Bäckerjunge hastete mit zwei Broten


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